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BVMI-Talk: Digital-Medizin mit neuen Gesetzen
Category : Verbände
Published by Dagmar Finlayson on 21.05.2023 05:20

„Digitalisierungsstrategie und Gesundheitsdatennutzung - neue Gesetze für das Gesundheitswesen“ war Thema von Prof. Dr. Paul Schmücker beim „BVMI-Talk2 (021) am 17. Mai 2023. In einer Zusammenstellung beleuchtete das Vorstandsmitglied des Berufsverbandes Medizinischer Informatiker (BVMI) e. V. dazu Status quo und Perspektiven der Gesetzesvorhaben. Der renommierte Referent gab einen Überblick über die wichtigsten Punkte, die im Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz vorgesehen sind, mit anschließender Diskussion der Talk-Teilnehmer.

von Wolf-Dietrich Lorenz

Die Digitalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) soll die Weichen für eine Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen stellen. Neben Regelungen zur künftigen Verwendung von Gesundheitsdaten gehört auch die Einführung einer Opt-Out-Lösung bei der elektronischen Patientenakte zu den Eckpunkten der angekündigten Gesetzgebungsverfahren.

Bis zum Jahr 2025 sollen 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen. Bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden.
Die Digitalisierungsstrategie soll Orientierung dafür bieten, wie sich Versorgungsprozesse, Datennutzung und Technologien bis Ende des Jahrzehnts weiterentwickeln müssen, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Dazu gehört die Etablierung einer dezentralen, mit Forschung kompatiblen, vernetzten Gesundheitsdateninfrastruktur. Zu Umsetzung und Weiterentwicklung werden die in der Strategie formulierten Ziele in einen Umsetzungsplan überführt, der regelmäßig evaluiert und bedarfsweise angepasst wird. Die derzeit im Aufbau befindliche Digitalagentur wird in diesem Zusammenhang mit operativen Aufgaben betraut.

Einige Einzelheiten der Gesetzesvorhaben sind besonders betrachtenswert.

Das Digitalgesetz umfasst: Bis Ende 2024 soll die elektronische Patientenakte für alle gesetzlich Versicherte eingerichtet werden (Opt-Out). Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden. Es kann sowohl mit Gesundheitskarte wie mit ePA-App eingelöst werden. Die Gesellschaft für Telematik (gematik GmbH) wird zu einer Digitalagentur in 100% Trägerschaft des Bundes umgeformt. Ein interdisziplinärer Ausschuss, der u.a. mit Vertretern von BfDI, BSI, Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll künftig die „Digitalagentur“ bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Dies ersetzt den bisherigen Prozess der Einvernehmensherstellung mit BSI und BfDI.

Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) hat als Perspektive eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle, die den Zugang zu Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen (z.B. Krebsregister, Krankenkassendaten) ermöglicht. Die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen wird über Forschungspseudonyme ermöglicht. Die Daten bleiben dezentral gespeichert.
Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim BfArM wird weiterentwickelt: Künftig soll auch die forschende Industrie dort Anträge auf Datenzugang stellen können. Entscheidend für die Anfragen ist der Nutzungszweck, nicht der Absender.

Die EPA gilt als Herzstück der Digitalstrategie des Gesundheitswesens. Sie ist bis Ende 2024 für alle Krankenversicherten verbindlich, so die BGM-Aussage. Eine elektronische Patientenakte wird für jeden Versicherten, der nicht ausdrücklich widerspricht, automatisch angelegt (Opt-out-Verfahren). Die Integration des E-Rezeptes ist vorgesehen.
Die Berechtigung für den Zugriff auf die ePA erteilt der Patient den Leistungserbringereinrichtungen verschiedener Sektoren. Bei größeren Leistungserbringereinheiten wie beispielsweise einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einem Krankenhaus kann dies bedeuten, dass neben dem behandelnden Ärztin eine Vielzahl weiterer Personen des medizinischen Fachpersonals der gleichen Leistungserbringereinheit rein technisch auf die Daten zugreifen können. Durch die ePA ist die Nutzung der Daten pseudonymisiert für Forschungszwecke möglich. Pseudonymisierte ePA-Daten sollen künftig zu Forschungszwecken automatisch über das FDZ abrufbar sein.

Das Forschungsdatenportal Gesundheit FDPG ist seit 16.5. 23 zugänglich für externe Forschende außerhalb der Medizininformatik in Initiative. Datenlieferanten sind alle Medizininformatik-Konsortien. Integriert sind die Kernsätze, Person, Diagnoseprozedur, Labor, Befund, Medikation Biobank, Patienten-Consent. Es besteht ein automatisiert bespielter Datenbestand für Forschungszwecke, den auch die Pharmaindustrie nutzen will. BGM: Ziel ist es, eine übergreifende digitalisierte medizinische Forschung in Deutschland zu ermöglichen.

Bei den Registern werden im Krebsregister identifizierende und klinische Daten getrennt. Ein Nationales Register für Seltene Erkrankungen (NARSE) wird etabliert. BGM: Damit gelingt ein umfassender Überblick der in Deutschland lebenden Patienten, der Datenaustausch auf europäischer und internationaler Ebene sowie die Erfassung der Daten gemäß der geltenden Datenschutzbestimmungen.

Information und Aufklärung

Diese Gesetzesentwürfe können die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. Nach Stolpersteinen mit E-Rezept und ePA in den vergangenen Jahren ist es angebracht, dass sich viele Akteure wie die Verbände wegbereitend einbringen. Es gelten individuelle Nutzenerfahrung als der Schlüssel zur Akzeptanz von digitalen Gesundheitslösungen. Die Bevölkerung zeigt offenbar Bereitschaft, Gesundheitsdaten für als sinnvoll erachtete Zwecke zu teilen. Eine Grundeinstellung, die individuell deaktivierbar ist (Opt-out), beflügelt derzeit die Diskussion. Vor allem wirkt Transparenz über den stufenweisen Ausbau der ePA-Funktionalitäten falschen Erwartungen und damit Frustration entgegen. Die elektronische Patientenakte muss benutzerfreundlich gestaltet werden und dabei technische Lösungen für alle Bevölkerungsgruppen anbieten. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist intensiv zu kommunizieren und die Betroffenen sind ausführlich zu informieren.

Wolf-Dietrich Lorenz


BVMI-Talk
Nächster BVMI-Talk-Termin:


31. Mai 23, 17:00 Uhr
HighSpeed-Konnektor in der TI 2.0
Stefan Müller-Mielitz, BVMI

Teilnahme:
Über eine E-Mail an die Geschäftsstelle geschaeftsstelle@bvmi.de

Zielgruppen:
Medizininformatiker in allen Arbeitsbereichen, ebenso ITler als Seiteneinsteiger in Krankenhäusern und Firmen, Medizintechniker/innen, Pflegende

Ziele:
Stärkung des Austausches von Medizininformatik und Krankenhaus-IT mit Medizintechnik und Pflege, auf Fortbildungsmöglichkeiten hinweisen (Akademie, Online, ..), Bekanntheit steigern.

www.bvmi.de


Foto: Prof. Dr. Paul Schmücker, Vorstandsmitglied BVMI: gab einen Überblick über die wichtigsten Punkte im Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz.