Automatisierung in der Impfstoffvergabe: Wie Robotic Process Automation den Prozess vereinfachen könnte

Robotik

Veröffentlicht 09.04.2021 06:00, Dagmar Finlayson

Ein Jahr nach dem globalen Ausbruch des COVID-19-Virus ist die Pandemie weiterhin ein dominantes Thema und zwingt Deutschland – noch immer – zu strickten Gegenmaßnahmen. Seit dem Anlauf der weltweiten Impfkampagne hoffen viele Bürger auf eine baldige Impfung, die verspricht ihnen ein Stück Normalität zurückzugeben. Doch einen Impftermin zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Einerseits herrscht zu Beginn der Impfkampagne noch eine Impfstoffknappheit, anderseits sind auch einige Fehler in der Organisation und Planung der Kampagne unterlaufen.

Klar ist: die Impfkampagne gegen Corona ist ein Mammutprojekt. Dass bei einem solchen auch Fehler unterlaufen können, ist den meisten klar. Doch durch den Einsatz von Automatisierungstechnologien hätte man dies vermeiden können. In Bereichen wie der Umsetzung von Verwaltungsaufgaben und Back-Office-Funktionen wird sie im Gesundheitswesen bereits erfolgreich eingesetzt [1]. So setzte das Mater Misericordiae University Hospital Dublin Software-Roboter bereits zu Beginn der Corona-Tests in der Abteilung für Infektionsprävention und -kontrolle ein, um die administrative Belastung der Abteilung zu verringern [2]. Mit der Automatisierung von Daten durch Software-Roboter können die Informationen in einem Bruchteil der üblicherweise beanspruchten Zeit verarbeitet werden, so dass die Patientenergebnisse in Minuten weitergegeben werden können. Dadurch spart die Abteilung für Infektionskontrolle drei Stunden pro Tag, 18 Stunden pro Woche und 936 Stunden pro Jahr, die sie für die Behandlung der aktuellen COVID-19-Pandemie aufwenden kann.

Auch auf die Organisation einer Impfkampagne könnten einige dieser Prozesse übertragen werden und so zu einer Entlastung des Personals beitragen.

1. Impfung: von der Terminplanung bis zur Impfung

Die Covid-Impfung stellt die wohl weltweit größte Impfkampagne aller Zeiten dar. Ihr Ziel ist klar: Es sollen so schnell und so viele Menschen wie möglich einen Impfschutz erhalten. So ein Vorhaben lässt sich nur umsetzen, wenn die entsprechenden logistischen und organisatorische Vorkehrungen getroffen werden. Automatisierung könnte den gesamten End-to-End Prozess rationalisieren, Wartezeiten zu verkürzen und zu einer Verbesserung der Datenqualität beitragen.

Einen Impftermin zu vereinbaren, kann in Deutschland je nach Bundesland ganz anders ablaufen. Zwar hat die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und deren Tochter kv.digital ein standardisiertes Modell zur telefonischen und digitalen Terminvereinbarung entwickelt [3], jedoch entscheiden die Länder selbst, ob sie dieses Angebot nutzen wollen. Solche Plattformen erfordern jedoch eine Back-End-Dateneingabe, die mit einer klinischen Koordination zur Registrierung und Kommunikation mit den Patienten verbunden werden muss. Automatisierung kann hier eingesetzt werden, dass Webportale und Registrierung stets synchron gehalten werden. Nach doppelten Patientenprofilen zu suchen oder zum Teil auch neue Krankenaktennummern zu erstellen, wäre in dem Fall die Aufgabe eines Software-Roboters.

Für die globale Priorisierung, Regelvalidierung und Prüfung sowie auch der Erstellung von Krankenaktennummern für geimpfte Patienten kann der Einsatz von Automatisierung sehr sinnvoll sein. In Zukunft werden auch vermehrt Outreach-Lösungen die über eine automatisierte und interaktive Sprachausgabe (IVR) verfügen eingesetzt werden, um bei der Planung von Impfterminen, Registrierung und Kommunikation zu unterstützen. Prozessautomatisierung kann auch hier eingesetzt werden und Registrierung über beispielsweise integrierte Chatbot-Lösungen oder Sprachausgaben vornehmen.

2. Digitaler Impfpass

In Deutschland ist der Impfpass im Moment immer noch ein gelbes Papierheft, jedoch soll sich das bis 2022 ändern. Dann soll es neben einer elektronischen Patientenakte (ePA) auch digitale Impfunterlagen geben. Einen solchen digitalen Corona-Impfpass soll nun durch IBM Deutschland und dem Blockchain-Spezialisten Ubirch realisiert werden [4]. Die Vorteile einer solchen digitalen Aufzeichnung liegen dabei auf der Hand: Unter anderem kann der Pass nicht so einfach verloren gehen und erfolgte Corona-Schutzimpfungen können schnell und einfach nachgewiesen werden. Jedoch sollte bei der Digitalisierung darauf geachtet werden, dass der Impfnachweis auch grenzüberschreitend kompatibel ist, da sonst geimpfte Bürger anderer Nationen ihren Impfstatus nicht nachweisen können. Automatisierung kann an dieser Stelle helfen, um den Zugang zu diesen Impfunterlagen zu aktivieren und zu kommunizieren. Die Prozessautomatisierung kann bei der Aktivierung der öffentlichen Gesundheitskarte oder der digitalen Lösung verwendet werden, um die Annahme des digitalen Karteisystems zu erhöhen. Impferinnerungen, wie beispielsweise die zur zweiten COVID-19-Impfung oder Folgeimpfungen für tropische Krankheiten, könnten so über automatisierte Text-Erinnerungen kommuniziert werden.

