Zertifizierung nach MDR

Nachgehakt

Veröffentlicht 05.02.2021 10:10, Kim Wehrs

synedra AIM 20 „Kassiopeia“, freigegeben im Spätsommer 2020, ist die letzte nach der Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG zertifizierte synedra AIM Version. Ab 2021 soll synedra AIM nach der neuen Medizinprodukteverordnung (MDR) 2017/745 zertifiziert werden. Der Weg zur Zertifizierung nach der neuen MDR ist ein beschwerlicher. Das weiß niemand besser als synedras Qualitätsmanagement-Beauftragter Markus Speiser, der synedra seit 3 Jahren umsichtig durch diesen Prozess führt.

Die Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG regelt das Inverkehrbringen von Medizinprodukten in der EU seit 1993. Warum ist das Bedürfnis entstanden,
den Medizinproduktemarkt strenger zu reglementieren?

Das war eine Folge des Brustimplantatskandals 2010, wo gesundheitsschädliches Industriesilikon für die Herstellung von Brustimplantaten verwendet wurde.Trotz der Durchführung von Audits durch eine benannte Stelle konnten diese Brustimplantate in großen Mengen in Verkehr gebracht werden. Als Reaktion darauf entstand auf EU-Ebene die Intention, strengere rechtliche Vorgaben zu machen, was letztendlich im Rahmen der MDR umgesetzt wurde. In Zukunft dürfen nur noch Medizinprodukte in Verkehr gebracht werden, deren Wirksamkeit/Sicherheit hinreichend mit klinischen Daten belegt ist und die somit über ein ausgewogenes Nutzen-Risiko-Verhältnis verfügen. Zum Vergleich: Die Richtlinie hat 23 Artikel und 12 Anhänge, die durch erläuternde Empfehlungen (MEDDEV-Dokumente) ergänzt werden. Diese Empfehlungen werden nun in eine Verordnung gegossen. Vieles, was vorher nur Empfehlungscharakter hatte, ist somit jetzt verbindlich gestaltet.

Wie lange beschäftigt dich dieses Thema schon?

3 Jahre. In der Anfangsphase haben Berater mit Herstellern Workshops veranstaltet, in denen gemeinsam Inhalte für eine MDR-konforme Technische Dokumentation erarbeitet wurden. Dadurch hatte auch synedra die Möglichkeit, Input zu künftigen Herausforderungen für die Hersteller zu liefern, z. B. hinsichtlich der Überwachung nach dem Inverkehrbringen und somit hinsichtlich eines Datenmanagements. Ein Beispiel: In den Quartalsberichten misst Service&Technik die Anzahl der eingegangenen Hotline Calls. Diese Daten könnte man im Sinne von Sicherheit und Leistung näher spezifizieren und gegebenenfalls Maßnahmen daraus ableiten.
Sinn und Zweck muss es sein, sichere und wirksame Medizinprodukte zu entwickeln und in Verkehr zu bringen. Nutzen und Risiko müssen dabei in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dafür haben wir auch Maßnahmen wie das Risikomanagement und die klinische Bewertung eingeführt.

Welche Prozesse bei synedra sind involviert?

In erster Linie das Produktmanagement bezüglich der Produktauslegung und des Risikomanagements, aber auch Entwicklung&Produktion hinsichtlich des Software-Life-Cycles und der Software-Dokumentation, Service&Technik mit Dienstleistungen im Nachgang und der Installation sowie das Qualitätsmanagement Hauptsächlich fällt die Umstellung auf die MDR aber in die Zuständigkeit der Stabsstellen: Risikomanagement, Sicherheit, Qualitätsmanagement, Validierung.

Wie wirkt sich die Umstellung konkret aus?

Die Validierung, das Risikomanagement und die Softwaredokumentation wurden überarbeitet sowie unsere Technische Dokumentation in eine neue Struktur überführt. Da wurde vieles in Gang gesetzt. Nicht nur bedingt durch die MDR; diese Bereiche hat man sozusagen gleich mitgezogen. Die klinische Bewertung, die wir seit einigen Jahren bei wesentlichen Änderungen am Produkt durchführen, war ein Vorbote dieses Themas. Oder die Überwachung nach dem Inverkehrbringen. Vor 5, 6 Jahren haben wir das nicht gemacht. Mein großes Anliegen ist es, mehr Struktur in die Abläufe zu bringen und somit aussagekräftigere Daten für die Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses generieren zu können. Alle Daten – aus Reklamationen, Meldungen von Mitbewerbern, der Validierung, dem Risikomanagement – sollen in dezidierten Eingangskanälen strukturiert zusammenlaufen, um eben eine valide Beurteilung zu ermöglichen.

Worin liegen die Herausforderungen für Medizinproduktehersteller im Allgemeinen?

In Ausschreibungen wird künftig vermutlich gefordert, dass die Produkte nach der MDR zugelassen sind. Die Hersteller haben Richtlinien-Zertifikate, die bis max. 2024 gelten. Nur haben sie das Problem, dass sie keine wesentlichen Änderungen an den Produkten vornehmen dürfen, da sonst eine Zertifizierung nach der MDR erforderlich wird. D. h., wenn sie weiter mit innovativen Produkten am Markt bestehen wollen, müssen sie sich nach der Verordnung zertifizieren lassen. Bis spätestens 2024 müssen ohnehin alle Hersteller umsteigen, dann endet die Übergangsfrist. Auf den letzten Drücker umzusteigen, ist aber auch keine gute Idee, weil der Zulassungsprozess nach der MDR in etwa 9 Monate dauert. Darüber hinaus gab es vor der Umstellung 80 benannte Stellen in Europa und jetzt 16, die natürlich nicht so viele Termine haben.
Bisher war Software gar nicht so im Fokus der Reglementierung , das heißt, sie war meistens in der niedrigsten Risikoklasse I beheimatet. Klasse I bedeutet, dass der Hersteller in der Regel keine benannte Stelle benötigt und somit nicht auditiert wird. Durch die MDR haben sich die Klassifizierungsregeln geändert und jede Software, die mit Diagnose und Befundung zu tun hat, ist Minimum Klasse IIa, sprich der Hersteller braucht verpflichtend eine benannte Stelle und muss ein Qualitätsmanagementsystem einführen. Als Hersteller eines Medizinprodukts der Klasse IIb hat synedra den Vorteil, dass wir hier schon Vorarbeit geleistet haben.

Worin siehst du die größten Herausforderungen für synedra?

Im Sinne von Projektmanagement liegt für mich die größte Herausforderung darin, so gut zu timen, dass wir unter Berücksichtigung der Abhängigkeiten von unserer benannten Stelle rechtzeitig im Sommer unseren nächsten Release „Argos“ in Verkehr bringen können. Inhaltlich die Dokumentation fertig zu stellen ist planbar von unserer Seite, aber wir haben terminliche Abhängigkeiten. Wir brauchen einen Auditor, der die Audits vor Ort durchführen kann, da keine Möglichkeit für ein remote stattfindendes Audit besteht. Wir wissen nicht, wie es mit Corona weitergeht. Das sind aus meiner Sicht die Schwierigkeiten. Weil Termine mit benannten Stellen von langer Hand geplant werden müssen. Unsere benannte Stelle ist übrigens die 16. in Europa benannte. Wir haben darüber hinaus schon eine Machbarkeitsanalyse durchgeführt von Seiten der benannten Stelle, die wir erfolgreich bestanden haben.

Markus Speiser, synedra

Markus Speiser, Qualitätsmanagement Beauftragter, synedra

Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Dezember 2020


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