Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung ministerieller Digitalisierungsideen

DKG

Veröffentlicht 19.07.2024 08:30, Dagmar Finlayson

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert die im Kabinettsentwurf des Gesundheitsdigitalagenturgesetzes vorgesehene 2‑Prozent-Sanktionsregelung gegen die Krankenhäuser als kontraproduktiv und fatales Signal für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland. Nach Strafzahlungen zur Einführung der Telematikinfrastruktur und den Pönalen im Kontext des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) sollen nun die Kliniken per Sanktion gezwungen werden, ihre vorhandenen informationstechnischen Systeme nachträglich einem Konformitätsbewertungsverfahren zu unterziehen oder diese gegen Systeme mit Konformitätsbestätigung der gematik auszutauschen.

Dazu erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß:

„Es überrascht uns nicht, dass die Politik ein weiteres Mal den Hebel der Sanktion bemüht, um ihre Vorstellungen von der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu erzwingen. Die Eindimensionalität dieser Denkweise und das offenkundig fehlende Fachwissen über die im Einsatz befindlichen Systeme im Krankenhaus irritiert dann aber schon. Dabei wird das grundsätzliche Anliegen, mittels einer Konformitätsbewertung durch die gematik ein einheitliches Niveau für Interoperabilität herzustellen, im Kern unterstützt. Allerdings verkennt diese Form der Zwangsumstellung, dass bis heute keine Finanzierung der Betriebskosten von Digitalisierung im Gesundheitswesen vorgesehen ist. Weder in den derzeitigen Fallpauschalen noch den künftigen Vorhaltepauschalen wird der Betrieb komplexer digitaler Infrastrukturen in den Krankenhäusern berücksichtigt. Es erinnert an die politische Fehlleistung der Regierung beim Heizungsgesetz, wenn nun auch in den Krankenhäusern funktionierende Technik per Gesetz nicht mehr genutzt werden darf. Anders als beim Heizungsgesetz glaubt der Bundesgesundheitsminister, dass diese Zwangsmaßnahmen auch noch von den Krankenhäusern finanziert werden müssen.

Der Gedanke, Digitalisierung durch mehr Druck zu beschleunigen, ist dabei nicht neu. Während jedoch die „Zuckerbrot und Peitsche“-Mentalität der Spahn’schen KHZG-Sanktionsregelung durch gleichzeitige Investitionsförderungen noch eine realistische Chance zu mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen bot, da sie die Krankenhäuser – zumindest bis zum Auslaufen der Förderperiode im nächsten Jahr – in die Lage versetzte, die neue Technik und dafür notwendiges Personal auch bezahlen zu können, fehlt in der nun vorgesehenen Regelung jede Möglichkeit hierzu. Ohne über Sinn oder Unsinn von Zertifizierungen zu urteilen, besteht doch zumindest Einigkeit darüber, dass solche Verfahren ressourcenaufwendig sind. Diejenigen Anbieter, die entsprechende Verfahren durchlaufen, werden die Mehrkosten an die Krankenhäuser weitergeben. Und es dürfte auch Anbieter geben, die infolge der Unmenge an neuen gesetzlichen Anforderungen solche Verfahren aus Ressourcengründen nicht durchlaufen können. Hier scheint die derzeitige Regierung von der falschen Annahme auszugehen, dass die Krankenhäuser den Einsatz der informationstechnischen Systeme ähnlich wie den Stromanbieter frei wählen und vorhandene Systeme frei wechseln können. Dem ist nicht so. Tatsächlich müssen die Krankenhäuser künftig bei Wechselgedanken neben der Rückzahlung der Fördermittel nach dem KHZG und den Digitalisierungsabschlägen von insgesamt 3 Prozent einen weiteren Konformitätsabschlag von 2 Prozent in die Kalkulation miteinbeziehen. Die Ampelregierung, die sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben hat, schafft mit der sanktionierten Zwangsumstellung ein weiteres Bürokratiemonster. Dabei hat die Ampelregierung nicht einmal den Mut, die Abschlagsregelungen selbst auszuarbeiten, sondern legt die Ausgestaltung dieser Regelung erneut vertrauensvoll in die Hände der Selbstverwaltung.

Wer heute noch an „Einsparungseffekte durch Digitalisierung“ glaubt, hat sich noch nicht mit dem notwendigen Aufwand zur Absicherung dieser Systeme gegen Cyberbedrohungen auseinandergesetzt.

Während die DKG in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen hat, dass eine nachhaltige Finanzierung der Digitalisierung für deren erfolgreiche Umsetzung erforderlich ist, soll den Krankenhäusern nun künftig ein weiterer Abschlag drohen, wenn sie die unrealistischen Vorstellungen der Ampelregierung zum Einsatz von zertifizierter IT nicht umsetzen können. Deutlicher kann ein Offenbarungseid der Politik nicht ausfallen.“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist der Dachverband der Krankenhausträger in Deutschland. Sie vertritt die Interessen der 28 Mitglieder – 16 Landesverbände und 12 Spitzenverbände – in der Bundes- und EU-Politik und nimmt ihr gesetzlich übertragene Aufgaben wahr. Die 1.893 Krankenhäuser versorgen jährlich 17 Millionen stationäre Patienten (2022) und rund 22 Millionen ambulante Behandlungsfälle mit 1,4 Millionen Mitarbeitern. Bei 133 Milliarden Euro Jahresumsatz in deutschen Krankenhäusern handelt die DKG für einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor im Gesundheitswesen.


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