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Digitale Zerreißprobe: Klinik-IT und CIO im Umbruch
Category : IT-Management
Published by Kai Wehrs on 10.10.2025 09:10

Die Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern steht an einem Wendepunkt. Während der Bedarf an effizienten, interoperablen IT-Lösungen stetig wächst, setzen große Anbieter weiterhin auf geschlossene Systeme. Diese Strategie führt zu einer Marktver-zerrung, da Krankenhäuser in teure, langfristig riskante Abhängig-keiten von einzelnen Herstellern geraten und der dringend benötigte Wettbewerb um Innovation und Qualität ausgebremst wird.

Ein zentrales Aufgabenfeld des CIO ist hierbei die interoperable Integration von KI-Systemen in die bestehende IT-Infrastruktur. Perspektive ist hierbei vom Techniker hin zum Wegbereiter der digitalen Transformation und IT-Strategen. Krankenhaus-IT Leiterinnen und Leiter machen es sich zur Aufgabe, die Stellung der IT in der Klinik zu stärken im Sinne einer bestmöglichen und wirtschaftlichen Unterstützung der Patientenversorgung. IT-Verantwortliche können diesen wichtigen Beitrag gemeinsam gestalten. IT ist das Rückgrat der Kliniken.

Geschlossene Systeme und ihre Folgen

Große IT-Anbieter im Klinikmarkt verfolgen häufig einen monolithischen Ansatz: Ihre Krankenhausinformationssysteme (KIS) sind so konzipiert, dass sie möglichst viele Funktionen abdecken, aber gezielt Schnittstellen zu Drittsystemen nur eingeschränkt oder gar nicht unterstützen. Das Ziel ist klar: Krankenhäuser sollen gezwungen werden, möglichst viele Module desselben Herstellers zu kaufen und zu betreiben. Die Folge ist eine technologische Abhängigkeit, die nicht nur hohe Kosten verursacht, sondern auch die Flexibilität der Häuser massiv einschränkt. Individuelle Bedürfnisse der Branche, etwa spezifische klinische Workflows oder innovative Speziallösungen, werden von den Herstellern oft ignoriert.

Interoperabilität als Schlüssel zur digitalen Transformation

Dabei ist gerade die Interoperabilität – also die Fähigkeit verschiedener IT-Systeme, nahtlos und sicher Daten auszutauschen – entscheidend für den Erfolg der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Schnittstellenstandards wie FHIR oder ISiK sind unverzichtbar, um einen reibungslosen Datenaustausch zu ermöglichen. Erst durch verbindliche Vorgaben, wie sie etwa das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) vorsieht, wird Interoperabilität zur Pflicht und nicht mehr zur Kür2. Dies eröffnet die Möglichkeit eines „Best of Breed“-Ansatzes: Krankenhäuser könnten für jede Anwendung das jeweils beste Produkt auswählen und so die digitale Transformation aktiv steuern.

Risiken und Abhängigkeiten für Krankenhäuser

Die Praxis sieht jedoch oft anders aus: Viele Hersteller setzen weiterhin auf proprietäre Lösungen und verweigern offene Schnittstellen. Laut DSAG blockieren große Anbieter die Integration externer Abrechnungssysteme. So berichten Krankenhausvertreter nach Onlinemeetings mit KIS-Herstellern regelmäßig, dass die Hersteller auf ihre eigenen Lösungen pochen, IS-H-Schnittstellen nicht mehr unterstützen oder keine neuen Schnittstellen entwickeln wollen. Auch Chatprotokolle würden diese Haltung belegen.

Dadurch werden Krankenhäuser gezwungen, sich langfristig an einen Anbieter zu binden – mit unkalkulierbaren Kosten und Risiken. Wechsel oder Erweiterungen sind technisch und wirtschaftlich kaum möglich, Innovationszyklen werden ausgebremst und die digitale Transformation gerät ins Stocken. Die Leidtragenden sind am Ende die Patienten, deren Versorgungspotenziale nicht ausgeschöpft werden können, sowie das medizinische Personal, das mit ineffizienten, nicht vernetzten Systemen arbeiten muss.

