"Wir sind aktuell dabei, uns von einer guten Krankenhausversorgung zu verabschieden."

Statement

Veröffentlicht 10.05.2022 08:00, Dagmar Finlayson

Gesundheitsökonom Thomas Busse sieht Einsetzung der Krankenhaus-Kommission durch Gesundheitsminister Lauterbach eher kritisch und fordert eine schnellere Lösung

Der Frankfurter Gesundheitsökonom Prof. Thomas Busse hat sich eher kritisch zur Einsetzung einer Krankenhaus-Kommission durch den Gesundheitsminister Karl Lauterbach geäußert, die schriftliche Stellungnahmen zu einzelnen Fragen der Krankenhausversorgung abgeben soll. Generell sei nichts gegen die Bündelung von Kompetenzen einzuwenden, um Probleme - wie bspw. die aktuelle Situation von Krankenhäusern - anzugehen und zu lösen, meint der Professor für Pflegemanagement an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS): „Aber brauchen wir wieder eine Kommission, die breit diskutiert, um dann festzustellen, was bekannt ist? Dass das Fallpauschalensystem seit Jahren falsche Anreize setzt, dass wir zu viele stationäre Krankenhausbetten und Krankenhausstandorte nur in Ballungsgebieten vorhalten, dass das Zusammenspiel zwischen ambulanter und stationärer Versorgung nicht gut funktioniert, dass die Notfallversorgung im ländlichen Raum immer schlechter wird oder dass die Pflege in der Krankenhausversorgung nicht die Rolle spielt, die sie eigentlich spielen müsste?“ Busses Antwort lautet – nein. Er plädiert stattdessen dafür, nicht wieder nur zu reden, sondern endlich zu handeln und keine weitere kostbare Zeit ins Land ziehen zu lassen. Handeln könne aus seiner Sicht keine Kommission, sondern dies könnten nur die politisch Verantwortlichen.

„Was spricht dagegen, zeitnah das aktuelle Fallpauschalensystem nicht immer weiter gesetzgeberisch auszuhöhlen und zu verkomplizieren, sondern konkret und zeitnah zu reformieren? Was spricht dagegen, den tatsächlichen Bedarf an Krankenhausbetten und Standorten zu erheben und daran zukünftige Investitionen auszurichten oder was spricht dagegen bspw. festzulegen, wie viel Prozent der Krankenhausbetten zukünftig in öffentlicher Hand bleiben müssen, um den Versorgungsauftrag seitens des Staates tatsächlich auch sicherstellen und einer drohenden Privatisierungswelle oder Monopolisierung entgegentreten zu können?“, erläutert Busse und gibt damit der Kommission sowie der Politik die dringende Empfehlung hierauf zeitnah Antworten zu finden. Er bemängelt, dass sich die Probleme der Krankenhäuser seit Jahren im Hinblick auf deren Finanzierung, Strukturen oder insbesondere auf deren Attraktivität für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichtbar verschärft hätten. Diese Probleme seien bereits hinlänglich bekannt und müssten endlich einmal konkret und zeitnah angegangen werden.

Aus seiner Sicht sollten die politischen Entscheidungsträger strukturelle Ziele benennen und diese dann auch kurz- und mittelfristig verfolgen. „Unverbindliche Kommissionsvorschläge können dazu neigen, dringend notwendige Reformprozesse zu verschleppen, Entscheidungsträger ihrer Verantwortung zu entbinden und lösen die anstehenden Probleme letztlich erfahrungsgemäß nicht wirklich“, so Busse. „Wir sind aktuell dabei, uns von einer guten Krankenhausversorgung zu verabschieden und dem gilt es mit Taten und nicht mit Worten entgegenzutreten!“

Der Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, hat Anfang Mai die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ berufen. Besetzt ist die Kommission mit 15 Expertinnen und Experten aus der Versorgung (Pflege und Medizin), der Ökonomie, der Rechtswissenschaften und einem an das Bundesministerium für Gesundheit angebundenen Koordinator. Erarbeitet werden sollen schriftliche Stellungnahmen zu einzelnen Fragen der Krankenhausversorgung. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sollen die Empfehlungen Grundlagen für Krankenhausreformen ab dem Jahr 2023 werden.


Zur Person:
Prof. Thomas Busse ist seit 2001 Professor für Pflegemanagement an der Frankfurt UAS. Er ist Gesundheitsökonom und leitet den Master-Studiengang Pflege- und Gesundheitsmanagement am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt UAS. Darüber hinaus ist er Leiter des Zentrums für Gesundheitswirtschaft und -recht (ZGWR) der Hochschule.

Zentrum für Gesundheitswirtschaft und -recht (ZGWR)
Das Zentrum für Gesundheitswirtschaft und -recht (ZGWR) bündelt die Kompetenzen der Frankfurt University of Applied Sciences auf den Gebieten Gesundheitswirtschaft, Gesundheitsökonomie und Gesundheitsrecht und dient als Plattform für die interdisziplinäre, fachbereichsübergreifende Kooperation. Das wissenschaftliche Zentrum wurde 2009 im Zusammenwirken der Fachbereiche Wirtschaft und Recht sowie Soziale Arbeit und Gesundheit gegründet. Das ZGWR führt u.a. alle zwei Jahre die bundesweite Befragung „OP-Barometer“ zur Arbeitssituation von OP- und Anästhesie-Pflegekräften im OP-Bereich durch.

Weitere Informationen zum Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit unter: http://www.frankfurt-university.de/fb4; mehr zum ZGWR unter http://www.frankfurt-university.de/zgwr.

Quelle: Frankfurt University of Applied Sciences

Symbolbild: Pixabay/geralt


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