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Die Zukunft der Krankenhäuser
Category : Politik
Published by Kim Wehrs on 27.03.2023 06:30

Mangel an Medikamenten, überlastete Krankenhäuser, überlastetes medizinisches Personal - die Notrufe aus dem deutschen Gesundheitswesen deuten auf ein Scheitern der bisherigen Gesundheitspolitik. Nach aktueller politischer Prämisse gefährdet das System der DRG-Fallpauschalen die Existenz von Krankenhäusern. Im Vergleich mit anderen Nationen innerhalb der OECD fällt eine mittelmäßige Gesamteffektivität auf. In Deutschland werden verhältnismäßig viele Ressourcen „investiert“, aber die Resultate für den Patientennutzen sind im internationalen Vergleich eher mittelmäßig. Das System gilt als teuer, marode und ineffizient. Die letzte große Reform liegt 20 Jahre zurück! Von Dr. med. Dipl.-Inf. Adrian Schuster, Arzt und Informatiker, Aredix Consulting GmbH, BVMI – Berufsverband Medizinischer Informatiker e.V., Landesvorsitzender Berlin-Brandenburg , und Dipl. Inform. Michael Engelhorn, ExperMed GmbH Berlin.

Der Gesundheitsminister will die Krankenhauslandschaft reformieren, denn das zur Ökonomisierung treibende DRG Fallpauschalensystem sei kein geeignetes Mittel zur Krankenhausfinanzierung mehr. 60% der Krankenhäuser in Deutschland hätten erhebliche finanzielle Probleme. Das Ziel wird sein, auf der Grundlage der Vorschläge der „Regierungskommission Krankenhaus“ eine Reform zu entwickeln, mit der das System der Fallpauschalen systematisch überwunden werden soll, bei dem dann Vorhaltekosten und Leistungskomplexe eine größere Rolle spielen und die Durchökonomisierung der Medizin vermieden wird. Bis zur Sommerpause 2023 soll es einen Vorschlag geben, der mit den Bundesländern weiterentwickelt wird. „Grundlage soll hier eine gemeinsame Gesetzgebung sein, in der Bund, Fraktionen und Länder zusammenarbeiten“, so Lauterbach.

Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird – aber ...

Zweifellos werden Lauterbachs Pläne nicht so umgesetzt werden, wie es sich der Minister vorstellt. Bereits jetzt gibt es viele Zweifel an der Wirksamkeit und den Möglichkeiten der Umsetzung seines Konzepts. So ist z.B. kein Ausgleich für die massiv gestiegenen Sachkosten der Kliniken vorgesehen; es fehlt die Ressource Mensch und nicht die Betten und woher soll das Geld kommen? Verschiedene und zum Teil mächtige Mitspieler mit unterschiedlichen Interessen sind beteiligt: Krankenkassen, die das Geld der Versicherten verwalten; Kliniken, die eine ausreichende Finanzierung erwarten; Landesregierungen, die auf ihre Kompetenz bei der Krankenhausplanung pochen; Landräte, die auf keinen Fall Krankenhäuser schließen möchten.

Das wird dauern. Bisher liegen nur die Vorschläge der Kommission auf dem Tisch. Die Experten schlagen eine Übergangsphase von fünf Jahren vor. Zuvor muss erst einmal eine gesetzliche Regelung formuliert werden. Auch wenn die Abschwächung der Fallpauschalen begrüßt wird, pochen die Länder auf ihre Kompetenz bei der Krankenhausplanung. Was also bleibt, ist eine weitgehende Planungsunsicherheit, wie denn die Zukunft der Krankenhäuser aussehen wird. Was kann man tun und wie kann man sich auf die kommenden Veränderungen vorbereiten?

