Der dringend notwendige Schub für die Digitalisierung des Gesundheitswesens

Digitalisierung

Veröffentlicht 03.12.2021 09:00, Dagmar Finlayson

Man kann es eigentlich nicht mehr hören – trotzdem, in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens wurden die Möglichkeiten hierzulande bislang zu wenig genutzt. Die Hoffnungen sind deshalb groß, dass die Pandemie indirekt Fakten schafft und wie ein Innovationsturbo wirkt. Denn hier zeigte sich besonders deutlich, welche Vorteile Menschen durch eine konsequente Digitalisierung haben: Anstatt quer durch die Stadt zu fahren und sich in ein volles Wartezimmer zu setzen, schützt der kontaktlose Arztbesuch via Telemedizin vor Infektionen. Gerade für chronisch Kranke ist diese Ferndiagnose besonders wertvoll.

Gemeinsam genutzte Plattformen unterstützen zudem den Datenaustausch in Echtzeit, und digitale Dokumentationssysteme erleichtern den administrativen Aufwand in Praxis und Krankenhaus. Generell gilt: Die Digitalisierung hilft Über-, Unter- und Fehlbehandlungen zu vermeiden und trägt wesentlich dazu bei, dass unser Gesundheitssystem bezahlbar und qualitativ hochwertig bleibt. Oder anders ausgedrückt – digitales Zögern führt im Ergebnis zu einer schlechteren medizinischen Versorgung, als eigentlich möglich wäre.

Das Gesundheitswesen für die Zukunft zu digitalisieren wird allerdings Milliarden kosten – und eine der zentralen Herausforderungen der neuen Bundesregierung sein. Laut einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft Roland Berger werden die Ausgaben für digitale Produkte im Gesundheitssektor in den nächsten Jahren massiv ansteigen. Liegt ihr Anteil hierzulande bislang bei unter fünf Prozent an den Gesamtausgaben, erwarten die Experten, dass er bis 2026 auf zwölf Prozent klettern wird. Ein Plus in dieser Höhe bedeutet laut Studie Kosten von knapp 60 Milliarden Euro. Die sind zunächst einmal für die Umstellung auf digitale Abläufe wie die elektronische Patientenakte oder das E-Rezept notwendig. Ein weiterer Treiber sind die Angebote rund um Prävention und Verhaltensbeeinflussung. Den größten Innovationssprung – und damit Kostenblock – erwarten die Experten allerdings im Bereich der digitalen Beratung chronisch Kranker, gefolgt von Künstlicher Intelligenz, Sensoren für kontinuierliches Monitoring sowie Zell- und Gentherapien.

Das bisher zögerliche Investieren in neue Technologien dürfte vor allem den chronisch klammen Kassen vieler Krankenhäuser geschuldet sein. Eine Ausrede gibt es allerdings nicht mehr – denn mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) investieren Bund und Länder bis zu 4,3 Milliarden Euro in deren digitale Infrastruktur. Das Geld soll unter anderem in moderne Notfallkapazitäten, Patientenportale, die elektronische Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen oder digitales Medikationsmanagement fließen.

Gleichzeitig wird die Verteilung der Gelder explizit von Investitionen in die IT-Sicherheit abhängig gemacht, wurden Krankenhäuser und andere Einrichtungen in den letzten Jahren doch allzu oft Opfer von Cyber-Attacken. Patientendaten wie etwa die Versicherungs- und Personalausweisnummer sind für Hacker ein lohnendes Geschäft: Derlei Informationen haben typischerweise kein Verfallsdatum, lassen sich nicht einfach sperren und bieten gute Chancen, langfristig für Erpressung, Identitätsdiebstahl oder gefälschte Rechnungen nutzbar zu sein. Gleichzeitig ist – da wichtige, wenn nicht sogar lebenserhaltende Systeme im Falle eines Ransomware-Angriffs betroffen sind – die Zahlungsbereitschaft der Krankenhäuser in der Regel hoch.

All diese Entwicklungen wirken sich auf die Akteure im Gesundheitsmarkt sehr unterschiedlich aus, und es wird niemanden geben, der alles aus einer Hand anbietet. So wird die Pharmaindustrie vornehmlich physische Innovationen vorantreiben, während Tech-Unternehmen als Plattformanbieter und Sicherheitsberater agieren. Wenn die Gesundheitsbranche die digitale Transformation beschleunigen will – was außer Frage steht –, muss sie ihre Infrastruktur durch die Modernisierung der Technologie, die Automatisierung von Prozessen und die Rationalisierung von IT-Abläufen effizienter gestalten. Während in Bereichen wie der Diagnostik gerade große Krankenhäuser in moderne Technologien investiert haben, gibt es bei der Rechenzentrumsinfrastruktur, die immerhin Basis aller Digitalisierungsvorhaben ist, deutlichen Nachholbedarf. Mit dem KHZG ist der Politik in der Tat ein großer Wurf gelungen, denn es liefert den dringend notwendigen Schub für die Digitalisierung der Krankenhäuser. Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) haben inzwischen fast alle Einrichtungen Bedarfsmeldungen eingereicht. Zu viel Zeit dürfen sich die Krankenhäuser allerdings nicht lassen – einerseits weil ihnen das KHZG die Einführung bestimmter digitaler Services bis Ende 2024 abverlangt und bei Nichterfüllung Zahlungsabschläge drohen, anderseits weil die Digitalisierung schlicht notwendig ist, um die Patientenversorgung zu verbessern und den Krankenhausbetrieb effizienter zu gestalten.

 

Autor:

Marten Neubauer, Field Director Healthcare bei Dell Technologies

Symbolbild: ©Adobe Stock/PhotoSG/ 402807568


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