3. Allokationsmanagement

Die zeitgerechte Anlieferung von wichtiger medizinischer Ausrüstung war bereits vor COVID-19 ein globales Thema, mit dem sich Krankenhäuser täglich beschäftigen mussten. Während der Pandemie hat die Beschaffung von zum Beispiel Schutzausrüstungen (PSA) für Mitarbeiter und Klinikpersonal jedoch nochmal an Dringlichkeit zugenommen. Das Krankenhausmanagement musste zum Teil mit einem zehn- bis zwanzigfache Bedarfsanstieg an medizinischem Equipment kämpfen und dementsprechende Mengen bestellen. Um die Bestellungen und deren Auslieferung überhaupt zeitnah umsetzten zu können, automatisierten manche Krankenhäuser daher ihren Bestellprozess. Vor Tagesbeginn werden dabei die verfügbaren Mengen an Schutzausrüstung abgeglichen und sollten die Softwareroboter einen Mangelbestand feststellen, wird der Bestellprozesse eingeleitet oder alternativ proaktiv nach Ersatzquellen gesucht. Auch beim Management der Impfstoff-Lieferkette kann Automatisierung eine unterstützende Funktion einnehmen, indem zu einem späteren Zeitpunkt die Zuteilung von Impfstoff-Sonderwünschen automatisiert wird und Fläschchen-/Chargendaten sowie das Hersteller-Reporting integriert.

4. Regulatorisches Reporting

In der Pandemie war einer der schwierigsten zu überwindenden Hürden die Datentransparenz. Übermittelte Daten müssen fehlerfreie abgeglichen werden, Prioritäten geprüft auch des Datenschutzes muss gewahrt werden. Um einen solchen Abgleich effizient durchzuführen, müssen frühzeitig neue Plattformen bzw. Schnittstellen bei schon bestehenden Systemen vorbereitet werden. Jedoch verfügen nicht alle elektronischen Patientenakten (ePA) über die richtigen technischen Voraussetzungen. Die Folge ist, dass immer wieder manuell eingegriffen werden muss, was zeitaufwändiger ist. Robotic Process Automation kann beispielsweise helfen, um die Eingabe von Daten in staatliche Webportale zu automatisieren. Durch ihren Einsatz kann zum einen die Genauigkeit der Dateneingabe verbessert werden und zum anderen auch die vorgeschriebenen Zeitvorgaben eingehalten werden. Durch die Automatisierung dieser Prozesse werden dringend benötigte personelle Ressourcen wieder freigesetzt und das Personal kann sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.

Software-Roboter bei der der EMA

Software-Roboter werden bereits erfolgreich bei der Europäische Arzneimittelagentur (EMA) eingesetzt. Bereits im April 2020 begann die EMA in Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie und den Europäischen Mitgliedsstaaten die erste Phase ihres verbesserten Schnellüberwachungssystem. Dieses soll helfen, Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln, die zur Behandlung von COVID-19 benötigt werden, zu verringern oder komplett zu umgehen. Hierfür wird in jedem pharmazeutischen Unternehmen eine Kontaktstelle eingesetzt, die aktuelle und voraussichtliche Engpässe bei den zugelassenen Arzneimitteln meldet [5].

Der bei der EMA implementierte Software-Roboter unterstützt dabei die Überwachungs- und Meldeprozesse, in dem er maßgeschneiderte Vorlage mit der zu verfolgenden Menge an Arzneimitteln an die Unternehmen übermittelt. Sobald die Informationen vorliegen, sammelt der Roboter sie ein, führt die notwendigen Aktualisierungen durch und trägt alle Mängel in einer Masterdatei ein. Mithilfe dieses Systems konnte der Zeitaufwand der manuellen Prozesse von rund 40 Tagen auf lediglich 7,4 Stunden reduziert werden [6].

Um die COVID-19-Pandemie zu überwinden und den Gesundheitssektor für die Zukunft vorzubereiten und zu stärken, kann Automatisierung in vielerlei Hinsicht helfen. Arbeitsabläufe in Krankenhäusern müssen weg von langsamer, händischer Umsetzung hin zu schnellen und skalierbaren Prozessen. Der Einsatz von Software Robotern im Gesundheitswesen ist dabei ein erster wichtiger Schritt in die Zukunft.

 

[1] https://www.uipath.com/de/solutions/industry/healthcare-automation

[2] https://www.uipath.com/de/newsroom/uip ... kt-mit-dem-mater-hospital

[3] https://www.kv.digital/

[4] https://www.heise.de/news/Digitaler-Co ... -Blockchains-5076161.html

[5] https://www.ema.europa.eu/en/news/laun ... es-used-treating-covid-19

[6] https://www.uipath.com/resources/covid ... ovid19-reporting-template

Autor:

Chris Zechmeister, Sales Leader (RVP) Healthcare/ Public sector/Energy & Utilities bei UiPath

Quelle Foto: Unsplash - National Cancer Institute


Lesen Sie mehr zum Thema "Künstliche Intelligenz"

KI in die medizinische Anwendung bringen
Künstliche Intelligenz
PTB
FedZero macht moderne KI-Modelle energiesparsam
Künstliche Intelligenz
FedZero
Neue Ethikkommission für KI & Co an der TUM
Künstliche Intelligenz
Ethik

Lesen Sie hier die neuesten Beiträge

Diese Webseite verwendet Cookies.   Mehr Info.      oder