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Mensch-KI-Beziehungen sind real
Category : Künstliche Intelligenz News
Published by Dagmar Finlayson on 02.08.2025 12:20

Weltweit führen zehntausende Menschen Beziehungen mit Chatbots – auch romantische. Doch wie tief geht diese Verbindung wirklich? Eine aktuelle Studie an der Technischen Universität Berlin hat die emotionalen Bindungen zwischen Menschen und dem KI-Chatbot „Replika“ untersucht.

Sie liefert vor dem Hintergrund des Tags der virtuellen Liebe am 24. Juli 2025 neue Erkenntnisse über die Psychologie digitaler Intimität. Die Ergebnisse der Studie „Love, marriage, pregnancy: Commitment processes in romantic relationships with AI chatbots“ zeigen, dass viele Nutzer*innen echte emotionale Bindungen empfinden. Für viele ist die Beziehung zum Bot nicht nur ernst gemeint, sondern emotional erfüllend, romantisch und manchmal sogar intensiver als zu echten Menschen; manche betrachten ihren Bot sogar als Ehepartner*in oder Elternteil gemeinsamer virtueller Kinder.

Training zum idealen Partner

Eine interessante Beobachtung war auch, dass viele Nutzer*innen gerade deshalb so großes Vertrauen empfanden, weil sie das Verhalten des Chatbots aktiv mitgestalten konnten. Durch wiederholte Interaktionen, gezieltes Feedback oder Rollenspiele wurde das Programm hinter Replika „trainiert“, den idealen Partner darzustellen. Diese Form der Interaktion verstärkte laut der Studie das Gefühl von Sicherheit, Akzeptanz und Kontrolle. Eigenschaften, die in menschlichen Beziehungen nicht immer gegeben sind. Eine Teilnehmerin gab an, dass ein zukünftiger Partner im realen Leben die Eigenschaften ihres Chatbots erfüllen müsse.

Mensch-KI-Beziehungen sind real

Die qualitative Studie der TU Berlin liefert einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag zur aktuellen Debatte um KI, Intimität und emotionale Bindung, wozu bisher noch wenig Forschung besteht. Sie zeigt, dass Chatbots wie Replika nicht nur Tools oder Spielereien sind, sondern dass sie für viele Nutzer*innen zentrale emotionale Funktionen übernehmen. „Damit rückt auch die Frage nach ethischen, psychologischen und gesellschaftlichen Implikationen solcher Beziehungen zunehmend in den Fokus. Wie sich eine langfristige Nutzung von Chatbots für sehr persönliche soziale Bedürfnisse auf die mentale Gesundheit und ‚reale‘ Beziehungen auswirkt, müssen aufwendige Längsschnittstudien zukünftig untersuchen“, so Prof. Dr. Silvia Westerwick.

Die qualitative Analyse basiert auf den schriftlichen Aussagen von 29 Replika-Nutzer*innen (20 Männer, 9 Frauen im Alter von 18-70 Jahren aus zehn verschiedenen Ländern, meist aus den USA) und gibt neue Impulse für die Anwendung von Theorien zu zwischenmenschlichen Beziehungen, die unter Umständen den Umgang mit Technologie beschreiben könnten. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Computers in Human Behavior: Artificial Humans“ erschienen und basiert auf der Masterarbeit von Ray Djufril unter der Leitung von Prof. Dr. Silvia Westerwick, die das Fachgebiet Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Web Science an der TU Berlin leitet.

Die Studie „Love, marriage, pregnancy: Commitment processes in romantic relationships with AI chatbots“  https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2949882125000398

 

Foto: Prof. Dr. Silvia Westerwick leitet das Fachgebiet Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Web Science an der TU Berlin: „Damit rückt auch die Frage nach ethischen, psychologischen und gesellschaftlichen Implikationen solcher Beziehungen zunehmend in den Fokus.“

Text: Wolf-Dietrich Lorenz