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Titelthema
Berücksichtigt man die erzwungene Umsetzung von Projek- (können). Das merkt der Bürger dann zwar im Rahmen der
ten - die man eventuell nicht gefördert bekommt –, weil man Versorgung, aber der Staat hat mit dem KHZG natürlich alles
ansonsten mit einer Malus-Regelung über die Bundespflege- für die Zukunft eines jeden Krankenhauses getan. Es sollte nur
satzverordnung (ab 2025) bestraft wird, muss man sogar von niemand glauben, dass sich an der grundsätzlichen Intention des
erhöhtem und unwiederbringlichen Aufwand in verschiedenen Abbaus von „Betten“ und „Krankenhäusern“ post-Corona etwas
Fällen und Krankenhäusern ausgehen. Das passt dann wieder in ändern würde oder gar bis dahin geändert hätte. Nach Corona
das übliche Prä-Corona-Szenario (Bertelsmann und andere): werden alle Weichen wieder auf die ursprünglich geplante Fahr-
„zu viele Krankenhäuser“, „(zu) hohe Kosten der Versorgung“, strecke zurückgestellt, und auf die Makulatur wird nur in weni-
„zu teures Gesundheitssystem“, aber „wir als Staat schließen ja gen Fällen auch Farbe aufgetragen werden. Was bedeutet, im
keine Krankenhäuser…“. Nein, wir schaffen nur Rahmenbedin- System fehlt weiterhin jede Menge Geld für den Betrieb dieser
gungen, dass Krankenhäuser aus eigener Kraft insolvent werden Lösungen (und Personal).
Fallstricke für IT, Medizin und Grenzen seit Jahren zeigt, fährt man ohne wiederum Ressourcen abverlangt, die
Geschäftsführung solche Modelle bei übergreifenden Inte- dann an anderer Stelle fehlen oder dort
Der Begriff der „Digitalisierung“ ist für ressen (und folglich Projekten) deutlich nicht mehr finanziert werden können.
das deutsche Gesundheitswesen tat- besser. Zwar liefert das KHZG einige Man darf sich schon fragen, warum
sächlich in keiner Weise definiert. Es Ideen und man kann mit hinreichendem andere europäische Länder ganz andere
gibt weder eine erkennbare bundesweite Willen die Denk-Ansätze identifizieren, Digitalisierungsprojekte vorn auf die
Strategie noch erkennbare übergreifende aber es mangelt an einheitlicher Struk- Agenda gesetzt haben. Und mit ihren
Konzepte. Auch nicht über die Förder- tur in den verfügbaren Produkten, die Ergebnissen deutlich weiter sind. Allein
tatbestände. Trotzdem muss man aner- durch den freien Markt produziert wer- die organisatorischen Herausforderun-
kennen, dass ein Bemühen in einzelnen den (sollen). Tatsächlich möchte jeder gen für das „bespielen“ der Akte für den
Fördermaßnahmen zu sehen ist. Das Ein- Anbieter von „IT“ auf der Pole-Position Patienten durch das Krankenhaus sind
zige, was es gibt, sind jede Menge Einzel- stehen und den Löwenanteil vom poten- erheblich und nur 2020 (schon mal
aktionen und Aktionismus, zumeist ohne ziellen „Umsatz“ mitnehmen. Einen ent- durch…) und 2021 vergütet. Einmalig
erkennbaren Kontext. Außerdem schein- sprechenden Tenor haben folglich derzeit mit 10 Euro an das Krankenhaus. Für
bar „Gottvertrauen“ (fehlplatziert bei der viele Medienbeiträge von IT-Unterneh- einen dauerhaften Aufwand, denn Pati-
Trennung von Staat und Kirche) in die men rund um das Gesundheitswesen. In enten kommen durchaus wieder. Vor
Selbstverwaltung und die Industrie – bei diesem Kontext darf somit bezweifelt allem regional. Nicht weil sie wollen, aber
fehlendem Altruismus beider Institutio- werden, dass die „Expertise“, die über das häufig weil sie müssen, und dann soll die
nen und ihrer Teilnehmer – und anschei- Beratermodell für die Projektanträge an Akte ja „vollständig“ sein. Dagegen ist der
nend die Hoffnung, dass alles, was nicht Bord kommen soll, tatsächlich tragfähig „Wert“ der verfügbaren Information eher
geregelt ist, sich schon irgendwie regeln ist. Viel zu groß ist die Wahrscheinlich- unbestimmt. Auch die Frage, wie soll der
wird. Doch wie soll das geschehen? Durch keit, dass die „IT-Berater“ mit ihren über- Arzt die relevanten Punkte finden und
die Initiative von wem? Unternehmen? lieferten Blaupausen und persönlichen wie sieht es mit der Haftung aus, wenn er
Start-Ups, die, wenn sie denn gehandelt Vorstellungen daherkommen. darauf eine Diagnose gründet, stellt sich
haben, anschließend „wegreguliert“ wer- Apropos „Digitale Gesundheitsakte“ weiterhin.
den, siehe z.B. einige Modelle privater in der Telematikinfrastruktur: Was wird Die organisatorische Herausforde-
Anbieter von Gesundheitsakten, die im dadurch in der Gesundheitsversorgung rung für die Krankenhäuser ist immens,
Vorgriff auf vollmundige Ankündigungen tatsächlich besser? Welcher „Patient“ und das bedeutet für die Unterneh-
ins Risiko gegangen sind und jede Menge kann den Nutzen tatsächlich bewer- mensleitungen auch die Frage nach den
Geld versenkt haben? Vor allem die oben ten oder gar verstehen, was an diesem Prozesskosten. Die Haltung des Gesetz-
angerissene Sektorentrennung stellt „Marketinginstrument“ aus den frühen gebers entspricht auch in diesem Fall der
in Deutschland durch die vielen Parti- 2000ern (zur Erinnerung: damals hieß Annahme, diese Themen über die soge-
alinteressen ein Grundsatzproblem für das noch „eGK“) an Regelungswahn- nannten „eh da“-Kosten lösen zu können.
alle Projekte im Gesundheitswesen dar. sinn hängt, und dessen organisatorische Das Personal für diese Aufgaben ist „eh
Wie uns der Blick über die europäischen Abwicklung den Leistungserbringern da“ (und hat scheinbar zu wenig zu tun…).
Krankenhaus-IT Journal 1 /2021
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