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gegenüber, unter anderem die bedin-  werden.“ Das heißt, deren Funktionalität,
                                                gungslos verteidigte Sektorentrennung   Kompatibilität und Sicherheit gewähr-
                                                und der Glaube an die freie Marktwirt-  leisten und sicherstellen, dass sie von
                                                schaft in einem regulierten Markt der   allen Akteuren im Gesundheitswesen
                                                Leistungserbringer,“ ist Michael Thoss,   genutzt werden könnten.
                                                IT-Manager und Autor, skeptisch.   „Wir wollen mit der TI Entlastung für
                                                  Technische Standards bringen v.a.   medizinische Behandler und Mehrwerte
                                                Patientensicherheit und eine bessere   für Nutzer und Anbieter schaffen,“ stellt
                                                Behandlung. Kliniken können sich bes-  Dr. Markus Leyck Dieken, Geschäftsfüh-
                                                ser auf die Dokumentation verlassen   rer der gematik, fest. Das gehe nur mit
                                                und (künstliche) Algorithmen arbeiten   einer modernen Plattform für Digitale
                                                präziser. Für technische und ökonomi-  Medizin. Das Ideenpapier dazu gehe
                                                sche Aspekte für Klinikbetreiber merkt   nun in den Fachaustausch. Deutschlands
                                                Prof. Sylvia Thun (Berliner Institut für   Infrastruktur für digitalen Austausch im
                    Dr. Markus Leyck Dieken, gematik  Gesundheitsforschung, Professorin für   Gesundheitswesen erlebe einen grundle-
                                                Informations- und Kommunikations-  genden Wandel. Mit der TI 2.0 stellt die
               IT-Personal qualifizieren        technologien im Gesundheitswesen) an:   gematik komplexe, aber klare Grundbe-
               Digitale Kenntnisse von Mitarbeitern   „Zudem ist ein Krankenhaus nicht mehr   dingungen wie Nutzerzentriertheit, Inte-
               haben entscheidenden Einfluss auf die   so abhängig von einem Anbieter, da die   roperabilität und einen stabilen sicheren
               Tragfähigkeit von Geschäftsstrategien   Altdaten einfacher übernommen wer-  Betrieb in den Mittelpunkt der Konzep-
               und tragen zu mehr Erfolg, Produktivi-  den können. LOINC Codes z.B. wur-  tion vor.
               tät und verbesserten Arbeitsabläufen bei.   den nie implementiert, und gerade jetzt   Diese „moderne“ Plattform für Digi-
               Ein Großteil der Unternehmen hierzu-  in der Corona-Krise hätte man diese so   tale Medizin“ nutzt der Telemedizin für
               lande will verstärkt in digitales Know-  sehr benötigt, um verschiedene Laborme-  medizinische Anwendungen, bei denen
               how investieren. Das ist eine positive   thoden- und untersuchungen präzise zu   die Überwindung einer räumlichen Tren-
               Entwicklung. Zugleich zeigt sich aber,   beschreiben. Statt dessen erfindet jeder   nung zwischen Arzt und Patient oder
               dass es noch Nachholbedarf bei Investiti-  Hersteller eigene Codes und Begriffe.   zwischen Ärzten  untereinander durch
               onen in das bestehende IT-Personal gibt.   Das ist – nicht nur in einer Pandemie–  Zuhilfenahme  von Informations-  und
               Verfügt das Haus über genügend qualifi-  sehr gefährlich.“       Kommunikationstechnologien im Vor-
               ziertes IT-Personal? Aus einer veralteten                        dergrund stehen.
               IT muss der Sprung in eine veränderte   Interoperabilität sicherstellen
               technologische,  organisatorische  Welt   Durch eine leistungsfähige und flächen-
               gelingen.                        deckende Netz- und Kommunikationsin-
                  Welcher Part beim Investitionsschub   frastruktur wird ein offener und gesicher-
               soll selbst durchgeführt oder im Sinne   ter Datenraum ermöglicht. Verfahren zur
               einer „Make-or-Buy-Entscheidung” an   Herstellung von technischer und seman-
               externe IT-Partner vergeben werden,   tischer Interoperabilität sind notwendig,
               besonders bei der Infrastruktur?  um die Verbindlichkeiten und Anreize
                  Diese Option kann es ermöglichen,   zur Nutzung von Standards zu schaffen.
               vorhandenes IT-Personal für höherwer-  Hieran sind alle Stakeholder zu beteili-
               tige Aufgaben einzusetzen und stärker   gen. Eine sektorübergreifende Kommu-
               auf  die  Prozesskompetenz  zu  konzent-  nikation setzt grundsätzlich die Einbin-
               rieren statt auf Infrastrukturbetrieb und   dung aller an der Versorgung beteiligten
               -administration.                 Akteure voraus. Dies ist bei der Weiter-
                                                entwicklung der Telematikinfrastruktur
               Standards für eine bessere       zu berücksichtigen. Einen Technologie-
               Behandlung                       sprung dazu verspricht die gematik. Ihr
               Offenbar sind Krankenhäuser durchaus   wesentliches Tätigkeitsfeld „ist die Kon-
               bereits digitalisiert, wenn man auf die   zeption der Telematikinfrastruktur. Dies
               internen Strukturen blickt (Versorgungs-  beinhaltet die Definition rechtsverbind-
               technik, Medizintechnik, Informations-  licher Standards und Spezifikationen für
               technik). „Bei der externen Vernetzung   alle Komponenten und Dienste, die in   Marcus Kremers,
               stehen dem jedoch ganz andere Hürden   der Telematikinfrastruktur  verwendet   MedEcon Telemedizin GmbH


               Krankenhaus-IT Journal 1 /2021
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