KI-Entwicklung im regulatorischen Umfeld

KI

Veröffentlicht 15.01.2021 10:10, Kim Wehrs

Der Einsatz von intelligenter Software kann die Patientenversorgung in Krankenhäusern entscheidend verbessern und das medizinische Personal erheblich entlasten. Aber wie soll KI-Software, die sich regelmäßig selbst verbessern kann, den regulatorischen Anforderungen genügen? Matthias Steffen von FUSE-AI über Deep Learning und mehr.

Deep Learning: treffsicher wie ein menschliches Gehirn

Besonders vielversprechend für eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin ist das Deep Learning. Mit dieser Methode des maschinellen Lernens entwickelt beispielsweise das Hamburger Start-up FUSE-AI in Zusammenarbeit mit mehreren Kooperationspartnern ein Assistenzsystem zur Diagnose von Prostatakrebs. Ein erstes KI Modul zur Segmentierung der Prostata wird derzeit in dem kooperierenden Kantonspital Aarau getestet und soll als Medizinprodukt zugelassen werden.

Dabei werden künstliche neuronale Netzwerke zur Mustererkennung genutzt, die die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und dessen Neuronen nachbilden und sich Wissen anhand von Trainingsdaten aneignen, um dann eigene Vorhersagen zu treffen.

Intelligente Unterstützung bei der Diagnose und Behandlung von Prostatakrebs

Das Projekt hat deshalb besondere Relevanz, weil Prostatakrebs zum einen oft auftritt – in Deutschland ist er der häufigste Krebs bei Männern, in den USA sogar zweithäufigste Todesursache – zum anderen schwierig zu erkennen ist. Die multiparametrische Magnetresonanztherapie (MRT) hat sich in den letzten Jahren als zuverlässiges Verfahren zur Erkennung von Prostatakarzinomen entwickelt: Radiologen durchsuchen die gesamte Drüse und markieren karzinomverdächtige Areale in den digitalen Bildserien manuell. Eine auf Dauer ermüdende und zeitaufwändige Routinearbeit, die durch eine automatische Objekt-Segmentierung ergänzt werden kann. Von Zeitersparnis und der erhöhten diagnostischen Güte profitieren sowohl Radiologen als auch Patienten.

Regulatorische Anforderungen sind eine Herausforderung

FUSE-AI und seine Partner – u a. das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologe der Universitätsklinik Jena – haben mit Hilfe von Neuronalen Netzen ein Segmentierungs-Algorithmus entwickelt, der MRT-Aufnahmen analysiert, die Prostata segmentiert, Karzinome findet und markiert, sie in gut- oder bösartige Tumore klassifiziert und Radiologen so eine Diagnose-Hilfe bietet.

Europa steckt mitten in der Übergangsphase von der MDD Richtlinie (Medical Device Directive 93/42/EWG) zum MDR Gesetz (Medical Device Regulation 2017/745), das Software-Entwicklung und zugehörige klinische Studien deutlich stärker in den Fokus nimmt. Solche regulatorischen Anforderungen existieren für den pharmazeutischen und medizinischen Markt, aber in dieser Form nicht für andere Domänen (wie z. B. die Telekommunikation oder Automobil-Branche). Sie bilden den gesetzlichen Rahmen für die Zulassung und der damit erst möglichen klinischen Anwendung des Assistenzsystems.

KI-Methoden gelten im medizinischen Umfeld nicht als Standardmethoden. Im Gegensatz zu bisher durchgeführten, rein funktional orientierten und im Vorfeld mit Anwendern detailliert festgelegten Anforderungen für die Entwicklung einer Software-Applikation basieren KI-Algorithmen auf trainiertem Lernen durch vorhandene Daten. Anschließende Tests und Evaluierungen versetzen das Software-Modell in die Lage, auch für neue, unbekannte und zukünftige Daten die gewünschten Erkenntnisse zu liefern. Im Fall von MRT Bildern müssen die Bildqualitätsunterschiede (beispielsweise aufgrund von Anwendung verschiedener MRT-Scanner oder der Inhomogenität der Anatomie-Darstellungen) nicht explizit definiert und in die Applikation hineinkonfiguriert werden. Die Neuronalen Netze lernen eigenständig anhand vorhandener Trainingsbilder Unterschiede zu erkennen und auf neue Bilder anzuwenden.

Matthias Steffen berät Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft, wie Z.B. Asklepios,
Allmirall, Merck aber auch Ministerien wie das Auswärtige Amt. Seine unternehmerischen
Erfahrungen liegen in den Bereich Software Entwicklung und integrierter Kommunikation.
Er ist in zahlreichen Verbänden tätig, wie dem BitKom, KI-Verband, BIM - Bundesverband
Internet Medizin u.v.a. 2019 wurde er in den Vorstand des Life Science Nord e.V. gewählt.
In regelmäßigen Abständen trägt er zu Themen „KI und Medizin“ auf Kongressen vor (Gesundheitswirtschaftskongress
Hamburg) und entwickelt so das Netzwerk von FUSE-Ai weiter.

Wie Software-Entwicklung in diesem Umfeld funktionieren kann

Hohe Produktqualität, Daten- und Patientensicherheit sind Kernthemen bei Produktentwicklungen in der Medizintechnik. Gesetze, Normen und Richtlinien stellen sicher, dass Prozesse etabliert, eingehalten und Risiken minimiert werden. Diese Regularien gelten nicht nur für klassische Medizingeräte, sondern auch für medizinische Software. Um sie so eng wie möglich am Kundenbedürfnis auszurichten und Kundenfeedback möglichst früh umzusetzen, empfiehlt sich – wie im Falle des FUSE-AI Assistenzsystems – eine agile Softwareentwicklung.

Agile Methoden haben sich in der technischen Software Entwicklung seit langem durchgesetzt. Aber wie sieht es damit im regulatorischen Umfeld von Medizin-Software aus? Lassen sich agile Konzepte mit regulatorischen Anforderungen verbinden, sodass sie als Produkt die Konformitätsbedingungen erfüllen, dass damit zertifiziert und zugelassen wird?

Bei FUSE-AI ist man sicher, dass gerade die während des gesamten Entwicklungsprozesses mehrfach zyklisch angewandten Methoden maßgeblich dazu beitragen, die Anforderungsbereiche medizinischer Software zu erfüllen. Die umfangreichen regulatorischen Einzelbereiche wie Qualitäts- und Risikomanagement, Risikoanalyse, Erklärung der best practices des Software Engineerings sowie regulatorische Dokumentation lassen sich am besten per agiler Methoden bewältigen.

Was sind agile Methoden?

Immer mehr Unternehmen und Organisationen setzen auf agiles Arbeiten, um den rasanten Veränderungen der Märkte und den Herausforderungen der fortschreitenden digitalen Transformation flexibel zu begegnen. Ständige Projekt-Reflektion verbindet den technischen Entwicklungsprozess mit den sich ändernden Geschäftsanforderungen (z.B. Anwenderziele wie Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit sowie regulatorische Änderungen). Updates sind daher in kurzen Zeitabständen möglich. Ein Produkt wird nicht mehr wie beim Wasserfallmodell als Ganzes komplett erstellt, bevor es ein Anwender oder regulatorischer Auditor das erste Mal sieht und nutzt.

Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Dezember 2020


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