Zeit für Plattformstrategien

Zukunft

Veröffentlicht 27.08.2021 08:50, Kim Wehrs

Gesundheitsplattformen werden ein fester Bestandteil der „neuen Normalität“ sein. Healthcare-Akteure werden eigene Plattformen gründen oder sich an Plattformen anderer Unternehmen beteiligen. Diese Entwicklung wird den Gesundheitsmarkt von Grund auf umgestalten, die Position von Tech-Unternehmen und Startups stärken, Anbietern und Konsumenten neue Möglichkeiten eröffnen und die Rolle von Versicherern neu definieren. 

Digitale Plattformen transformieren das Gesundheitswesen – allerdings bedeutet Wandel immer auch Disruption. Nicht umsonst fragen sich die Marktteilnehmer, welcher Plattformtyp in Zukunft dominieren wird. Wie lautet das Erfolgsrezept für eine Gesundheitsplattform? Und ganz entscheidend: Wer hat die besten Voraussetzungen, um die künftige Schnittstelle zum Patienten zu besetzen?

Einblicke in die Gesundheitsbranche

Um herauszufinden, wie die Branche ihre Zukunft sieht, führten Experten von Roland Berger, einer internationalen Unternehmensberatung, eine Befragung unter mehr als 500 Experten rund um den Globus durch – die zweite Studie in unserer groß angelegten Serie zur Zukunft des Gesundheitswesens (1). Parallel hierzu nahmen die Experten eine qualitative Recherche der 100 wichtigsten Healthcare-Plattformen weltweit vor. Die Resultate der Roland Berger-Untersuchung waren in vielerlei Hinsicht überraschend.

So haben die Branchenexperten ihre Wachstumserwartungen seit der ersten Umfrage im Jahr 2019 deutlich nach oben korrigiert. Wenn sie recht behalten, könnten die Ausgaben für digitale Gesundheit in Deutschland schon 2025 bei ca. 57 Milliarden Euro liegen (plus 19 Milliarden Euro gegenüber früheren Einschätzungen), während sie in der Europäischen Union 232 Milliarden Euro  und weltweit sogar 979 Milliarden Euro erreichen könnten. Ein Grund für diesen Optimismus heißt Covid-19. Mehr als drei Viertel der Befragten gehen davon aus, dass die Corona-Pandemie die Einführung digitaler Healthcare-Dienstleistungen um mindestens zwei Jahre beschleunigen wird, da sich die Bevölkerung an kontaktlose Angebote für die Gesundheitsfürsorge gewöhnt. 

Drei Viertel der Umfrageteilnehmer erwarten außerdem, dass die Patienten zunehmend eigenverantwortlich mit ihren Gesundheitsdaten umgehen und selbst entscheiden werden, wem sie was zur Verfügung stellen. Wenn diese Erwartung begründet ist, kommt dem Einstiegspunkt in Plattformsysteme eine enorme Bedeutung zu. Überraschenderweise halten die befragten Experten die Kundenerfahrung, nicht den gesundheitlichen Mehrwert, für den wichtigsten Erfolgsfaktor für Healthcare-Plattformen. Bei Gesundheits-Apps spielt die Benutzerfreundlichkeit eine zentrale Rolle.


Der Kampf um den Kunden

Branchen-Insider sind davon überzeugt, dass bestimmte Player künftig bestimmte Arten von Kunden „besitzen“ werden. Healthcare-Anbieter sind demnach optimal positioniert, um Personen mit bestehenden Gesundheitsproblemen anzusprechen, während Tech-Unternehmen aufgrund ihrer gigantischen Menge an Nutzerdaten Vorteile bei der Prävention haben. Aus diesem Szenario ergeben sich eine Reihe von Fragen. Wie werden Tech-Unternehmen ihre Kunden zum Beispiel an Healthcare-Anbieter weitervermitteln, wenn sie krank werden sollten? Warum wird der Gesundheitsbranche hier keine maßgebliche Funktion zugetraut? Und wie kann in einer fragmentierten Anbieterlandschaft die Ownership-Frage beantwortet werden? 

Eine weitere Erkenntnis aus der Studie, die von größter Wichtigkeit für die strategischen Überlegungen der Healthcare-Branche ist, betrifft die Notwendigkeit einer Integration von Online- und Offline-Welt. Erfolgreiche Akteure werden Patienten und anderen Healthcare-Konsumenten eine nahtlose Erfahrung bereitstellen. Mehr als vier Fünftel der Befragten rechnen mit einem starken Wachstum von Plattformen, die virtuelle und reale Dienstleistungen miteinander kombinieren. Ein Patient könnte beispielsweise zuerst eine Videosprechstunde über eine Diagnoseplattform nutzen und anschließend für eine physische Untersuchung an einen Facharzt verwiesen werden. Dieser Übergang zwischen virtueller und realer Welt muss unbedingt reibungslos verlaufen. 

 

Auf das „New Normal" einstellen

Healthcare-Akteure müssen sich auf den radikalen Umbruch vorbereiten, der mit der „neuen Normalität“ auf sie zukommt. Angesichts dieser Herausforderung empfehlen Roland Berger-Experten folgende Maßnahmen:

  • ·Erkennen Sie frühzeitig relevante Trends
  • ·Definieren Sie Ihre Strategie
  • ·Bestimmen Sie Ihre Rolle
  • ·Stärken Sie Ihren kollaborativen IQ
  • ·Finden Sie Ihren Einstiegspunkt

Diese Empfehlung der Roland Berger-Experten gilt für alle Marktteilnehmer gleichermaßen, ob Versicherer, Krankenhaus, Pharmaunternehmen oder Medizintechnik-Startup: Bestimmen Sie jetzt, wie Ihre Plattform-Strategie der Zukunft aussieht. Das „Future of Health“-Paradigma lutet: In einer Phase, in der noch keine klaren Gewinner auszumachen sind, lohnt es sich, alles auf Sieg zu setzen.

 

(1) Future of Health – Aufstieg der Gesundheitspalttformen, Karsten Neumann, Ulrich Kleipaß, Oliver Rong, Morris Hosseini und Thilo Kaltenbach, Roland Berger

Foto: Adobe Stock / sdecoret


Lesen Sie mehr zum Thema "IT-Management"

Mit Video: Per Netzwerktransformation startet das Schwarzwald-Baar Klinikum die Entwicklung zum Krankenhaus 4.0
IT-Management
„Frankfurter Pressegespräch“ mit dem Schwarzwald-Baar Klinikum und NTT

Lesen Sie hier die neuesten Beiträge

Diese Webseite verwendet Cookies.   Mehr Info.      oder