Telemedizin kann Versorgungslücken nach geplanter Krankenhausreform schließen

Studie

Veröffentlicht 26.07.2024 07:40, Dagmar Finlayson

Der Bosch Health Campus hat eine Machbarkeitsstudie zur Telemedizin in Baden-Württemberg beauftragt. Sie zeigt: Durch die geplante Krankenhausreform werden deutliche Versorgungslücken entstehen. Die gute Nachricht: Die Telemedizin kann diese Defizite nahezu vollständig schließen.

Wie groß werden die Versorgungslücken nach der geplanten Krankenhausreform in Baden-Württemberg sein? Und welches Potenzial hat die Telemedizin, Lücken zu schließen? Diesen Fragen ist die Machbarkeitsstudie Telemedizin Baden-Württemberg nachgegangen, die das Softwareunternehmen BinDoc GmbH im Auftrag des Bosch Health Campus durchgeführt hat.

Eine halbe Stunde Fahrtzeit oder mehr zu einem Krankenhaus, das die Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin oder Allgemeine Chirurgie anbietet – aktuell müssen das jeweils mehr als 300.000 Patientinnen und Patienten in Baden-Württemberg einplanen. Das bedeutet im Rahmen der Studie eine Unterversorgung für die beiden Leistungsgruppen. Wie eine modellhafte Simulation der Versorgungslandschaft in Baden-Württemberg zeigt, wird sich die Unterversorgung im stationären Bereich nach der Umsetzung der geplanten Krankenhausreform für diese beiden Bereiche mindestens verdoppeln.

Ländlicher Raum am meisten unterversorgt

In den in der Studie fokussierten Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie steigt eine nicht ausreichende Versorgung von jeweils drei Prozent in den beiden Bereichen nach der Krankenhausreform auf sechs bzw. acht Prozent an. Demnach müssten 686.252 bzw. 860.559 Bewohner:innen in Baden-Württemberg zu lange Fahrtzeiten in Kauf nehmen, um eine angemessene Behandlung zu erhalten. Die längsten Fahrtzeiten identifiziert die Machbarkeitsstudie im ländlichen Raum wie beispielsweise dem Schwarzwald oder der Schwäbischen Alb. Patient:innen in städtischen Regionen wie Stuttgart oder Heidelberg sind dagegen am kürzesten unterwegs.

Telemedizin als Schlüssel für künftige Versorgungssicherheit

Des Weiteren wurde untersucht, inwieweit der Einsatz von Telemedizin eine mögliche Lösung für die gestiegene Unterversorgung durch die geplante Krankenhausreform sein kann. Die Auswertung macht deutlich, dass die nicht ausreichende Versorgung in beiden Leistungsgruppen durch telemedizinische Unterstützung jeweils nahezu vollständig kompensiert werden könnte. So verbessert sich die Fahrtzeit im Bereich Allgemeine Innere Medizin für 364.092 Personen, die Unterversorgung sinkt von sechs auf 3,28 Prozent. Für die Allgemeine Chirurgie sind es 420.071 Personen und eine Verringerung der Unterversorgung von acht auf 3,78 Prozent. Eine telemedizinische Kompensation liegt dabei vor, wenn beispielsweise Ärzt:innen eines Krankenhauses bei komplexen Behandlungen digital von Spezialist:innen eines anderen Krankenhauses im Sinne von sogenannten Telekonsilen beraten werden. Besonders der ländliche Raum profitiert von der Aktivierung einer solchen telemedizinischen Unterstützung.

„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Telemedizin ein fester Bestandteil in der Versorgung werden sollte, damit eine patientengerechte, wohnortnahe Behandlung auch in Zukunft möglich sein wird. Das Potenzial, durch Telemedizin Versorgungslücken in Baden-Württemberg fast vollständig zu schließen und dabei noch Ressourcen einzusparen, dürfen wir nicht ungenutzt lassen“, sagt Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Geschäftsführer des Bosch Health Campus.

Die Studie verzeichnet außerdem einen geringeren Ressourcenbedarf an den untersuchten Klinikstandorten durch telemedizinische Unterstützung. So sind für die Allgemeine Innere Medizin beispielsweise 20 Krankenhausstandorte weniger für eine vergleichbare Versorgungssituation notwendig, bei der Allgemeinen Chirurgie sogar 22.

„Es ist an der Zeit, Telemedizin in Baden-Württemberg flächendeckender einzusetzen, die Einrichtungen telemedizinisch untereinander zu vernetzen und so das enorme Potenzial für die Gesundheitsversorgung auszuschöpfen. Dazu gehört auch, solche digitalen Ansätze den Menschen näher zu bringen und greifbarer zu machen“, sagt Prof. Dr. Oliver G. Opitz, Leiter des Bosch Digital Innovation Hub am Bosch Health Campus.

Für die restlichen Leistungsgruppen zeichnet sich ein noch deutlicheres Ergebnis ab, die Lücken in der stationären Versorgung durch den Einsatz von Telemedizin erheblich verringern zu können.

Hintergrund zur Studie

Betrachtet wurde die Versorgung in der baden-württembergischen Krankenhauslandschaft vor (ex ante) und nach (ex post) der Krankenhausreform. Untersucht wurden insgesamt 269 Krankenhausstandorte und 60 Leistungsgruppen (LG) mit Fokus auf die Allgemeine Innere Medizin und die Allgemeine Chirurgie. Diese beiden Gruppen machen laut Analysen der BinDoc GmbH zusammen circa 40 Prozent der stationären Fälle in Deutschland aus. Die Ergebnisse aus den beiden Leistungsgruppen wurden dazu verwendet, modellhaft mögliche Lösungsansätze zur Vermeidung von Versorgungslücken durch Telemedizin aufzuzeigen.

Über den Bosch Health Campus

Der Bosch Health Campus vereint alle Institutionen und Förderaktivitäten der Robert Bosch Stiftung im Bereich Gesundheit mit den vier Säulen Behandeln, Forschen, Bilden und Fördern. Mit seinen interdisziplinär vernetzten Einrichtungen und mehr als 3000 Mitarbeitenden hat es sich der Bosch Health Campus zur Aufgabe gemacht, innovative Lösungen für die großen Herausforderungen des Gesundheitswesens anzubieten.

Zum Bosch Health Campus gehören das Robert-Bosch-Krankenhaus, das Dr. Margarete Fischer-Bosch Institut für Klinische Pharmakologie, das Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen, das Robert Bosch Centrum für Integrative Medizin und Gesundheit, das Institut für Geschichte der Medizin, der Bosch Digital Innovation Hub, das Irmgard-Bosch-Bildungszentrum sowie das Robert Bosch Centrum für Innovationen im Gesundheitswesen.

Mehr unter https://www.bosch-health.campus.de

Quelle Text/Grafik: Bosch Health Campus


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