Heute stationär, morgen hybrid und übermorgen im Verbund

Die geplante Aufweichung der Sektorengrenzen in stationär, hybrid und ambulant wird mit Sicherheit organisatorische Veränderungen in den Krankenhäusern nach sich ziehen. Der Kostendruck wird weiterhin Veränderungen bedingen. Die geplante Dreiteilung in Häuser der Grundversorgung, Regel- und Schwerpunktversorgung und Maximalversorgung wird zu weiterer Spezialisierung und Klinikzusammenschlüssen führen. Nicht jedes Krankenhaus kann und soll sich – schon aus Kostengründen – alle Fachdisziplinen leisten. Der Austausch der medizinischen Leistungen im Verbund wird eine Notwendigkeit werden. Es ist zu erwarten, dass telemedizinische Dienstleistungen ausgebaut werden müssen, um die Versorgung in der Fläche zu gewährleisten. Ansätze wie „Helios C4U2BE“ weisen einen Weg zur flächendeckenden Grundversorgung. Dienste wie z.B. die Befundung von radiologischen oder pathologischen Bildern werden dorthin ausgelagert, wo sie preiswerter und mit besserer Qualität erfolgen.

Zu hinterfragen werden auch die (internen) IT-Dienstleistungen sein, da das Betreiben von Rechenzentren nicht die primäre Aufgabe der Krankenhäuser sein kann. Wie auch immer die aktuell diskutierte Krankenhausreform aussehen wird und in welchem Umsetzungszeitraum – es wird deutliche Systemveränderungen geben. Unsicherheiten und begrenzte Planungshorizonte werden in den nächsten Jahren größer werden. Sich hierauf einzustellen, ist mit Sicherheit nicht falsch.

Changemanagement ist das Zauberwort

Nicht nur Strukturreformen, sondern auch der allgemeine Fortschritt, Demographie, Klimawandel und gesellschaftliche Dynamiken zwingen jeweils die Gesundheitswirtschaft zu Veränderungen. Organisationen, Prozesse, Menschen und Ziele müssen und werden sich weiterentwickeln. Ein wesentliches Werkzeug und Voraussetzung ist die Digitalisierung und deren Umsetzung in allen Prozessen. Aber, Digitalisierung alleine wird es nicht richten! Denn Digitalisierung ist kein Allheilmittel. Richtig eingesetzt, als Unterstützung der Organisationen und Prozesse kann sie jedoch durchaus einige der bestehenden Mängel abfedern.
Das alles muss „gelebt“ werden und hier ist das Management gefragt. IT und Digitalisierung müssen als strategisches Instrument gesehen werden und nicht – wie häufig in der Vergangenheit – als Problem- und Kostenfaktor. Dazu gehört auch, „über den Tellerrand hinaus zu schauen“ und „das Ganze im Blick zu haben“, damit keine neuen Inseln entstehen.

IT-Anwendungslandschaften müssen veränderungsfähig, flexibler und dynamischer werden. Hierzu zählt auch eine Technologieoffenheit. Die Anpassung an eine Beteiligung in einem Verbund erfordern Technologien wie z.B. „single sign on“ im Netzwerk oder IHE-Profile für den Dokumentenaustausch über Institutionsgrenzen hinweg. Nicht zuletzt gilt es auch, dafür das qualifizierte Personal bereitzustellen. Nicht nur der ärztliche und pflegerische Sektor sind hier gefragt, auch Management und die IT müssen entsprechend aufgestellt werden. Fachliche Expertise, Professionalität und Kommunikationsfähigkeit werden unverändert Schlüsselanforderungen sein. Dazu gesellt sich die Kompetenz und Erfahrung, Veränderungen zu antizipieren, zu planen und erfolgreich umzusetzen. Wer Organisationen, Prozesse und
Technologien kontinuierlich, aber bei Bedarf auch disruptiv, weiterentwickeln kann, wird zukünftig ein gefragter und honorierter Experte sein.


Adrian Schuster

Dr. med. Dipl.-Inf. Adrian Schuster, Arzt und Informatiker,
Aredix Consulting GmbH, BVMI – Berufsverband Medizinischer
Informatiker e.V., Landesvorsitzender Berlin-Brandenburg



Engelhorn


Dipl. Inform. Michael Engelhorn, ExperMed GmbH Berlin


Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Ausgabe 01/2023