Datenschutz darf Forschung zum Wohl der Patientinnen und Patienten nicht bremsen

DGIM

Veröffentlicht 02.09.2022 07:20, Dagmar Finlayson

Vier von fünf Menschen in Deutschland wünschen sich, dass Gesundheitsdaten, die sie beispielsweise digital mit einem Fitnessarmband, ihrem Smartphone oder anderen Geräten gesammelt haben, der medizinischen Forschung zugänglich sind. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Umfrage unter mehr als 5000 Personen, die das Marktforschungsunternehmen EPatient Analytics durchgeführt hat (1). Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) fordert, Datenschutzbestimmungen in Deutschland dahingehend anzupassen, dass eine bessere Nutzung von Daten für die Forschung, und somit auch Fortschritt in Prävention, Diagnostik und Therapie, ermöglicht wird.

Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland überwachen mittlerweile ihre Gesundheit digital mithilfe von Smartphone, Smartwatch und anderen digitalen Geräten, zeigt die Umfrage, zu der EPatient Analytics eigenständig mehr als 5000 Personen befragt hat. Die Stichprobe repräsentiert alle „Onliner“ – also Menschen, die im Internet aktiv sind – und damit rund 90 Prozent der deutschen Bevölkerung. Vor allem Vitalwerte, wie die Schlafqualität, messen die Menschen dabei digital, während sie etwa Körpergewicht und Blutdruck eher im Gedächtnis oder mittels Papier und Stift dokumentieren. „Die Bürgerinnen und Bürger zeichnen auf diese Weise eigenständig ein Bild von ihrer Gesundheit unter Real-Life-Bedingungen“, so Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Vorsitzender der DGIM und Professor für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie, Campus Kerckhoff, Justus-Liebig-Universität Gießen. „Damit schaffen sie selbst einen enormen Schatz an Daten, der für die Forschung, Früherkennung und patientenorientierte Überwachung zahlreicher Erkrankungen Gold wert ist“, so der Experte weiter.

Danach befragt, ob die Probandinnen und Probanden ihre Gesundheitsdaten auch der Forschung zur Verfügung stellen würden, stimmten vier von fünf Personen der Übertragung in eine nationale Forschungsdatenbank zu. Im Gegensatz zu landläufigen Meinungen sprach sich somit die überwiegende Mehrheit der Befragten dafür aus, dass die mittels digitaler Gesundheitstracker gesammelten Daten für die medizinische Forschung, die Verbesserung der Therapien und auf den Einzelnen zugeschnittene Präventionsangebote genutzt werden sollen. Über 80 Prozent der Teilnehmenden vertrauen ihre Daten dafür Ärztinnen und Ärzten, 55 Prozent auch ihren Krankenkassen, an. „Die Menschen tracken ihre Gesundheit heute so umfangreich und massenhaft wie es keine medizinische Studie schaffen würde“, sagt Professor Dr. med. Markus M. Lerch, 1. stellvertretender Vorsitzender der DGIM und Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am LMU Klinikum München. Allerdings führe der Datenschutz in der restriktiven deutschen Auslegung dazu, dass die Daten zwar bei den Herstellern der Smartwatches und anderen Wearables in den USA oder Asien landen, nicht aber hierzulande zur Verbesserung der medizinischen Versorgung beitragen, kritisiert Lerch. „Um eine Forschung im Sinne und zum Wohle der Patientinnen und Patienten zu ermöglichen, müssen die Datenschutzbestimmungen angepasst und eine Nutzung der Daten zu Forschungszwecken vereinfacht werden“, so der Münchener Experte weiter. Vor allem die Vorgaben zu Datensparsamkeit und Löschfristen seien im wissenschaftlichen Bereich fehl am Platz. „Daten, die durch Steuergelder finanzierte Studien gesammelt werden, müssen nach gewissen Fristen wieder gelöscht werden – das ist pure Verschwendung“, urteilt Lerch. „Es gilt, im Dialog zwischen Datenschutz-Vertreterinnen und -Vertretern und Forschenden hier nun zeitnah praktikable Lösungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu finden“, schlussfolgert der DGIM-Vorsitzende Müller-Ladner, „denn jeder evidenzbasierte Wissenszuwachs hilft heilen“.

 

Quellen:

(1) EPatient Analytics, Self tracking report 2022, abrufbar unter: https://www.epatient-analytics.com/akt ... /pm-self-tracking-report/

Quelle: DGIM

Symbolbild: National Cancer Institute


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