Seltene Erkrankungen zu diagnostizieren, stellt Ärztinnen und Ärzte oft vor Herausforderungen. Die Digitalisierung kann dabei helfen, eine Diagnose zu stellen – das Universitätsklinikum Frankfurt zeigt wie: Es ist federführend am Forschungsprojekt Smartes Arztportal für Betroffene mit Seltenen Erkrankungen (SATURN) beteiligt. Gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit entsteht eine Plattform, die Künstliche Intelligenz (KI) nutzt, um bei der Diagnosestellung zu helfen. Als Softwareexperte untersucht das Fraunhofer IESE im Projekt, wie mit Hilfe von KI bei geringen Datenmengen nachvollziehbare und transparente Verdachtsdiagnosen für Seltene Erkrankungen gestellt werden können.
Schätzungen zufolge leben allein in Deutschland rund vier Millionen Menschen mit einer der über 6.000 verschiedenen Seltenen Erkrankungen. Für Ärztinnen und Ärzte stellt die Diagnose bei den Betroffenen eine große Herausforderung dar, da es sich bei den Seltenen Erkrankungen um eine Gruppe sehr unterschiedlicher und komplexer Krankheitsbilder handelt, so dass die eigentliche Erkrankung meist nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.
Mit Software und digitalen Lösungen das Gesundheitswesen und die Medizin verbessern.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass es deutschlandweit nur wenige Expertinnen und Experten gibt, die die jeweiligen Seltenen Erkrankungen behandeln und weiter erforschen können: Die Datenlage ist entsprechend dünn. Zwar gibt es bereits erste digitale Lösungen wie Diagnose-Apps, die Verdachtsdiagnosen nennen. Diese Anwendungen lassen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte vor Ort aber noch mit ihren Patientinnen und Patienten allein. Eine Unterstützung bei der Planung weiterer Schritte findet nicht statt. Hier setzt das Projekt SATURN an.
Smartes Arztportal für Betroffene mit unklarer Diagnose
Das Smarte Arztportal für Betroffene mit unklarer Erkrankung, kurz SATURN, ist eine digitale Anwendung zur Unterstützung der Diagnosestellung. „Unser Ziel ist es, Ärztinnen und Ärzte in der Primärversorgung mit einem leistungsstarken Werkzeug zu unterstützen, das die Diagnose und Behandlung Seltener Erkrankungen erleichtert“, so Dr. Michael von Wagner, Leiter der Stabstelle Medizinische Informationsdienste und Digitalisierung am Universitätsklinikum Frankfurt. Mit Hilfe von KI werden im Portal Diagnosevorschläge erstellt, die sowohl auf dem Wissen von Expertinnen und Experten als auch auf realen klinischen Daten basieren. Darüber hinaus ist der Versorgungsatlas für Menschen mit Seltenen Erkrankungen - SE-ATLAS (www.se-atlas.de) als Datenbank über Expertinnen und Experten sowie Selbsthilfeorganisationen für Seltene Erkrankungen verbunden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IESE nutzen verschiedene Datenquellen, um ein KI-System zu entwickeln, das sowohl auf Expertenwissen als auch auf strukturierten und unstrukturierten Daten basiert und das die Diagnose von Seltenen Erkrankungen unterstützen kann.
In der Praxis sieht die Anwendung von SATURN wie folgt aus: Die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt gibt die Symptome der Patientin oder des Patienten in das SATURN-Portal ein. Diese Symptome werden mit den im Portal hinterlegten klinischen Daten verglichen. Als Ergebnis wird ein Diagnosevorschlag angezeigt. Bei häufigen Krankheitsbildern werden zusätzlich Handlungsanweisungen für das weitere Vorgehen gegeben. Mit Hilfe des integrierten SE-ATLAS kann dann das passende Zentrum bzw. der richtige Ansprechpartner für die jeweilige Diagnose gefunden und kontaktiert werden.
Damit das smarte Arztportal auch den Anforderungen im Praxisalltag gerecht wird, wurden während der bisherigen Entwicklung verschiedene Anforderungsanalysen mit Betroffenen und Behandlern durchgeführt. „Durch die aktive Einbindung von Patientinnen und Patienten sowie die Ärzteschaft in den Entwicklungsprozess stellen wir sicher, dass SATURN den realen Bedürfnissen im Gesundheitswesen entspricht“, erklärt Dr. Jannik Schaaf vom Institut für Medizininformatik an der Goethe-Universität.
Gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit
SATURN erhält vom Bundesministerium für Gesundheit seit dem 01. Januar 2022 eine Förderung, die noch bis zum 31.12.2024 läuft. Projektbeteiligte sind die Stabstelle Medizinische Informationssysteme und Digitalisierung am Universitätsklinikum Frankfurt, das Institut für Medizininformatik sowie das Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt, das Institut für Medizinische Informatik und Biometrie der Technischen Universität Dresden ebenso wie das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE in Kaiserslautern.
Die bisherigen Projektmeilensteine sowie die aktuelle Testversion von SATURN finden sich unter diesem Link: www.saturn-projekt.de
Bild: Stock.com/ipopba
Quelle: Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE