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KH-IT-Clubabend über DEMIS: Das Ding am Laufen halten
Category : Bundesverband KH-IT
Published by Dagmar Finlayson on 15.05.2023 05:10

Beim KH-IT-Clubabend im Mai 2023 warfen Insider einen „Blick hinter die Kulissen von DEMIS.“ Im Gespräch über das Meldesystem tauschten sich IT-Verantwortliche aus Krankenhäusern und dem RKI konstruktiv aus. Immerhin geht es um 20 Prozent von 4 Milliarden für den ÖGD. Teilnehmer am Clubabend äußerten Unmut und Resignation. Aus der Praxis kam Kritik: Es geht um Fehlfunktionen bei der elektronischen Übertragung meldepflichtiger Krankheiten und auch um richtig viel Geld. Die Moderation übernahm Andreas Lockau, Vorstand KH-IT.

von Wolf-Dietrich Lorenz


DEMIS ist das Deutsche elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz. Es erweitert und modernisiert das bestehende Meldesystem für Infektionskrankheiten, indem es eine durchgängige elektronische Informationsverarbeitung ermöglicht und damit die Übermittlung via Fax ablöst. Der Aufwand wird somit sowohl für die Meldenden als auch für die zuständigen Behörden reduziert. Eine notwendige Kontaktierung und Nachverfolgung wird schneller eingeleitet und der Infektionsschutz somit verbessert.


Moderator Andreas Lockau, Vorstand KH-IT, (lockau@kh-it.de)

Heinrich Schwarz, Projektleiter für DEMIS im Auftrag des RKI seit 2022

Die Gesundheitsämter in ganz Deutschland werden personell aufgestockt, modernisiert und vernetzt. Das sind Ziele des „Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD)“. Im Zeitraum 2021 bis 2026 stellt der Bund mit dem Pakt für den ÖGD 4 Milliarden Euro für Personal, Digitalisierung und moderne Strukturen zur Verfügung.
Wichtige Elemente sind hierbei der Ausbau der digitalen Infrastruktur und die Vernetzung der Gesundheitsämter auf lokaler, landes- und bundesweiter Ebene, die Bereitstellung übergreifender und gemeinsamer Kommunikationsplattformen sowie die Entwicklung und Implementierung von einheitlichen Standards, zum Beispiel in Bezug auf Melde- und Berichtswesen.
Rund 80 Prozent der Mittel werden für dezentrale Digitalisierungsmaßnahmen im Rahmen eines Förderprogramms direkt an die Einrichtungen des ÖGD ausgezahlt. Rund 20 Prozent der Gelder werden für zentrale Digitalisierungsmaßnahmen des Bundes eingesetzt, unter anderem für das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) und die Anbindung des ÖGD an DEMIS. DEMIS bietet meldenden Laboren und Leistungserbringern die Möglichkeit, nachgewiesene Infektionen elektronisch zu übermitteln. Die jeweils zuständigen Gesundheitsämter können diese Meldungen dann über DEMIS empfangen. Mit Hilfe von DEMIS wird die elektronische Meldung von positiven SARS-CoV-2-Erregernachweisen gemäß Infektionsschutzgesetz seit Juni 2020 umgesetzt.

DEMIS Meldeportal

Mit dem Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) wird das existierende Meldesystem für Infektionskrankheiten gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) weiterentwickelt.

Zukünftig sollen sich mit DEMIS alle meldepflichtigen Infektionskrankheiten übermitteln lassen. Ab dem 1. Januar 2023 müssen Melde- und Benachrichtigungspflichtige ihrer Verpflichtung zur Meldung und Benachrichtigung durch Nutzung von DEMIS nachkommen. Der Jahresausblick 2023 zeigt, wohin die Reise gehen soll. Neben den Funktionen Betten, Meldung und Fall soll es weiterhin um die Sicherstellung der Hochverfügbarkeit gehen, der Einführung einer Support-Hotline oder auch bundeslandspezifische Regulierungen.

DEMIS Jahresausblick 2023

Übermittlung von Meldungen

Der Zugriff der Meldenden sowie der Akteure des ÖGD (Gesundheitsämter, zuständige Landesbehörden und Robert Koch-Institut) auf die zentralen Komponenten der DEMIS-Infrastruktur erfolgt derzeit über das Internet bzw. die Telematikinfrastruktur. Die DEMIS-Infrastruktur besteht aus zentralen und dezentralen Komponenten und Diensten. Anbindungsoptionen für Krankenhäuser gemäß IfSG-Meldepflichten sind der Komfort-Client und die gesetzlich vorgeschriebene DEMIS-FHIR-Schnittstelle der gematik.


