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Projektmanagement 4.0
Category : IT-Management
Published by Kim Wehrs on 23.04.2021 09:00

Was zeichnet ein erfolgreiches Projektmanagement in komplexen Software-Implementierungsprojekten aus? Wie kann dem Spannungsfeld des „magischen Projektmanagementdreiecks“ begegnet werden?Dirk Kindiger und  Dr. Meike Hillen, PRO-KLINIK Krankenhausberatung GmbH, skizzieren, wodurch Projekte im Gesundheitswesen  erfolgreich werden können.  

In unserer Beratungspraxis erleben wir immer wieder, dass es Irrglauben und „Mythen“ im Rahmen von komplexen Implementierungsprojekten in Einrichtungen des Gesundheitswesens gibt. Blicken wir auf das „magische Projektmanagementdreieck“, zeigt sich hierüber sehr deutlich das Spannungsfeld zwischen Zeit, Kosten und Qualität. Wie kann diesem Spannungsfeld begegnet werden? Folgende Projektansätze können helfen, die magische Trias aufzubrechen und komplexe Projekte im Gesundheitswesen erfolgreich werden zu lassen.

 An welcher Stelle liegen eigentlich die Hebel, um Projekte erfolgreich umsetzen zu können? Scheint es doch so, als ob die drei Seiten des Dreiecks von Anfang an feststehen. Denn …



Dr. Meike Hillen, Geschäftsführerin, PRO-KLINIK Krankenhausberatung GmbH

Wir möchten an dieser Stelle folgende Erfahrungen aus unserer Beratungspraxis anführen: 

Ein Implementierungsprojekt ist kein IT-Projekt, sondern ein Organisationsprojekt

Oftmals werden Einführungsprojekte zu Softwarelösungen immer noch „quasi“ automatisch in der IT-Abteilung des Hauses verankert. Der IT-Leiter ist somit per definitionem zugleich der Projektleiter und hat entsprechend die Einführung als Projektleiter der Einrichtung zu verantworten. Dies ist mitnichten so. Jedes Projekt zur Einführung einer Softwarelösung ist immer ein hochgradiges Organisationsprojekt. Insofern werden an die Funktion, die Kompetenzen und auch die organisatorische „Verortung“ des Projektleiters neue Anforderungen gestellt. Ein Projektleiter für z.B. die Einführung eines Krankenhausinformationssystems (kurz ‚KIS‘) muss nicht auf Bit und Byte-Ebene mit den Beratern des Dienstleisterns kommunizieren können. Dafür gibt es ein Teilprojekt IT (oder auch Basis wie es oftmals heißt), indem man sich im Detail über diese Themen austauscht, z.B. Aufsetzen der Hardware/Infrastruktur, um eine performante und ausfallsichere Systemumgebung herzustellen. Der Projektleiter in unserem Sinne stellt dagegen die Kommunikationszentrale, das Herzstück der internen Projektorganisation dar. Er ist sehr gut vernetzt, kennt seine Stakeholder im Projekt und verfügt über kommunikative Kompetenzen, die es ihm ermöglichen, zielorientiert und ergebnisorientiert mit den unterschiedlichen Berufsgruppen zu kommunizieren. In der Position des Projektleiters laufen die „Projektfäden“ zusammen, die Teilprojektleiter berichten regelhaft und strukturiert an die Projektleitung über den aktuellen Stand des Projektes.

Und nein – ein erfolgreiches Projektmanagement zeichnet sich nicht nur durch die Benutzung von professionellen Projektmanagementtools aus, sondern vielmehr durch die bewusste Übernahme von Verantwortung im Projekt und die Fähigkeit zur Kommunikation. Neben dem Projektleiter müssen sowohl Auftragnehmer als auch Auftraggeber ausreichende personelle Ressourcen für die Projektorganisation bereitstellen, um die Implementierung in der vorgegebenen Zeit zu realisieren. Ein Oberarzt in einer Einrichtung, der über seinen Chefarzt neben der Linientätigkeit in das Projekt als Teilprojektleiter „hineinbefohlen“ wurde, wird verständlicherweise nur wenig bis gar keine Motivation beibringen, um sich dem Projekt und den Aufgaben in seiner Freizeit zu widmen. Projektmitarbeiter auf Seiten des Auftraggebers benötigen den entsprechenden zeitlichen Raum zur Wahrnehmung der Projektaufgaben; dies kann nur über Freistellungen in einem angemessenen Maße geschehen. 

Zu jedem Projekt muss es eine klare und eindeutige Formulierung von Zielen geben

Wir erleben es immer wieder, dass die Einführung von KIS-Systemen im Sinne eines Erfolgsversprechen „jetzt wird alles besser“ für die interne Kommunikation genutzt wird. Dies ist jedoch der falsche Ansatz. Wer meint, dass er automatisch seine Prozesse optimiert, indem er eine Lösung A gegen eine Lösung B austauscht, greift entschieden zu kurz und negiert von Anfang an die Chancen, die in jedem IT-Projekt = Organisationsprojekt liegen. Warum sollte der Prozess der Dokumentation in einem „neu eingeführten“ System schneller, besser oder auch erlössicherer funktionieren als im Vorsystem? Möglichweise bietet das neu einzuführende System ein „Mehr“ an Unterstützung oder auch Prozessoptimierung, diese Begriffe werden jedoch zu leeren Worthülsen, sofern man sie nicht mit konkreten Zielen unterlegt. Wir empfehlen daher grundsätzlich eine klare und eindeutige Formulierung von messbaren Projektzielen, an denen sich am Ende der Projekterfolg auch belegen lässt. In einer „idealen“ Welt werden diese Ziele bereits im Vorfeld der Leistungsabstimmung mit den Dienstleistern formuliert, dies geschieht aber – so muss man realistischerweise anführen – in den wenigsten Projekten, trägt jedoch erheblich zur Leistungsschärfung bei. Diese Projektziele dürfen jedoch nicht nur in der Projektorganisation verankert sein, sondern müssen von der gesamten Organisation getragen werden und sind somit in der Digitalisierungsstrategie verankert. Ansonsten greifen Partikularinteressen einzelner Fachabteilungen/ Mitarbeiter, die am Ende ein großes und gesamtheitliches Zielbild ad absurdum führen. Und die Qualität eines Projektes kann sich unter anderem sehr gut an der formulierten Zielerreichung messen lassen, notwendige Change Requests (CR), die es in allen komplexen Implementierungsprojekten gibt, müssen sich grundsätzlich der Frage stellen, ob dieser CR wichtig für die Zielerreichung (und Ziele fungieren immer als „Leitplanken“ eines Projektes) ist und ob hierüber ein maßvolles Kosten-/ Nutzenverhältnis gewahrt ist.

Dirk Kindiger, Senior-Berater, PRO-KLINIK Krankenhausberatung GmbH

Abschließend bleibt die nicht neue, aber immer noch geltende Erkenntnis, dass Projekte von Menschen gemacht werden. Wir wagen an dieser Stelle die These, dass alleine die Nutzung von professionellen PM-Tools ohne Einfluss auf die Sicherstellung von Qualität, Zeit und Kosten ist. Hierzu bedarf es weiterer Steuerungsmöglichkeiten und Projektorganisationsanforderungen wie beschrieben. 

Mit Blick auf die Anforderungen an ein Projektmanagement und eine Projektumsetzung gemäß Krankenhauszukunftsgetz  KHZG ergeben sich weitere, und bis dato sicherlich noch nicht in dieser Eindeutigkeit formulierten Herausforderungen. 


Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Ausgabe April 2021
Foto: Adobe Stock / Murrstock