Page 13 - KH_IT_1_21
P. 13
Nachholbedarf bei Digitalisierung – Projekterfahrung verfügen. Stichtagsaktionen sind immer nach-
Perspektive durch das KHZG teilig gegenüber mittel- und langfristigen Strategien. Denn auf
Bei der Diskussion um die Vorteile des „Gesetzes für ein die Schnelle macht man auch mehr Fehler. Dabei berücksichtigt
Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ (Krankenhauszukunfts- auch dieser deutlich höhere Betrag nicht die Hürden, die sich
gesetz – KHZG) liegt der Fokus stark auf der „Digitalisierung durch die Sektorentrennung zwischen ambulanter und stationä-
des Gesundheitswesens“ und wendet sich ausschließlich an die rer Versorgung auftun und die mit Geld allein nicht erfolgreich
Krankenhäuser, was in Ordnung ist, da andere Bereiche des zu bewältigen sind. Der politische Wille müsste sich ergänzend
Gesundheitswesens über Mittel der Umsetzung der Telematik auf die Vereinfachung der Strukturen des Gesundheitswesens
Infrastruktur TI unterstützt werden und in der öffentlichen richten. Weniger von allem rund um die „Verwaltung“ desselben
Wahrnehmung keinen so erheblichen – wenn auch irgendwie würde ein Mehr für die Patientenversorgung bedeuten. Denk-
künstlich generierten - „Rückstand“ bei der „Digitalisierung“ modelle gäbe es viele: Das Aufheben der Trennung zwischen
aufweisen. Allerdings sind Krankenhäuser durchaus stark digita- ambulanten und stationären Sektor, Schaffung einer deutschen
lisiert, wenn man das auf die internen Strukturen bezieht (Ver- Krankenversicherung nach dem Muster der Rentenversicherung,
sorgungstechnik, Medizintechnik, Informationstechnik). Bei auch dort kann man sich ggf. „Zusatzversichern“. Ein Gesund-
der externen Vernetzung stehen dem jedoch ganz andere Hür- heitswesen ohne Verbands- und Institutionsstrukturen je Sektor
den gegenüber, unter anderem die bedingungslos verteidigte oder für „dazwischen“ und zur Erforschung oder vermeintlichen
Sektorentrennung und der Glaube an die freie Marktwirtschaft „Optimierung“ desselben. Keine (mindestens weniger) KVen,
in einem regulierten Markt der Leistungserbringer. stattdessen eine Direktabrechnung nach dem Muster des §301
Grundsätzlich ist das Krankenhauszukunftsgesetz eine gute aus dem SGB V. Gleichstellung der Finanzierung aller Kran-
Sache, denn es bringt fehlendes Geld in das Gesundheitswesen kenhäuser u.v.m. Strukturverdichtung statt Interessendiversi-
und zwar in ein Segment der Betriebstechnik des Krankenhau- fizierung wäre ein gangbarer Weg mit immensen Potenzialen.
ses, das in der Vergangenheit stets hinter der Versorgungstechnik Dafür müsste man sich politisch allerdings couragiert unbeliebt
und der Medizintechnik zurückbleiben musste. Muss man sich machen und würde wohl unwählbar. Also ist dieser Ansatz
zwischen der Gas- oder Wasserversorgung oder einem neuen unbegehbares Terrain für die Volksvertreter, und man lässt lieber
CT und der IT entscheiden, ist das Ergebnis meistens einfach „Andere“ vorpreschen mit der Forderung nach der Schließung
vorherzusagen. Mit theoretischen 4,3 Milliarden Euro für die von Krankenhäusern.
IT zeichnen sich somit Chancen ab, diese werden aktuell auch Da das alles folglich nicht funktioniert, freuen wir uns über
gerne betont. Nun ja, Marketing gehört immer dazu. maximal 4,3 Milliarden Euro, die natürlich besser sind als nichts.
Allerdings darf man ruhig auch weiter vorausschauen und Allerdings wäre da noch etwas mehr zu bedenken.
stellt dabei fest: Es schließt nicht die Investitionslücken, die die
Länder in den letzten Jahren und Jahrzehnten geschaffen haben. Instandhaltung, Betriebskosten,
Auch klingen 4,3 Milliarden Euro natürlich ausgezeichnet, aller- Personal – was nach 2023 auf die
dings belaufen sich die daraus möglichen realen Anschaffun- Krankenhäuser zukommt
gen nur auf 3,61 Milliarden Euro. Das ist der Betrag, der nach Das Krankenhauszukunftsgesetz regelt (wenn es überhaupt
Abzug der Mehrwertsteuer übrigbleibt und als sogenannte Net- erfolgreich in Anspruch genommen werden kann) nur kurz-
tosumme zur Beschaffung von Gütern eingesetzt werden kann. und mittelfristig einen Investitionsmittelzufluss, mittel- bis
Für gemeinnützige Einrichtungen (und das sind die meisten langfristig fehlt die Betriebskostenfinanzierung der potenziel-
Krankenhäuser) ist die Mehrwertsteuer reiner Aufwand, dem len Investitionen. Zu diesem Thema habe ich bereits im Kran-
kein nutzbares Gut gegenübersteht. Sie landet direkt beim Staat, kenhaus-IT Journal Ausgabe 6/2020, geschrieben: „KHZG
kommt also gar nicht zur Anwendung i.S. von „Digitalisierung“ – Guter Geldsegen oder Böse Falle? Werden wir doch mal bissig“,
des Gesundheitswesens. Es verbleiben 700 Millionen Euro, die online). Fazit: 4,3 Milliarden Euro Investitionsvolumen bedeu-
nur gut klingen. ten in den folgenden fünf Jahren einen Bedarf von 4,3 Milli-
Der Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiter und Leite- arden Euro Betriebskosten aus der Krankenversicherung und
rinnen e.v. (KH-IT) hat zudem schon vor einiger Zeit in einer damit den Töpfen der Kostenträger für die medizinische Leis-
Studie erhoben, dass sich der tatsächliche Digitalisierungsbedarf tungserbringung. Dabei sind allerdings die erforderlichen Perso-
der Krankenhäuser auf ca. 11 Milliarden Euro beläuft. Aller- nal- und Nebenkosten für den Betrieb dieser sagenhaften neuen
dings war zu dem Zeitpunkt niemand der Meinung, dass man digitalisierten Welt des Gesundheitswesens noch nicht berück-
den Aufwand auf zwei Jahre plus x komprimieren könnte. Was sichtigt. Übrigens setzt sich dieser Bedarf zudem dauerhaft
vermutlich daran liegt, dass die Beteiligten über jede Menge (und steigend) fort.
Krankenhaus-IT Journal 1 /2021
013