Informationen universell verfügbar machen - Interview ID GmbH

ID GmbH

Veröffentlicht 22.10.2020 11:10, Kim Wehrs

Semantische Interoperabilität ist eines der wichtigen Schlagworte der fortschreitenden Digitalisierung. Das zumindest sagen Mark Neumann, Vertriebsleiter und Mitglied der Geschäftsführung der ID Information und Dokumentation im Gesundheitswesen GmbH & Co. KGaA, sowie Joachim Meyer zu Wendischhoff, Leiter Medizin und Produktmanagement und ebenfalls Mitglied der Geschäftsführung. Weshalb das so ist und wo die konkreten Nutzen liegen, erklärten sie uns im Interview.

Was verbirgt sich hinter semantischer Interoperabilität?

Mark Neumann: Semantische Interoperabilität sorgt dafür, dass unterschiedliche IT-Systeme Informationen und Daten austauschen können, dass diese jeweils fehlerfrei übertragen, eindeutig und zweifelsfrei interpretiert sowie korrekt verstanden und verarbeitet werden. Den Ruf nach semantischer Interoperabilität gibt es bereits seit vielen Jahren, er verstärkt sich aber nun mit der einsetzenden Digitalisierung der Krankenhaus-und der niedergelassenen Bereiche. Schließlich bildet sie die Voraussetzung dafür, dass elektronische Dokumente ausgetauscht, in elektronische Gesundheitsakten eingespeist und dann maschinell verarbeitet werden können.

Wie genau muss ich mir das vorstellen?

Joachim Meyer zu Wendischhoff: Es gibt verschiedene Level von semantischer Interoperabilität. Es beginnt damit, dass IT-Systeme anhand der Metainformationen die Art von Dokumenten identifizieren, etwa Entlassbrief oder OPBericht, und entsprechend zuordnen. Die zweite Ebene ist die Interpretation der Dokumenteninhalte und das Verbinden unterschiedlicher Bezeichnungen für denselben Sachverhalt. Das ist einfach, wenn ein ICD- oder OPS-Kode vorliegt, aber deutlich anspruchsvoller, wenn in Dokumenten, der Patientenakte, im Entlassbericht oder im Einweisungsformular danach gesucht werden soll. An dieser Stelle spielt dann die semantische Interoperabilität eine große Rolle, weil in den verschiedenen Systemen, in denen die Informationen gespeichert sind, oftmals verschiedene Beschreibungslogiken verwendet werden.




Joachim Meyer zu Wendischhoff, Leiter Medizin und
Produktmanagement,Mitglied derGeschäftsführung.



Wo genau in diesem Problemfeld setzt ID mit seinen Lösungen ein?

M. Neumann: Wir decken – direkt oder indirekt – ein sehr breites Spektrum semantischer Interoperabilität ab. An der Spitze steht unser Terminologie-Server ID LOGIK®. Das System versetzt uns in die Lage, Sprache zu analysierensowie Begriffe und Bedeutungen in einem definierten Ordnungssystem abzubilden. Darauf aufsetzend können wir Anwendungen für die klinische Praxis entwickeln. Unsere drei Säulen sind die Kodierung, das Medizincontrolling und die eMedikation.

Könnten Sie das bitte an einem Beispiel verdeutlichen?

M. Neumann: Gerne. Für die Medikationsprüfung beispielsweise ist es eminent wichtig zu wissen, welche Diagnosen der Patient hatte, ob er operiert wurde, wie seine aktuellen Laborwerte aussehen, ob er mit Allergien belastet oder Diabetiker ist. Eine komplexe Prüfung führt alle diese Informationen – egal ob als Text oder Kode – zusammen und gibt dem behandelnden Arzt dann eine Dosierungsempfehlung.
Der Terminologieserver wendet eine Vielzahl komplexer Regelwerke an, um am Ende eine klare Handlungsempfehlung für den verordnenden Arzt zu generieren. Die eMedikation ist ja auch ein zentraler Punkt im Krankenhauszukunftsgesetz.

J. Meyer zu Wendischhoff: Genau, weil die Politik erkannt hat, wie weit die Medizin in punkto Digitalisierungsgrad hinter anderen Bereichen herhinkt. Denn digitale, strukturierte, eindeutig interpretierbare Informationen sind für einen wirklich durchgängigen, qualitätsgesicherten und effizienten medizinischen Behandlungsprozess unerlässlich.

Was versprechen Sie sich als Unternehmen vom KHZG?

M. Neumann: Wir wünschen uns, dass Krankenhäuser, die derzeit nicht über ausreichend Investitionsmittel verfügen, mit dieser Unterstützung eine elektronische Patientenakte aufbauen können und generell die Digitalisierung in der Fläche realisiert wird. Deutschland hat einen großen Nachholbedarf bei elektronischen Patientenkurven und strukturierter elektronischer Medikation. Die Sinnhaftigkeit dieser Verfahren stellt kein Krankenhaus ernsthaft infrage, allein mit den verfügbaren Ressourcen sowohl finanzieller als auch personeller Art ist eben bisher nicht jedes Krankenhaus in der Lage gewesen, den digitalen Reifegrad zu erhöhen. Wir als ID stehen mit Rat, Tat und unseren Lösungen zur Seite.