Interne KH-IT-Umfrage FHIR und Komfort-Client: Konkurrenz der Schnittstellen

Meldung über den Komfort-Client

Der Komfort-Client (für das DEMIS-Meldeportal) wird verwendet zur Authentifikation mittels SMC-B an die TI angeschlossene Krankenhäuser. Er ist kein DEMIS Produkt, sondern wird für die beschriebene Funktion nachgenutzt. Aus Usability-Gründen inkludiert er das DEMIS-Meldeportal, welches die Meldungsformulare und -übermittlung bereitstellt. Das DEMIS-Meldeportal soll um weitere Meldetatbestände und -funktionalität erweitert werden und entsprechend für den Zugang künftiger Meldepflichtiger zu DEMIS verschiedene Authentifizierungsverfahren anbieten. Hierfür werde die Verwendung des Komfort-Clients auf absehbare Zeit eine Option bleiben.

Teilnehmer am Clubabend äußerten Kritik an dem Komfort-Client der Telematik Infrastruktur der gematik (TI): „Wenn wir über den Komfort Client melden, stürzt der Komfort Client ab, oder er stürzt beim Versenden ab.“ Als Konsequenz gelte dann: „Ausdrucken und fertig.“ Ein Stein des Anstoßes für viele Krankenhäuser dazu war die defekte Funktion zur Bettenbelegungsmeldung (09.05.2023).

Meldung über die FHIR-Schnittstelle

Für die Nutzung der FHIR-Schnittstelle wird ein Zertifikat benötigt, welches bei der DEMIS-Geschäftsstelle (demis@rki.de) für die Produktiv- und Testumgebung angefordert werden kann. Weiterhin erhält jedes Softwareprodukt eine eigene clientID und zugehöriges Passwort für den Abruf des Token vom Tokenendpunkt.
Es geht um richtig viel Geld. Die Anbindung aus dem KIS heraus führt beim FHIR-Einsatz über einen Service-Partner, der die Schnittstelle zu bedienen und zu betreiben habe. Wie es am Clubabend hieß, sehen die KIS-Hersteller in Schnittstellen offenbar eine Melkkuh. Hersteller riefen bei einem 1750-Bettenhaus beispielsweise für die Schnittstelle zur Anbindung rund 250.000 Euro auf. Im Raum stand die Frage, ob KIS-Hersteller das vielleicht gar nicht günstiger anbieten könnten. Mutmaßungen wurden laut. Die KIS-Systeme wären über die Jahre hinweg für die Anbieter unkontrollierbar geworden, sie wären schwer zu durchschauen und daher hätten KIS-Hersteller Probleme, entsprechende Module anzuflanschen.

Lückenbüßer Krankenhäuser

Die Stimmung bei den IT-Verantwortlichen über DEMIS als eine BMG-Initiative der Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Ländern ist gemischt. Resigniert meinte ein IT-Leiter beim Clubabend über die BGM-Awareness: „Wenn ich ein solches System einführe, mache ich mir doch vorher Gedanken über Vorgehen und Ziel und Perspektive. Und auch, welche Ressourcen ich brauche.“ Resignation zur Performance ist zu herauszuhören, vieles sei offenbar mit der „heißen Nadel“ gestrickt. Lückenbüßer bei Fehlern wären Dienstleister und Krankenhäuser, die versuchten, das „Ding am Laufen zu halten“. Aus verzögerten und gescheiterten Projekten habe man offenbar keine Lehren gezogen. Am Clubabend waren auch Optimisten unter den Teilnehmern. Einer von ihnen meinte: „Wir können froh sein, dass wir vielleicht mal langsam vom Fax wegkommen.“

DEMIS wird im Auftrag des BMG gemeinsam vom Robert Koch-Institut (RKI) und der gematik mit Unterstützung von Fraunhofer FOKUS weiterentwickelt. „Von Seiten RKI unterstützt man Bestrebungen, Anbindungen herzustellen,“ bekräftigte Heinrich Schwarz, Projektleiter für DEMIS im Auftrag des RKI seit 2022. Es sollen über 200 Hersteller aktiv in die Unterstützung eingebunden sein. Krankenhäuser sowie KIS-Hersteller könnten Hilfe in der „RKI-Sprechstunde“ finden, ab dem 17.06.2022 in einem vierwöchigen Turnus von 14-15 Uhr (Sprechstunde über demis@rki.de).



Über den Bundesverband KH-IT
Der KH-IT Bundesverband der Krankenhaus IT - Leiterinnen/Leiter e.V. vertritt die Interessen der Krankenhaus-IT Leiterinnen und Leiter. Er macht es sich zur Aufgabe, die Stellung der IT in der Klinik zu stärken im Sinne einer bestmöglichen und wirtschaftlichen Unterstützung der Patientenversorgung. Auf verbandseigenen Veranstaltungen wie den Frühjahrs- und Herbsttagungen oder dem „Clubabend“ sorgt der KH-IT regelmäßig für den Meinungsaustausch über die Zukunft der Krankenhaus-IT, seiner Verantwortlichen und für Diskussionen über die aktuellen Entwicklungen und Trends im Gesundheitswesen.
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Wolf-Dietrich Lorenz