Zeitdruck und Pflegekräftemangel gefährden Patientensicherheit

Patienten

Veröffentlicht 16.09.2021 04:40, Dagmar Finlayson

Zum Welttag der Patientensicherheit betont die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie neben kontinuierlicher Arbeit an einer verbesserten Sicherheitskultur die Bedeutung der Rahmenbedingungen für eine sichere Patientenversorgung.

Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) nimmt den Welttag der Patientensicherheit am 17.9.2021 zum Anlass, ihr kontinuierliches Engagement und ihren Einsatz für Patientensicherheit sichtbar zu machen. Das Leitthema dieses Welttags „MACH DICH STARK FÜR PATIENTENSICHERHEIT“ hat das Ziel, Personal, politische Entscheidungsträger und Netzwerke zu mobilisieren, um sich mit Engagement und immer neuen Initiativen für Patientensicherheit einzusetzen.

„Wir Chirurgen haben schon früh begonnen, uns mit der Aufarbeitung und dem Vermeiden von Komplikationen zu beschäftigen. Und es waren auch die Chirurgen, die sich weltweit als erste ärztliche Berufsgruppe mit Patientensicherheit befassten“, betonte Prof. Dr. Hauke Lang, Präsident der DGCH, im Vorfeld des Welttags der Patientensicherheit anlässlich eines Grußwortes als Schirmherr zur Eröffnung der Veranstaltung „Patientensicherheit - aktueller Stand 2021“ am 9.9.2021 in Hannover.

„Patientensicherheit“ wurde erstmals in einem Report des „Instituts of Medicine“ in den USA mit dem Titel: „To err is human“ – „Irren ist menschlich“ öffentlich thematisiert. In diesem Bericht wurde konstatiert, dass in amerikanischen Krankenhäusern zum damaligen Zeitpunkt jährlich mehr Patienten auf Grund von Behandlungsfehlern verstarben als durch Verkehrsunfälle, Brustkrebs oder Aids – wahrlich eine erschreckende Bilanz. In Deutschland wurde Patientensicherheit im Jahr 2005 ein öffentliches Thema. In diesem Jahr wurde das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) gegründet, das bis heute kontinuierlich einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit von Patienten in der ambulanten und stationären Versorgung leistet. Ebenfalls 2005 war Patientensicherheit das Leitthema des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie.

Erstmals wurde öffentlich nicht nur über Komplikationen, sondern auch über Fehler gesprochen. Dies war ein erster Schritt weg von einer rückwärtsgewandten Schuldkultur hin zu einer vorwärtsorientierten Lern- und Sicherheitskultur. Es ist das große Verdienst des damaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Prof. Matthias Rothmund aus Marburg, den dringenden Handlungsbedarf zum offenen Umgang mit Fehlern als Voraussetzung für eine neue Sicherheitsqualität erkannt und auf die Notwendigkeit eines Risikomanagements hingewiesen zu haben.

Die DGCH hat mit der Umsetzung der 2010 vom APS herausgegebenen Broschüre „Aus Fehlern lernen“ dazu beigetragen, in den Kliniken eine Atmosphäre und Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, aus den Fehlern anderer zu lernen. Dazu zählt beispielsweise:

-       Die Einführung von OP-Checklisten, in denen exakt definierte Angaben vor einer Operation nochmals systematisch abgefragt und somit verhindert werden soll, dass es zu Patienten- oder Eingriffsverwechslungen bzw. anderen folgeträchtigen Versäumnissen kommt. Checklisten helfen, Prozesse zu strukturieren und Zuständigkeiten zu regeln. Ihr Einsatz ist damit vor allem in den Bereichen sinnvoll, in denen Akteure unterschiedlicher Berufsgruppen zusammenarbeiten oder in denen kritische Situationen vermehrt auftreten könnten.

-       Die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des APS wie „Jeder Tupfer zählt – Vermeidung unbeabsichtigt belassener Fremdkörper im OP-Gebiet“.

-       Die feste Etablierung von Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen als Instrumente zur Fehlererkennung und künftigen Fehlervermeidung.

-       Die Etablierung eines Fehlermeldesystems (CIRS), das niederschwellig zugänglich und sowohl abteilungs- als auch berufsgruppenübergreifend implementiert ein wichtiges Instrument des einrichtungsinternen Qualitäts- und klinischen Risikomanagements darstellt. Zwischenzeitlich auch vom Sozialrecht verpflichtend vorgeschriebene Fehlermanagementsysteme sollen auf der Basis anonymer Fehlermeldungen Verbesserungen in Prozessen und Arbeitsabläufen unabhängig von handelnden Personen erwirken.

Die Prävention von Behandlungsfehlern ist eine elementare Pflicht für Ärztinnen und Ärzte, das Pflegepersonal und alle jene, die direkt oder indirekt für die Patientenversorgung Verantwortung tragen. Die moderne Hightech-Medizin bringt wachsende Risiken mit sich. Viele unterschiedliche Berufsgruppen arbeiten an immer mehr Schnittstellen zusammen, immer mehr Medikamente und technische Geräte werden eingesetzt, selbst bei Hochrisiko-Patienten werden komplizierte Eingriffe durchgeführt. Dazu kommen Zeitdruck und hohe Arbeitsbelastung. So gehört heute zu den sehr ernst zu nehmenden fehlerproduzierenden Bedingungen vor allem auch das unter erheblichem ökonomischem Druck stehende Arbeitsumfeld.

Die DGCH sieht hier somit auch eine Verpflichtung des Gesetzgebers, der Kosten- und Krankenhausträger sowie der Klinikleitung zur Sicherstellung adäquater Rahmen- und Arbeitsbedingungen. Entscheidungen im Krankenhaus müssen meist unter großem Zeitdruck getroffen werden, wobei die Klinikmitarbeiter nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie oft am Rande der Erschöpfung arbeiten. So geht die derzeit größte Bedrohung der Patientensicherheit von dem fast überall herrschenden Mangel an qualifiziertem Personal aus. Aktuelle Studien belegen z. B. einen Zusammenhang zwischen Pflegequalität und Morbidität sowie Mortalität. Es zeigt sich, dass ein Mangel an examinierten Schwestern oder Pflegern mit einem höheren Sterberisiko für Patienten verbunden ist und dass examiniertes Pflegepersonal nicht durch Hilfskräfte kompensiert oder gar ersetzt werden kann. In der Pandemie wurde der Pflegekräftemangel offensichtlich. Gerade in Wahlkampfzeiten ist deshalb daran zu erinnern, dass hier die Gesundheitspolitik ihrer Verantwortung nachzukommen hat.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)

Symboldbild: Pixabay/ar130405


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