Katastrophenszenario ist die Ressourcenknappheit

Befragung

Veröffentlicht 18.06.2021 09:30, kiw

Eine Befragung nahm IT-Abteilungen in Krankenhäusern in Zeiten von Covid-19 unter die Lupe. Ergebnisse zeigen kritisch, worauf es der IT ankommt, ob Pandemie oder nicht. Das eigentliche Katastrophenszenario ist die Ressourcenknappheit.

„Digitalisierungs-Schub oder Digitalisierungs-Verschiebung – welche Auswirkung hat COVID-19 auf die Krankenhaus-IT?“ Ein Ergebnis der Befragung deutscher IT-LeiterInnen: Mit Blick auf die Zahlen stagnierte das Digitalisierungsgeschehen. So sank die Gesamtzahl der IT-Projekte bei den befragten Häusern im Schnitt um den Wert 4. Bei über der Hälfte der Krankenhäuser scheint sich das auch auf eine verzögerte Umsetzung der TI-Anbindung niederzuschlagen.

Der Grund hierfür liegt auf der Hand und wird durch die Ergebnisse bestätigt: Es mangelt der Krankenhaus-IT nach wie vor an personellen Ressourcen. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen jedoch auch, dass das kein Krisenphänomen, sondern ein strukturelles Problem ist. Mehr Personal, mehr Finanzen – aber auch mehr Diskussion auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung bräuchte es aus der Perspektive der Krankenhaus-IT, um zukünftig besser auf eine solche Situation vorbereitet zu sein. IT-Verantwortliche nahmen in der Befragung kein Blatt vor den Mund.

 

IT mit an den Tisch

Kritische Anmerkungen treffen den zentralen Aspekt. Es bräuchte "1. ausreichend Personal, um neben operativem Betrieb die Ressourcen zur Realisierung der aktuellen Erfordernisse zu haben 2. dto. Finanzierung (Invest) 3. Steigerung des Wartungsbudgets, da mit COVID-19 viele Systeme erweitert oder neu angeschafft wurden, das wird sich die nächsten Jahre auf die Wartungskosten auswirken 4. Standing der IT in der Geschäftsführung: da fast alle Anforderungen und Entscheidungen der Task Forces, Geschäftsführung etc. mit IT-Unterstützung zu tun haben, muss die IT entscheidend mit an den Tisch".

 

Ein IT-Verantwortlicher listete neuralgische Punkte auf. "Aus meiner Sicht gibt es nur ein einziges Problem (und das gab es auch vorher schon), welches Covid jetzt aber noch einmal einfach deutlich gezeigt hat: Der IT fehlt (qualifiziertes) Personal zur Umsetzung wichtiger Themen zum Voranbringen der Digitalisierung. Die vorhandenen IT Personal Ressourcen sind mit Betriebserhalt und der Umsetzung sich ständig ändernder und neuer regulatorischer Vorgaben mindestens ausgelastet (sogar oft eher schon überlastete). Es fehlt die Erkenntnis auf allen Ebenen (Geschäftsleitungen, Vorstände, Aufsichtsrat, regionale und bundesweite Politik), dass hier gezielt gefördert werden müsste und bei der Fortsetzung des bisherigen Kurses einfach KEINE DIGITALISIERUNG des deutschen Gesundheitswesens stattfinden wird. Da kann sich die Politik viel vornehmen, mit den aktuell eingesetzten Mitteln wird es einfach (wie auch in den letzten 20 Jahren) nicht passieren." Ein Kollege attestierte: "Die GF müsste unsere Empfehlungen ernst nehmen und uns stärker in Entscheidungen einbinden. Wir haben den Ansturm auf HomeOffice und die Nutzung von Videokonferenzen schon Wochen vorher angemahnt und um Finanzmittel gebeten."

Bei Anforderungen immer hinterher

Ein weiterer IT-Verantwortlicher stellte zu Qualität und Quantität klar: "Es ist unausweichlich die IT in den Krankenhäusern so aufzustellen, dass diese dauerhaft den Anforderungen aus dem Haus und dem Gesetzgeber standhalten können. Die personellen Ressourcen sind in vielen Krankenhäuser derart überschaubar aufgestellt, dass es meist verschobene Projekte gibt und die IT gegenüber den Anforderungen immer hinterher ist. Aber nicht, weil es die Kollegen nicht können, sondern weil die Menge mit den vorhandenen IT-Mitarbeitern nicht adäquat umsetzbar ist."

Die Kritik der IT-Akteure lässt sich in Zitaten fortführen. "Insgesamt war die IT gut vorbereitet. Aufgrund des sehr moderaten Verlaufs in den Krankenhäusern lag der Fokus auf der Einführung von Fallklassifikationen, der Abrechnung und der Unterstützung von Heimarbeit und Videokonferenzlösungen. Da wir eine stabile Lösung für Heimarbeit seit langem im Einsatz haben, war die Einführung der Videokonferenz im Schwerpunkt. Projekte mit hohem Änderungspotential für die Anwender wurden zurückgestellt, um die Anzahl der Änderungen und die Komplexität für das Krankenhaus Personal nicht zusätzlich zu erhöhen. Herausforderung ist vor allem die Governance ohne „Face2Face“-Besprechungen. Hier entstehen leicht Missverständnisse und es dauert einfach länger."

 

Mitarbeiter und Zeit fehlen

Das Fazit weist über die COVID 19 hinaus: Um auf Situationen wie der Corona-Krise entsprechend qualifiziert und flexibel reagieren zu können, muss die Personalausstattung so erfolgen, dass entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können. Wenn die IT-Abteilung bereits an (oder über) der Grenze zu qualitativ hochwertiger Arbeit liegt, fehlen die entsprechenden Mitarbeiter und die Zeit, sich kurzfristig auf neue Problemstellungen zu konzentrieren.

 

Quelle der Freitext-Zitate:

GMDS AG - Methoden und Werkzeuge für das Management von Krankenhausinformationssystemen „IT-Abteilungen in Krankenhäusern in Zeiten von Covid19 - Befragung deutscher IT-LeiterInnen“ Finaler Bericht September 2020

Dr. Jan-David Liebe Hochschule Osnabrück Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen (IGW)

Franziska Jahn Universität Leipzig Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE)

Prof. Dr. Alfred Winter Universität Leipzig Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE)

Prof. Dr. Ursula Hübner Hochschule Osnabrück Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen (IGW)

 

Autor: Wolf-Dietrich Lorenz, Krankenhaus IT-Journal
Foto: Adobe Stock / snyGGG


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