Wie sieht das am Beispiel der Kodierung aus?

J. Meyer zu Wendischhoff: Die Basis der Kodierung sind die Kataloge ICD und OPS. Wir durchsuchen ergänzend alle relevanten Dokumente nach expliziten Informationen oder impliziten Hinweisen, die zu einer sachgerechten Kodierung führen. Um aus Freitexten eine Kurzinformation zu isolieren, bedienen wir uns des Natural Language Processing, kurz NLP.

Wo wird dieses Mapping der verschiedenen Kataloge wichtig?

J. Meyer zu Wendischhoff: Das verdeutliche ich gerne an einem Beispiel aus der Praxis. In einem Krankenhausverbund mit mehreren Standorten hat jeder Standort eigene Katalog für Radiologie- oder Laborleistungen. Die Zentrale möchte die jeweiligen Leistungen jedoch zusammenführen oder zumindest untereinander vergleichbar darstellen. Dazu müssen die Kataloge aufeinander gemappt werden. Alle Leistungskataloge sind immer nur innerhalb ihres definierten Rahmens verständlich, wir universalisieren diese Verständlichkeit.

Interoperabilität basiert ja auch auf Standards, FHIR ist ein recht junger. Inwieweit sind Sie damit befasst?

M. Neumann: FHIR ist die moderne Weiterentwicklung von HL7 zum Austausch von Gesundheitsdaten. Damit befassen wir uns bereits sehr lang. Ganz konkret ist die Definition von FHIR-Ressourcen für den Bereich Medikation im Konsortium „Smart Medical Information Technology for Healthcare (SMITH)“ der Medizininformatik-Initiative des BMBF zu nennen, in dem wir mitwirken. Es geht darum, Medikationsdaten in einer vergleichbaren Form zwischen den verschiedenen Informationssystemen und Patientenakten zu transferieren, und da hat FHIR sich als Mechanismus zum strukturierten Datenaustausch etabliert.




Mark Neumann, Vertriebsleiter und Mitglied der
Geschäftsführung der ID Information und Dokumentation
im Gesundheitswesen GmbH & Co. KGaA



Was ist das „Next Big Thing“ der semantischen Interoperabilität?

J. Meyer zu Wendischhoff: Heute ist SNOMED CT in aller Munde, und es findet sich auch bereits in mehreren Gesetzen wieder. Es geht um die Auswertung klinischer Daten für die Forschung oder die klinische Routine. Allerdings stellt sich noch die Frage nach der Verfügbarkeit und Handhabbarkeit von SNOMED CT in Deutschland – das setzt nämlich eine deutsche Version voraus, die es noch nicht gibt. Wir schließen die Lücke derzeit mit unserem Terminologieserver, um deutschsprachige Dokumente zu verarbeiten und ein SNOMED CT Koding und SNOMED CT Mapping zu ermöglichen. Aufgrund unserer jahrzehntelangen
Vorarbeiten besitzen wir hier eine gewaltige Expertise im deutschsprachigen Raum und können aufgrund der umfassenden Terminologie funktionierende Anwendungen im klinischen Alltag nachweisen.
Im Grunde heißt das, das deutsche Vokabular über unsere interne Terminologie zu verarbeiten und auf das Zielsystem SNOMED CT in der englischen Version zu übertragen. Eine andere Herausforderung ist es dann jedoch, SNOMED CT in der klinischen Routine nutzbar zu machen. Dazu etwa müsste ein Arztbrief im Hintergrund mit einem SNOMED CT Tagging versehen werden, um die Voraussetzungen für die semantische Interoperabilität und eine elektronische Weiterverarbeitung zu schaffen. Auch das müsste automatisch erfolgen, da man einem Arzt das manuelle Tagging nicht zumuten kann.

An dem Mapping arbeiten Sie aber bereits?

M. Neumann: Das Mapping von deutscher Sprache auf die englische SNOMED CT-Version ist tatsächlich schon sehr weit fortgeschritten. Da kommt uns unsere langjährige ontologische Grundlagenarbeit zugute und letztendlich auch, dass wir diese perfekt als Brücken-technologie einsetzen können. Wir sind zuversichtlich, darauf basierende Tools in Kürze dann auch für die Routine zur Verfügung stellen zu können.

Herr Neumann, Herr Meyer zu Wendischhoff, ich bedanke mich für das interessante Gespräch.

Quelle: Printausgabe Krankenhaus-IT Journal, Oktober Ausgabe 2020, Ralf Buchholz


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