Sepsis erkennen und früh handeln: Wie moderne Medizin Leben rettet – auch mit KI - Sepsis (Blutvergiftung) ist eine oft unterschätzte, aber lebensbedrohliche Erkrankung. Warum sie so gefährlich ist, wie man sie erkennt – und wie Künstliche Intelligenz bei Vivantes Ärzt*innen bei der Früherkennung unterstützt.
Sepsis ist ein medizinischer Notfall. Dabei sind die Warnzeichen meist da – sie müssen nur erkannt werden. Moderne Medizin, interdisziplinäre Zusammenarbeit und jetzt auch Künstliche Intelligenz helfen dabei, Leben zu retten.
Was ist eine Sepsis – und warum ist sie so gefährlich?
Die Sepsis, umgangssprachlich auch „Blutvergiftung“ genannt, gehört zu den häufigsten Todesursachen auf Intensivstationen – noch vor Lungenentzündung oder multiresistenten Keimen. Sie entsteht, wenn der Körper eine Infektion hat und dann außer Kontrolle gerät: Die Immunreaktion richtet sich dann nicht nur gegen Erreger wie Bakterien oder Viren, sondern schädigt auch das eigene Gewebe und lebenswichtige Organe.
„Bei einer Sepsis kommt es oft in kurzer Zeit zu einem Kreislaufversagen und zu einem Multiorganversagen. Je schneller wir reagieren, desto besser sind die Überlebenschancen“, erklärt Dr. med. Timur Puschmann, MBA, DESA, Chefarzt der Kliniken für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am Vivantes Klinikum Am Urban und am Vivantes Klinikum Neukölln.
"Schon bei Verdacht auf eine Sepsis leiten wir sofort lebenserhaltende Maßnahmen ein: eine gezielte Antibiotikatherapie, Flüssigkeitsgabe zur Kreislaufstabilisierung und intensivmedizinische Überwachung".
Bild: Chefarzt, Kliniken für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Vivantes Klinikum Neukölln und Vivantes Klinikum Am Urban Dr. med. Timur Puschmann, MBA, DESA
Wie entsteht eine Sepsis?
Eine Sepsis entwickelt sich nicht plötzlich, sondern fast immer aus einer scheinbar harmlosen Infektion – etwa:
- einer Lungenentzündung,
- einem Harnwegsinfekt,
- einer Grippe oder
- nach einem chirurgischen Eingriff oder aus anderen Infektionen.
Der Körper versucht, die Erreger zu bekämpfen – doch die Abwehrreaktion läuft aus dem Ruder. Das Immunsystem schädigt dann auch körpereigene Strukturen, es kommt etwa zu:
- Entzündung im ganzen Körper (systemische Reaktion)
- Durchblutungsstörungen
- Gerinnungsstörungen
- Versagen von Herz, Lunge, Niere oder Leber
Frühe Anzeichen einer Sepsis können sein:
- plötzlich auftretende Verwirrtheit oder Wesensveränderungen
- schnelle Atmung oder Atemnot
- hoher Puls, aber niedriger Blutdruck
- extreme Schwäche, Krankheitsgefühl, Schüttelfrost
- kalte, fleckige oder feuchte Haut
- starke Schmerzen oder Unwohlsein
„Wenn ein oder mehrere dieser Symptome plötzlich auftreten – vor allem bei einer bestehenden Infektion – muss immer an eine mögliche Sepsis gedacht werden. Dann heißt es: Keine Zeit verlieren“, so Dr. Puschmann. „Wenn Sie sich plötzlich sehr krank fühlen oder die oben genannten Symptome auftreten – zögern Sie nicht. Suchen Sie umgehend ärztliche Hilfe.“
Risikogruppen für eine Sepsis sind:
- ältere Menschen über 60 Jahre
- Menschen mit chronischen Erkrankungen (z. B. Diabetes, COPD)
- Patient*innen mit Krebs oder immunsuppressiver Therapie
- Personen ohne Milz (z. B. nach Splenektomie)
- Patient*innen nach größeren Operationen
Wie wird eine Sepsis behandelt?
