Kluges Misstrauen im Dienste der Gesundheit

SVR-Gutachten:

Veröffentlicht 09.04.2021 09:20, kiw

Leben und Gesundheit der Menschen in Deutschland könnten besser geschützt werden, wenn die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen verantwortlich und wissenschaftlich sinnvoll genützt würden. Zu diesem Schluss kommt der siebenköpfige Sachverständigenrat Gesundheit (SVR) in seinem aktuellen Gutachten, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn übergeben wurde. Für die Neuausrichtung der Gesundheitsversorgung soll gelten: Kluges Misstrauen im Dienste der Gesundheit hin auf ein digitales, ein systematisch lernendes Gesundheitssystem.

Besseren Schutz von Leben und Gesundheit mit höherer Datensicherheit vereinbaren -darum geht es dem Sachverständigenrat. Er hält es für unabdingbar, dass Gesundheitsdaten nicht in falsche Hände fallen. Zugleich müssen sie in richtige Hände gelangen können. In Hände, die Leben und Gesundheit schützen wollen. Die Angehörigen der Heilberufe in Deutschland wollen dies. Ebenso die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die erforschen, was uns gesund erhält, was uns krank macht und wie man Krankheiten heilen kann. Kluges Misstrauen sollte zu geeigneten Schutzmaßnahmen führen – nicht Hilfe verhindern, denn Daten teilen heißt besser heilen.

Die Menschen in Deutschland produzieren jeden Tag Abermillionen Daten, darunter sehr viele, die ihre Gesundheit betreffen. „Die meisten dieser Daten wandern in die Arme von Datenkraken außerhalb der EU und werden von diesen für kommerzielle Zwecke, Werbung und Angebote ausgewertet,“ kritisiert der SVR. Wenn es aber darum gehe, Gesundheitsdaten hierzulande zum Zwecke besserer Gesundheitsversorgung zu sammeln – z.B. in einer elektronischen Patientenakte – und sie für gezieltere Forschung, Prävention, Diagnostik und Therapie verfügbar zu machen, würden Probleme aufgetürmt, die eine sinnvolle Datennutzung fast unmöglich machten. Das sei unverantwortlich. Länder wie Dänemark oder Estland, in denen auch die Datenschutzgrundverordnung gelte, nützten die Chancen der Digitalisierung sehr viel besser.

Der Rat ist überzeugt, dass das Patientenwohl der Maßstab sein muss, an dem Digitalisierung im Gesundheitswesen ausgerichtet und gemessen werden muss.
Dazu seien für Forschung und Versorgung verwertbare Daten nötig. Nicht nur die bislang schon zugänglichen Abrechnungsdaten z.B. über verschriebene Medi­kamente, sondern auch die zugehörigen Behandlungsdaten etwa über Allergien, Blut- oder Röntgenuntersuchungen.

Der Sachverständigenrat Gesundheit betont: „Von der Lebenswirklichkeit längst überholte Konzepte wie Datensparsamkeit helfen nicht weiter.“ Der Sachverständigenrat knüpft hier an den Deutschen Ethikrat an, der in seiner Stellungnahme zu ‚Big Data und Gesundheit‘ feststellte, einem Datenmissbrauch könne ‚mit Handlungsformen und Schutzmechanismen des traditionellen Datenschutzrechts nur unzureichend begegnet‘ werden. „Der Sachverständigenrat hält es für an der Zeit, mit geeigneten technischen Maßnahmen, mit empfindlichen Strafandrohungen und wirksamen Kontrollen die Datensicherheit zu stärken und zugleich Möglichkeiten zu schaffen, Daten für gezieltere Forschung und Versorgung zu nutzen.“

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen formuliert der Rat in seinem Gutachten konkrete Empfehlungen zur patientendienlichen Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte (ePA) ebenso wie zur treuhänderisch kontrollierten Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung. Das Gutachten erörtert ferner die Nutzung und Kostenerstattung von digitalen Gesundheitsanwendungen und die Steigerung digitaler Gesundheitskompetenz in den Heilberufen im Besonderen und bei den Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen. Es skizziert die normativen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen der Digitalisierung und die strategischen Schritte, die auf ein dynamisch lernendes Gesundheitssystem hin zu tun sind.

Das Gutachten wird dem Bundestag und Bundesrat zugeleitet und am 17. Juni 2021 im Rahmen eines Symposiums mit der Fachöffentlichkeit diskutiert.


Quelle: svr-gesundheit
Foto: Adobe Stock / WavebreakmediaMicro

 


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