Digitalisierung für Praxisnutzen und Patientenwohl

Trotz großer Aufmerksamkeit für das Thema Digitalisierung in der gesamten Gesellschaft fehlt es in den Krankenhäusern oft am notwendigen IT-Personal und den finanziellen Mitteln für die Umsetzung. In diesem Umfeld arbeiten IT-Verantwortliche an der Qualität der Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern. Dabei zeigen zahlreiche Beispiele, wie digitale Lösungen die Versorgung verbessern können: Von der elektronischen Patientenakte über KI-gestützte Diagnostik bis hin zur Telemedizin – digitale Technologien ermöglichen präzisere, schnellere und individuellere Behandlungen. Sie entlasten das Personal, optimieren Prozesse und sparen Kosten. Entscheidend ist jedoch, dass diese Lösungen miteinander kommunizieren können und nicht durch künstliche Barrieren ausgebremst werden.

Ein zentrales Aufgabenfeld des CIO ist die Integration von KI-Systemen in die bestehende IT-Infrastruktur. Dazu gehört die Auswahl geeigneter Technologien und Partner, das Management von Datenflüssen sowie die Sicherstellung der Datenqualität und -sicherheit. Nur auf Basis hochwertiger, strukturierter Daten kann KI ihr Potenzial entfalten – etwa bei der präzisen Auswertung medizinischer Bilddaten, der Analyse von Laborwerten oder der Erstellung individueller Therapiepläne. Der CIO sorgt dafür, dass diese Systeme nahtlos mit anderen digitalen Lösungen wie elektronischen Patientenakten und klinischen Entscheidungsunterstützungssystemen zusammenarbeiten.

Darüber hinaus trägt der CIO maßgeblich zur Entlastung des medizinischen Personals bei, indem er KI-gestützte Automatisierungslösungen für administrative und repetitive Aufgaben implementiert. Dies verschafft Ärzten und Pflegekräften mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung und steigert so die Qualität der Behandlung. Auch bei der Früherkennung von Risiken und der kontinuierlichen Patientenüberwachung spielen KI-Systeme eine immer größere Rolle. Der CIO ist dafür verantwortlich, dass diese Technologien zuverlässig funktionieren und in den klinischen Alltag integriert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Schulung und Befähigung des Personals im Umgang mit neuen KI-Anwendungen. Der CIO initiiert entsprechende Weiterbildungsangebote und sorgt für eine hohe Akzeptanz der Technologien bei den Anwendern. Zudem etabliert er Prozesse für das Qualitätsmonitoring, sodass die Auswirkungen von KI auf die Behandlungsqualität kontinuierlich gemessen und optimiert werden können.

CIO als Bindeglied und Fachexperte

In diesem Spannungsfeld kommt dem Chief Information Officer (CIO) eine zentrale Rolle zu. Als Mitglied des Managementteams ist er nicht nur technischer Fachexperte, sondern auch strategischer Gestalter der digitalen Transformation. Der CIO muss die Bedürfnisse der Klinik, der Patienten und des Personals verstehen und vertreten, IT-Strategien entwickeln und deren Umsetzung steuern. Er ist das Bindeglied zwischen medizinischer Praxis, Verwaltung und Technik und trägt maßgeblich dazu bei, dass Digitalisierung nicht Selbstzweck bleibt, sondern echten Mehrwert für Patienten und Klinikbetrieb schafft.

