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KI erkennt seltene Formen von Demenz
Category : Künstliche Intelligenz
Published by Dagmar Finlayson on 27.01.2023 09:30

WissenschaftlerInnen des MPI CBS und des Universitätsklinikums Leipzig haben neue Verfahren der Künstlichen Intelligenz und des Maschinenlernens genutzt, um auf MRT-Bildern seltene Krankheitsformen der Demenz zu erkennen. In ihrer Studie zeigen die Forschenden, dass die KI automatisch Muster in Bildgebungsdaten von PatientInnen erkennen kann, die spezifisch für seltene Demenz-Erkrankungsformen sind und damit eine frühe Diagnostik ermöglichen. Dabei wurden neben der Alzheimer-Krankheit mit Gedächtnisstörung viele andere Krankheiten eingeschlossen, die durch eine Veränderung der Sprache, der Persönlichkeit oder der Motorik charakterisiert sein können.

Herr M. bemerkte im Alter von 40 Jahren, dass ihm Worte nicht mehr einfielen. Dies betraf besonders selten verwendete Wörter wie „Schwimmflosse“ oder „Füller“. Das Verstehen von Sprache funktionierte jedoch im beruflichen und privaten Alltag. Auch konnte er sich die Namen von Bekannten und KollegInnen nicht mehr merken. Seiner Frau fiel auf, dass er ihr nicht mehr richtig zuhörte und von der Arbeit nicht mehr abschalten konnte. Was war mit ihm los? Im Krankenhaus stellte man eine Abnahme des Hirnvolumens im Schläfenlappen fest. Doch an welcher Krankheit litt Herr M.? Eine Alzheimer-Demenz, hatte er doch Probleme mit dem Gedächtnis? Dabei war er noch relativ jung - hatten solche Erkrankungen nicht nur Ältere? Die Ärzte fanden heraus, dass Herr M. ihm gezeigte Dinge nicht richtig benennen konnte, besonders Tiere. Er war sich unsicher, welche Eigenschaften für bestimmte Dinge typisch sind, z. B. ob eine Giraffe ein Fell oder Schuppen hat. Auch gab es Probleme mit dem Gedächtnis.

Matthias Schroeter, der am MPI CBS forscht und an der Klinik für Kognitive Neurologie des Universitätsklinikums Leipzig als Oberarzt arbeitet, erklärt: „Solche Fragestellungen wie bei Herrn M., einem Patienten aus unserer Studie, sind typisch im klinischen Alltag. Dabei stellt sich zuallererst die Frage nach der richtigen Diagnose, damit die Therapie an jeden einzelnen Patienten und seine spezifische Krankheit angepasst werden kann. Neben der Alzheimer-Demenz, die als neurodegenerative Erkrankung am bekanntesten und durch Beeinträchtigungen im Gedächtnis charakterisiert ist, gibt es jedoch sehr viele andere Erkrankungen, die auch eine andere Therapie erfordern. Diese sogenannten ‚orphan diseases‘, also seltene Krankheiten, die häufig im frühen Alter auftreten können, erfordern spezialisierte medizinische Zentren.“

Schroeter und seine Kollegin Leonie Lampe haben in ihrer Studie neue Verfahren der Künstlichen Intelligenz und des Maschinenlernens genutzt, um diese Krankheiten automatisch zu erkennen. So haben die ForscherInnen die Struktur des Gehirns von PatientInnen des Universitätsklinikums Leipzig und aus anderen klinischen Zentren in Deutschland mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) analysiert. Sie konnten zeigen, dass auf diese Weise seltene Formen der Demenz früh erkannt werden können. Dabei wurden neben PatientInnen, die eine Alzheimer-Krankheit mit Gedächtnisstörung aufwiesen, auch viele andere Krankheiten eingeschlossen, die durch eine Veränderung der Sprache, der Persönlichkeit oder der Motorik charakterisiert sein können. „Wir konnten anders als bei vorherigen Studien nicht nur Erkrankungen im Vergleich mit Gesunden sehr gut erkennen, sondern zusätzlich die spezifische Krankheit im Vergleich zu anderen Demenz-Krankheiten identifizieren. Dies ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer an jeden einzelnen Betroffenen und seine Krankheit angepassten Therapie“, fasst Matthias Schroeter zusammen.

Bei Herrn M. wurde schließlich eine Erkrankung der Sprachfunktionen – eine semantische Variante der primär progressiven Aphasie – festgestellt. Intensive Therapie ermöglichte ihm, seine Probleme zu kompensieren, sodass er auch acht Jahre nach der Diagnosestellung weiter in seinem Beruf als Verkäufer tätig sein kann. „Auch wenn der Verlauf dieser Krankheiten voranschreitet, können Betroffene in frühen Erkrankungsphasen mit Unterstützung weiterhin arbeiten und ihren Alltag bewältigen. Deshalb sind eine frühe Diagnosestellung und die individuelle Anpassung der Therapiemaßnahmen von entscheidender Bedeutung“, sagt Matthias Schroeter.

Diese Studie wurde mitfinanziert im Rahmen der eHealth-Sax-Initiative der Sächsischen Aufbaubank (SAB) und mithin mit Steuermitteln auf Grundlage des vom sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Weitere Informationen:
https://www.cbs.mpg.de/2086112/20230110

Quelle: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften

Symbolbild: Robina Weermeijer (Unsplash)