Goldgräber in medizinischen Daten – aussichtslos oder erfolgreich?

Daten

Veröffentlicht 14.05.2021 09:30, kiw

„Daten sind das neue Gold“, so die Redewendung in den letzten Jahren. Doch wie steht es aktuell um die Erhebung medizinischer Daten sowie der kontinuierlich wachsenden Datenmengen in der Medizin?
Bringt die Prozessänderung, weg von Stift und Papier hin zur Softwarenutzung, den goldenen Erfolg mit medizinischen Daten? Wo stehen wir Krankenhäuser im Bezug zu medizinischen Daten und bietet das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) einen innovativen Schwung? Von Jens Schulze, CIO, Universitätsklinikum Frankfurt, Vorstand KH-IT

Schaut man sich aktuell in unserer Krankenhauslandschaft um, so erleben wir die medizinische Dokumentation mittels Stift und Papier, durch händische Eingabe in Softwareapplikationen, über Textbausteine in Softwareapplikationen, durch Scannen von Papier in Softwareapplikationen hinein, bis hin zu Sprachdiktaten und Spracherkennung. Die Art und Weise der medizinischen Datenerhebung hat einen enormen Einfluss auf das Ergebnis der medizinischen Daten und auch auf die Datenmengen.

Realität medizinischer Daten und Dokumentation

Doch wie sieht die täglich erlebte Realität zu medizinischen Daten und zur Dokumentation in den Krankenhäusern aus?

■ Auf dem Papier besteht die individuelle Kreativität einer jeden einzelnen Person,
■ Softwareapplikationen mit vielen Eingabe-/ Dokumentationsmöglichkeiten, durch Freitextfelder in verschiedenen Oberflächenansichten (z.B. zu einem Behandlungsfall einer Person können an vier verschiedenen Stellen in der Softwareapplikation die Größe und das Gewicht des Patienten in diesem Behandlungsfall eingegeben und verändert werden, ohne dass diese vier Dokumentationsmöglichkeiten in gemeinsamer Verbindung stehen),
■ Textfelder in den Softwareapplikationen mit- und ohne Textbausteinund/ oder Sprachdiktat bzw. Spracherkennungsfunktionen,
■ Textbausteine fernab der medizinischen Semantik,
■ Sprachdiktat- und Spracherkennungsfunktionen,

mit denen sehr viel unnötiger Prosatext erzeugt wird.

Durch zuvor genannte Aspekte kommt es in den medizinischen Daten beispielsweise zu redundanten Informationen, Verwechselungen- oder Fehlinterpretationen in den Informationen und auch zu unnötigen Informationen. Ungenauigkeit ist ein weiteres Problem in der medizinischen Dokumentation, als Beispiel: „Der Patient hat ein tennisball-großes Karzinom“. Mit dieser Information kann ein Chirurg wenig anfangen, weil wie groß ist tennisball-groß? 4,5 Zentimeter, 5 Zentimeter oder 6 Zentimeter?

An dieser Stelle könnte zukünftig die Künstliche Intelligenz (KI) bei der Erhebung medizinischer Daten ins Spiel kommen. Durch Künstliche Intelligenz können medizinische Daten bei ihrer Erhebung präzisieren lassen, in der Form, dass die Künstliche Intelligenz bei der datenerhebenden Person hinterfragt, beispielweise bei dem Wort: „tennisballgroß“, wie viel Millimeter lang dieses Karzinom genau ist. Künstliche Intelligenz und auch Maschine Learning setzen jedoch qualitative Daten voraus, denn qualitative medizinische Daten und eine qualitative Datenerhebung sind der Schlüssel zum Erfolg.

Strukturierung und Standardisierung

Kurzum, es gibt bezogen auf das WIE und WAS zu den medizinischen Daten und der Dokumentation in unseren bestehenden Softwaresystemen und Prozessen aktuell genug Hausaufgaben, die wir erledigen müssen, damit das Goldgraben in diesen medizinischen Daten und Datenmengen zum Erfolg wird. Zu diesen Hausaufgaben bedarf es nicht unbedingt neuer zusätzlicher Softwaresysteme, sondern einer Strukturierung und einem gewissen Maß an Standardisierung. Die bilderzeugenden Bereiche der Medizin, wie Radiologie und Pathologie, können hier als Vorbild dienen, weil sie bereits sehr strukturiert und standardisiert ihre Bild- und Befunddaten erheben.

Diese Strukturierung und Standardisierung darf keine Individualität einer jeden Klinik und eines jeden Krankenhauses sein, dies muss gemeinschaftlich hausübergreifend einheitlich erfolgen. Als gemeinsame Orientierung können Modelle wie HIMSS EMRAM und auch die Gesetzgebung, z.B. das Patientendaten-Schutz-Gesetz (Stichworte: SNOMED und LOINC) oder auch Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), dienen. Das Krankenhauszukunftsgesetz dient bei diesem Thema jedoch nicht nur als Orientierung, es fördert mit dem Fördertatbestand 3: Digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation oder Fördertatbestand 4: Einrichtung von teiloder vollautomatisierten klinischen Entscheidungsunterstützungssystemen sogar die Strukturierung und Standardisierung der medizinischen Daten in bestehenden Systemen. Nutzt man diese Chancen, dann sind die medizinischen Daten eine wahre Goldgrube !

Schulze

Autor: Jens Schulze, Dezernent / CIO, Universitätsklinikum Frankfurt,
Dezernat für Informations- u. Kommunikationstechnologie;
Vorstand Bundesverband der Krankenhaus IT-Leiterinnen/Leiter KH-IT

Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Ausgabe 02/2021, April 2021
Foto: Adobe Stock / Kenjo


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