Die wichtigste Maßnahme: Schnelles Handeln! Die ersten 60 Minuten sind entscheidend. Dr. Puschmann betont: „Schon bei Verdacht auf eine Sepsis leiten wir sofort lebenserhaltende Maßnahmen ein: eine gezielte Antibiotikatherapie, Flüssigkeitsgabe zur Kreislaufstabilisierung und intensivmedizinische Überwachung. Auch Blutuntersuchungen und mikrobiologische Tests müssen schnell erfolgen.“
Bei verspäteter Behandlung sinken die Überlebenschancen rapide:
- 90 % Überleben bei Behandlung innerhalb der ersten Stunde
- Nur noch 60 % nach fünf Stunden
Wir setzen KI-gestützte Systeme als Frühwarninstrument ein. Sie analysieren kontinuierlich die Patient*innendaten und schlagen Alarm, wenn sie ein Sepsisrisiko entdecken.
Wie Künstliche Intelligenz bei Vivantes vor Sepsis warnt
Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt das medizinische Personal bei Vivantes bei der Früherkennung von Sepsis, Delir und akutem Nierenversagen – und zwar auch auf anderen Stationen als der Intensivmedizin, wo die Menschen ohnehin sehr eng vom medizinischen und pflegerischen Personal betreut und bewacht werden.
„Wir setzen KI-gestützte Systeme als Frühwarninstrument ein. Sie analysieren kontinuierlich die Patient*innendaten und schlagen Alarm, wenn sich Muster zeigen, die auf ein Risiko hindeuten – etwa steigende Entzündungswerte oder auffällige Vitalparameter“, erklärt Dr. Puschmann.
Was KI im Krankenhaus leisten kann – und was nicht
So funktioniert das System: Die Software läuft im Hintergrund auf den Stationen. Sie wertet Laborwerte, Vitaldaten und klinische Dokumentation automatisch aus. Wird ein Risiko erkannt, erscheint eine Warnmeldung für das ärztliche und pflegerische Personal.
Dabei entscheidet nicht die KI selbst – sondern immer die behandelnden Ärzt*innen. Sie erhalten aber eine wertvolle Frühinformation, die im Ernstfall Leben retten kann. So wird der Mensch unterstützt, aber nie ersetzt. Die KI-Systeme bei Vivantes sind medizinisch zertifiziert und dienen also als Frühwarnsystem. Die Systeme wurden in Pilotprojekten getestet und sind jetzt in vielen Fachkliniken von Vivantes im Einsatz.
Kann man einer Sepsis vorbeugen?
Eine Sepsis ist nicht immer vermeidbar – aber es gibt wirksame Vorsorge:
- Impfungen wahrnehmen: z. B. gegen Grippe (Influenza) und Pneumokokken, besonders bei älteren Menschen oder nach Milzentfernung
- Chronische Infektionen (z. B. Harnwegsinfekte) ernst nehmen und frühzeitig behandeln
- Nach Operationen oder Krankenhausaufenthalten auf Symptome achten
- Ärztliche Hilfe suchen, wenn sich der Zustand plötzlich verschlechtert
„Wir sehen oft, dass Patient*innen zu spät kommen – weil sie die Zeichen nicht einordnen konnten oder dachten, es sei nur ein grippaler Infekt. Darum ist Aufklärung so wichtig. Wenn Sie sich plötzlich sehr krank fühlen: lieber einmal zu viel in die Klinik als zu wenig“, rät Dr. Puschmann.
Spätfolgen nach überstandener Sepsis
Viele Patient*innen berichten nach einer überstandenen Sepsis über langfristige Beschwerden, wie etwa:
- Müdigkeit, Konzentrationsstörungen
- Belastungseinschränkungen
- psychische Beschwerden wie Angst oder Depression
- Schwierigkeiten bei der Rückkehr in den Beruf
Auch deshalb ist die Sepsis nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich ein bedeutendes Thema.
Quelle: © Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH
Symbolbild: Igor Tichonov / AdobeStock