Geschärfter Blick dank Augmented Reality

UKB

Veröffentlicht 20.09.2024 08:00, Dagmar Finlayson

Während einer Operation am Gehirn ermöglicht die Neuronavigation eine millimetergenaue Orientierung. Sie definiert in einem Operationsfeld beispielsweise Tumorgrenzen oder bestimmte Gehirnbereiche. Die Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Bonn (UKB) hat in zwei Operationssälen jeweils ein hochmodernes Neuronavigationssystem mit einem Investitionsvolumen von 1,7 Millionen Euro in Betrieb genommen. Es hat viele neue Funktionen wie die Integration der Navigationsdaten in das Mikroskop und somit direkt ins Blickfeld des Neurochirurgen durch erweiterte Realität (Augmented Reality). Neben einer erhöhten Präzision bietet es unter anderem noch mehr Sicherheit.

Die computergesteuerte Neuronavigation bietet dem Neurochirurgen eine hohe Präzision. Das Kernstück ist eine Computersoftware, die eine genaue Planung von Eingriffen und Operationen ermöglicht. Aus den Daten der Computer- oder Kernspintomographie der zu operierenden Person wird zunächst ein hochauflösendes dreidimensionales Bild berechnet. Die jetzt am UKB genutzte Software ist modular aufgebaut. „Die Server basierte Lösung mit Betrieb auf einer virtuellen Maschine ermöglicht uns eine Behandlung oder Operation vollständig am Schreibtisch zu planen, und zwar auch mit Kolleginnen und Kollegen in weiterer Entfernung“, sagt PD Dr. Valeri Borger, Leitender Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie am UKB. „Wir können genau die Route festlegen, auf der wir keine wichtige Gehirnstruktur zerstören. Dabei wird unsere Planung jetzt durch halbautomatisierte Algorithmen mit hinterlegten Mustern oder Vorlagen, quasi wie ein Anatomie-Atlas des Gehirns, beschleunigt.“

Stetig aktualisierte „3D-Landkarte“ des Gehirns

Das virtuelle Modell wird dann im OP auf Monitore hochgeladen und mittels einem mobilen optischen Systems mit 3-D-Kamera kontinuierlich während des Eingriffes mit den realen anatomischen Verhältnissen der zu operierenden Person abgeglichen. Die Kamera ortet zusätzlich das Operationsinstrument. „Das Navigationssystem zeigt mir dadurch auf dem Monitor ganz genau an, wo dessen Spitze hindeutet und wo im Hirn sich dieser Punkt befindet“, sagt Borger. Eine Neuerung stellt die Möglichkeit einer elektromagnetischen Navigation dar, die nun zusätzlich neben der klassischen optisch basierten Neuronavigation im technischen Repertoire der Neurochirurgie zum Einsatz kommt. Hierbei muss während der OP der Kopf nicht wie üblich in eine Kopfklemme eingespannt werden. Das ist vor allem ein Vorteil bei Kindern.

Visualisierung geplanter Schnittführung im Mikroskop

Noch präziser wird die Operation jetzt durch die neue Mikroskop-Integration, mit der eine Visualisierung über Kopplung möglich ist, das heißt die dreidimensionalen Bilder zur OP-Planung werden auch in das Mikroskop-Bild eingespielt. „In dieser Art Augmented Reality habe ich jetzt beispielweise im Vorfeld geplante Resektionsgrenzen für einen Tumor oder die zu schonende motorischen Bahnen direkt in meinem Blickfeld“, sagt Neurochirurg Borger. Eine robotische Komponente des Mikroskops stellt – die Bewegungen des Gehirns ausgleichend – den zu operierende Bereich immer scharf: „Das ist ein Komfort für uns, es beschleunigt den Eingriff und bietet mehr Sicherheit.“

Highend-Gerät mit hochauflösendem Ultraschall integriert

Neu ist auch der intraoperative Ultraschall, das komplett in die Neuronavigation integriert ist. „Die Revolution ist, dass wir unkompliziert beliebig oft und schnell während der OP eine Aufnahme machen können und dieses auch in 3D. Dadurch erhalten wir ein Update der OP-Planung und können die einzelnen Operationsschritte verfolgen“, sagt Oberarzt Borger. Zudem gibt es jetzt einen Roboter-Arm für den Tisch mit integrierter Neuronavigation und verschiedenen Einsatzmöglichkeiten wie Wirbelsäulenchirurgie, Implantation von Elektroden oder Biopsien, aber keine Resektionen beispielsweise von Tumoren. „Wir können auch hier auf den einschränkenden Stereotaxie-Rahmen verzichten und haben mit dem Roboter mehr Freiheitsgrade im Raum. Zudem ist der Eingriff schneller und weniger aufwendig“, sagt Borger, der mit dem neuen Neuronavigationssystem voll zufrieden ist: „Die Integration funktioniert einwandfrei und die Navigation ist schnell einsatzbereit. Wir haben Zusatzinformationen bei der Planung einer OP, zudem eine erhöhte Sicherheit und eventuell auch besseres Outcome. Vieles kennen wir Neurochirurgie-Teams schon wie unsere Westentaschen und können so die neuen Funktionen der hochmodernen Neuronavigation schnell nutzen.“

Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB finden pro Jahr etwa 500.000 Behandlungen von Patient*innen statt, es sind ca. 9.500 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,8 Mrd. Euro. Neben den 3.500 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr 550 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, hatte in 2023 in der Forschung über 100 Mio. Drittmittel und weist den zweithöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB mit Platz 1 unter den Uniklinika in der Kategorie „Deutschlands Ausbildungs-Champions 2024“ ausgezeichnet.

Bild: (v. li) Lava Kalo, PD Dr. Valeri Borger, Amirhossein Babaee schätzen die neue hochmoderne Neuronavigation im neurochirurgischen OP am Universitätsklinikum Bonn.

Quelle: Universitätsklinikum Bonn (UKB)


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