Führende Frauen in medizinischen Fachgesellschaften Fehlanzeige

Veröffentlicht 16.09.2025 15:00, Kai Wehrs

Frauen sind in den Führungsgremien medizinischer Fachgesellschaften trotz ihres wachsenden Anteils im Beruf weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die jetzt open access in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (DMW) veröffentlicht wurde.

Foto: (v.l.): DIVI-Präsident Professor Florian Hoffmann (Helmut Biess), Louisa Jahnke – Mitautorin des Papers und Vertreterin der Jungen DIVI (Helmut Biess) – und DIVI-Generalsekretär Uwe Janssens (Thomas Weiland)

  „Die Zahlen sprechen eine klare Sprache“, sagt DIVI-Präsident Professor Florian Hoffmann, waren aber bereits ein Anlass für die DIVI selbst, in den eigenen Strukturen die Frauen sichtbarer zu machen. „Wir haben mittlerweile in unseren Sektionen 14 Sprecherinnen und 18 Sprecher, also fast ein ausgewogenes Verhältnis“, so der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Dritter Orden München-Nymphenburg. Männerdominierte Netzwerke verhinderten die nachhaltige Förderung und Sichtbarkeit von Frauen in den Fachgesellschaften – und damit schließlich auch im Beruf.

1.460 Vorstandsmitglieder zählte die DIVI bei 183 medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland. „Aber nur rund ein Drittel der Führungspositionen in den Vorständen und der Präsidien sind mit Frauen besetzt“, bemängelt Louisa Jahnke, Mitautorin des Papers und Vertreterin der Jungen DIVI im Präsidium. Noch geringer sei der Anteil mit Blick auf die Präsidentschaft, also die Führung der Fachgesellschaft, weiß die Assistenzärztin an der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerzmedizin im St. Marien Hospital Lünen.

Nur jede vierte medizinische Fachgesellschaft wird weiblich geführt

„47 Fachgesellschaften werden derzeit durch eine Präsidentin geführt. Das ist ein Verhältnis von eins zu drei“, so Jahnke. Im Vergleich läge der Frauenanteil im Medizinstudium seit Jahren bei über 60 Prozent. „Wir müssen hier gezielt gegensteuern, um auf dem Weg nach oben nicht zu viele kluge, engagierte Kolleginnen zu verlieren!“

„Die Gründe für diesen Missstand sind vielfältig, aber nicht neu“, weiß DIVI-Generalsekretär Uwe Janssens, Direktor der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin im St.-Antonius-Hospital Eschweiler. „Es gibt nach wie vor strukturelle Hürden – von intransparenten Auswahlverfahren bis hin zu tradierten Rollenbildern, die Frauen doppelt belasten und Karrieren erschweren. Gleichzeitig fehlen weibliche Vorbilder und Netzwerke, die Frauen gezielt fördern – aber das lässt sich ändern, wenn man gezielt daran arbeitet und wie durch unsere Analyse auch noch einmal deutlich darauf gestoßen wird!“

Kulturwandel gefordert: mehr Mentoring, mehr Kongressbeteiligung

Die DIVI fordert einen tiefgreifenden Kulturwandel – nicht nur innerhalb der eigenen Strukturen, sondern im gesamten System der medizinischen Fachgesellschaften. „Mentoring-Programme, transparente Wahlprozesse, familienfreundlichere Rahmenbedingungen, gezielte Ansprache und aktive Beteiligung von Frauen auf Kongressen – all das sind Maßnahmen, die wir konsequent umsetzen müssen“, unterstreicht Uwe Janssens mit Blick auf die Zukunft.

Die DIVI habe mit Formaten wie „Empowered Women in Medicine“ und paritätisch besetzten Gremien in der Jungen DIVI bereits einige wichtige Impulse gesetzt, zeigt Louisa Jahnke auf. Auch ein Mentoring-Programm mit Mentorinnen und Mentees wurde auf dem letzten DIVI-Kongress gestartet und sehr gut angenommen. Zudem sei in diesem Jahr jedes Präsidentensymposium paritätisch besetzt wie auch in weiteren Veranstaltungen bewusst ein ausgewogenes Verhältnis von Vortragenden zusammengestellt worden.

Noch ein weiter Weg: „Wir halten uns hier alle selbst den Spiegel vor!“

Die DIVI fasst sich mit Blick auf ihr Präsidium mit zehn Männern und zwei Frauen aber auch an die eigene Nase: „Es ist noch ein weiter Weg!“, so Präsident Hoffmann. „Aber wir haben angefangen und sind die ersten Schritte bereits gegangen.“ In einer Podiumsdiskussion auf dem DIVI-Kongress wird zudem genau das Thema Frauenförderung und Karrierewege mit Alt und Jung sowie Frau und Mann diskutiert.

Hoffmann hatte im Januar zu Beginn seiner Präsidentschaft die Förderung von Frauen zu einem seiner Schwerpunkte erklärt. „Die gesamte DIVI muss sich weiterentwickeln – wie sehr viele andere Fachgesellschaften in Deutschland ebenfalls! Wir halten uns hier alle selbst den Spiegel vor und müssen dranbleiben!“

Das Paper „Anteil von Frauen in Vorständen und Präsidien von 183 Fachgesellschaften der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)“ kann open access bei der DMW abgerufen werden.

Hintergrund:
Die Analyse – und das darauf basierende Positionspapier – wurde durch ein interdisziplinäres Team aus vier DIVI-Mitgliedern und einer Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erstellt. Neben DIVI-Präsident Prof. Florian Hofmann und DIVI-Generalsekretär Prof. Uwe Janssens waren die Vertreterin der Jungen DIVI, Louisa Jahnke, sowie die Vertreterin der Gesundheitsfachberufe im DIVI-Präsidium, Dr. Teresa Deffner, beteiligt. Dr. med. Monika Nothacker unterstützte als stellv. Leiterin des AWMF-Instituts für Medizinisches Wissensmanagement.

Bild & Quelle: ©  DIVI


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