Digitale Lösungen sind die Antwort auf die sich verändernden Anforderungen im Gesundheitswesen. Von digitalen Patientenakten über KI-gestützte Diagnostik bis hin zur Telemedizin ermöglichen digitale Technologien eine präzisere, schnellere und individuellere Behandlung. So können beispielsweise KI-gestützte Radiologielösungen die Zahl der Fehldiagnosen um bis zu 30 % senken. Darüber hinaus setzen Automatisierung und digitale Dokumentation wertvolle Zeit für Patienten frei. Verschiedene Studien zeigen, dass elektronische Gesundheitsakten den Verwaltungsaufwand um 20 bis 30 % reduzieren können, sodass sich Ärzte und Pflegekräfte stärker auf die Patientenversorgung konzentrieren können. Dies kann zu einer höheren Behandlungsqualität und einer gesteigerten wirtschaftlichen Effizienz führen.

Der Chief Information Officer (CIO) spielt eine Schlüsselrolle bei der Steigerung der Behandlungsqualität durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Krankenhaus. Seine Verantwortung beginnt mit der Entwicklung einer klaren Digitalisierungsstrategie, die den gezielten und nachhaltigen Einsatz von KI zur Verbesserung der Patientenversorgung ins Zentrum stellt. Der CIO identifiziert gemeinsam mit dem Managementteam und den medizinischen Fachbereichen die relevanten Anwendungsfelder für KI, wie etwa die Verbesserung der Diagnostik, die Personalisierung von Behandlungen und die Optimierung klinischer Abläufe.

CIO zwischen IT, Medizin und Management

Die Zukunft der Klinik-IT liegt in offenen, interoperablen Systemen, die Innovation und Wettbewerb ermöglichen. Geschlossene Systeme und fehlende Schnittstellen behindern die digitale Transformation, erhöhen die Kosten und gefährden die Versorgungssicherheit.

Der CIO ist aktiv in der digitalen Transformation und IT-Strategien. Der CIO als Bindeglied zwischen IT, Medizin und Management dafür verantwortlich, dass der Einsatz von KI immer auf die strategischen Ziele des Krankenhauses ausgerichtet ist. Er stellt sicher, dass Innovationen nicht isoliert, sondern als Teil einer ganzheitlichen digitalen Transformation umgesetzt werden, die den Patienten in den Mittelpunkt stellt und die Behandlungsqualität nachhaltig steigert.

Es ist Aufgabe von Klinikleitungen und insbesondere des CIO, diese Herausforderungen zu erkennen, für offene Standards einzutreten und so die Weichen für eine zukunftsfähige, patientenorientierte Digitalisierung zu stellen. 

Die Rolle der Klinik-IT steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Digitalisierung, regulatorische Anforderungen und steigende Patientenerwartungen fordern eine Neuausrichtung von Prozessen und Systemen. In diesem Umbruch wird der CIO zum strategischen Brückenbauer – zwischen Medizin, Pflege, Verwaltung und Technik. Klassische IT-Abteilungen entwickeln sich zu agilen Dienstleistern, die Innovationen vorantreiben und gleichzeitig Sicherheit sowie Stabilität gewährleisten müssen.

Veraltete IT-Strukturen, steigende Cyberrisiken und der Druck zur Digitalisierung treiben Klinik-CIOs an ihre Belastungsgrenze. Zwischen Kostendruck und Innovationszwang stehen sie vor Entscheidungen mit dramatischer Tragweite. Der Wandel ist unausweichlich – und wer nicht mitzieht, riskiert den Stillstand im sensibelsten Bereich der modernen Gesundheitsversorgung.

Erfolgreiche CIOs verstehen die Sprache der Klinikakteure, moderieren Veränderungsprozesse und etablieren eine digitale Kultur. Dabei sind Kommunikation, interdisziplinäre Zusammenarbeit und Veränderungsbereitschaft zentrale Erfolgsfaktoren. Brücken bauen heißt, Silos zu überwinden und gemeinsam tragfähige Lösungen zu gestalten. Nur so kann Klinik-IT zum Motor für bessere Patientenversorgung und effizientere Abläufe werden. Der CIO im Wandel ist kein Verwalter mehr – er ist Visionär, Übersetzer und Gestalter einer vernetzten, zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung.

Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Ausgabe 04/2025 - Stand September 2025

Symbolbild: Harsha / AdobeStock