Befragung der AOK zu DiGA zeigt Verbesserungspotenzial

Umfrage

Veröffentlicht 16.01.2023 14:20, Dagmar Finlayson

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) werden insgesamt positiv bewertet, aber ungefähr die Hälfte der Nutzerinnen und Nutzer hält sie für verzichtbar. Das sind zentrale Ergebnisse einer bundesweiten Online-Befragung von mehr als 2.600 AOK-Versicherten, die eine „App auf Rezept“ erhalten hatten. Ziel der Befragung war es, zwei Jahre nach der Aufnahme der DiGAs in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung die Akzeptanz und das tatsächliche Nutzungsverhalten zu evaluieren.

58 Prozent der Befragten bewerteten die Nutzung der DiGA als sinnvolle Ergänzung zu ihrer Therapie. Als größten Vorteil sahen die Nutzer:innen, dass sie sich die Behandlung mit einer DiGA zeitlich flexibel einteilen können (70 Prozent). Immerhin 40 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die Anwendung geholfen habe, ihre Erkrankung besser in den Griff zu bekommen. DiGAs wurden laut Umfrage allerdings selten zur Überbrückung von Wartezeiten bis zum Beginn einer Therapie genutzt (15 Prozent), nur bei DiGAs zur Behandlung von psychischen Erkrankungen war das etwas häufiger der Fall (21 Prozent).

Probleme bei der Umsetzung der digitalen Therapieinhalte

„Trotz der insgesamt recht hohen Zufriedenheit mit den Apps auf Rezept sehen wir in den Ergebnissen eine gewisse Zurückhaltung bei der Einschätzung des erlebten Nutzens“, sagt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. So bezeichnen nur 26 Prozent der Befragten die verschriebene DiGA als für sie „unverzichtbar“, auf gut die Hälfte der Teilnehmenden trifft diese Aussage „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ zu. Auch in Bezug auf die Weiterempfehlung zeigen sich die Nutzer:innen reserviert: Nur 38 Prozent der Befragten würde Freunden oder Bekannten mit vergleichbarer Diagnose die genutzte DiGA sehr wahrscheinlich weiterempfehlen. Knapp ein Fünftel der Befragten hatte Probleme bei der Umsetzung der digitalen Therapieinhalte, weitere 28 Prozent gaben an, sie hätten teilweise Probleme gehabt. Für immerhin 15 Prozent der Versicherten passten die Inhalte nicht zu ihrer individuellen Krankheitssituation. „Die Ergebnisse spiegeln wider, dass die genutzten DiGAs nicht immer dem Bedarf und den Bedürfnissen der Versicherten entsprechen. Herkömmliche Therapien vor Ort wie beispielsweise die Physiotherapie bei Rückenbeschwerden sind in vielen Fällen die bessere Wahl – und verursachen für die Beitragszahlenden weniger Kosten als eine DiGA-Verordnung“, so Reimann. Der durchschnittliche Preis je DiGA liegt bei etwa 500 Euro für eine 90-tägige Nutzung.

Die befragten Versicherten sind ganz überwiegend (in 68 Prozent der Fälle) von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin auf die Möglichkeit der DiGA-Verschreibung hingewiesen worden. Ein knappes Drittel wurde durch eigene Recherche, Werbung oder Empfehlungen Dritter darauf aufmerksam. „Bei der Integration der DiGAs in die ärztliche Behandlung zeigen die Befragungs-Ergebnisse noch Verbesserungspotenzial“, betont die AOK-Vorständin. So wurde laut Umfrage-Ergebnissen mehr als ein Drittel der Befragten (37 Prozent) nicht über die Funktionen der genutzten DiGA informiert. Und das obwohl mit 94 Prozent die überwiegende Mehrheit angab, die Anwendung durch ein Rezept des Arztes oder Therapeuten erhalten zu haben, haben nur 38 Prozent ihr Nutzungsverhalten und die Resultate der DiGA-Anwendung mit ihrem Arzt oder Therapeuten besprochen.

Fast jeder Vierte bricht DiGA-Anwendung vorzeitig ab

Die „Apps auf Rezept“ wurden von den Versicherten vorwiegend über einen längeren Zeitraum genutzt. 5 Prozent der Befragten gaben aber auch an, ihre DiGA nur wenige Tage bis zu einer Woche genutzt zu haben. Bei Menschen, die sich zuvor als wenig digital affin beschrieben oder einen schlechten Gesundheitszustand angegeben hatten, war dies häufiger der Fall: So erklärten etwa 12 Prozent der Befragten mit schlechtem Gesundheitszustand, die verschriebene Anwendung nur wenige Tage bis zu einer Woche genutzt zu haben. Fast jeder Vierte (23 Prozent) gab an, die DiGA kürzer als vorgesehen genutzt zu haben. In der Gruppe der Befragten mit schlechtem Gesundheitszustand betraf dies sogar 30 Prozent. „Die GKV muss in diesen Fällen den vollen Preis für die Anwendungen bezahlen, obwohl die Versicherten sie nicht voll nutzen und die Therapie vorzeitig abbrechen. Sinnvoll wäre daher die verpflichtende Einführung von Test-Zeiträumen, in denen die Anwendung vor der eigentlichen Verordnung ausprobiert werden kann“, so Reimann.

Über die Befragung

Die Feldzeit der Befragung, die vom Marktforschungs-Institut „Produkt + Markt“ durchgeführt worden ist, lief vom 24. September bis zum 24. Oktober 2022. In diesem Zeitraum beteiligten sich 2.624 von insgesamt 20.879 postalisch angeschriebenen AOK-Versicherten an der Befragung. Diese Versicherten hatten zwei bis zwölf Monate vor der Befragung von der AOK einen Freischaltcode zur Aktivierung einer Digitalen Gesundheitsanwendung erhalten und eingelöst, nachdem sie zuvor eine entsprechende ärztliche Verordnung erhalten oder die DiGA selbst bei der Krankenkasse beantragt hatten. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 49 Jahren, 68 Prozent der Befragten waren Frauen. Die Angaben der Befragten zu den verordneten „Apps auf Rezept“ entsprechen dem Ranking der bisher am häufigsten verordneten und am längsten verordnungsfähigen DiGAs: Am häufigsten wurden die Adipositas-DiGA „zanadio“, die Tinnitus-Anwendung „Kalmeda“, die Rücken-DiGA „Vivira“, die Depressions-Anwendung „deprexis“, die Anwendung „somnio“ gegen Schlafstörungen sowie die inzwischen nicht mehr im DiGA-Verzeichnis enthaltene Migräne-Anwendung „M-Sense“ genannt.

Quelle: Pharma Relations

Symbolbild: Surface (Unsplash)


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