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Nachholbedarf bei Digitalisierung –              Projekterfahrung verfügen. Stichtagsaktionen sind immer nach-
               Perspektive durch das KHZG                       teilig gegenüber mittel- und langfristigen Strategien. Denn auf
               Bei der Diskussion um die Vorteile des „Gesetzes für ein   die Schnelle macht man auch mehr Fehler. Dabei berücksichtigt
               Zukunftsprogramm Krankenhäuser“  (Krankenhauszukunfts-  auch dieser deutlich höhere Betrag nicht die Hürden, die sich
               gesetz – KHZG) liegt der Fokus stark auf der „Digitalisierung   durch die Sektorentrennung zwischen ambulanter und stationä-
               des Gesundheitswesens“ und wendet sich ausschließlich an die   rer Versorgung auftun und die mit Geld allein nicht erfolgreich
               Krankenhäuser, was in Ordnung ist, da andere Bereiche des   zu bewältigen sind. Der politische Wille müsste sich ergänzend
               Gesundheitswesens über Mittel der Umsetzung der Telematik   auf die Vereinfachung der Strukturen des Gesundheitswesens
               Infrastruktur TI unterstützt werden und in der öffentlichen   richten. Weniger von allem rund um die „Verwaltung“ desselben
               Wahrnehmung keinen so erheblichen – wenn auch irgendwie   würde ein Mehr für die Patientenversorgung bedeuten. Denk-
               künstlich generierten - „Rückstand“ bei der „Digitalisierung“   modelle gäbe es viele: Das Aufheben der Trennung zwischen
               aufweisen. Allerdings sind Krankenhäuser durchaus stark digita-  ambulanten und stationären Sektor, Schaffung einer deutschen
               lisiert, wenn man das auf die internen Strukturen bezieht (Ver-  Krankenversicherung nach dem Muster der Rentenversicherung,
               sorgungstechnik, Medizintechnik, Informationstechnik). Bei   auch dort kann man sich ggf. „Zusatzversichern“. Ein Gesund-
               der externen Vernetzung stehen dem jedoch ganz andere Hür-  heitswesen ohne Verbands- und Institutionsstrukturen je Sektor
               den gegenüber, unter anderem die bedingungslos verteidigte   oder für „dazwischen“ und zur Erforschung oder vermeintlichen
               Sektorentrennung und der Glaube an die freie Marktwirtschaft   „Optimierung“ desselben. Keine (mindestens weniger) KVen,
               in einem regulierten Markt der Leistungserbringer.  stattdessen eine Direktabrechnung nach dem Muster des §301
                  Grundsätzlich ist das Krankenhauszukunftsgesetz eine gute   aus dem SGB V. Gleichstellung der Finanzierung aller Kran-
               Sache, denn es bringt fehlendes Geld in das Gesundheitswesen   kenhäuser u.v.m. Strukturverdichtung statt Interessendiversi-
               und zwar in ein Segment der Betriebstechnik des Krankenhau-  fizierung wäre ein gangbarer Weg mit immensen Potenzialen.
               ses, das in der Vergangenheit stets hinter der Versorgungstechnik   Dafür müsste man sich politisch allerdings couragiert unbeliebt
               und der Medizintechnik zurückbleiben musste. Muss man sich   machen und würde wohl unwählbar. Also ist dieser Ansatz
               zwischen der Gas- oder Wasserversorgung oder einem neuen   unbegehbares Terrain für die Volksvertreter, und man lässt lieber
               CT und der IT entscheiden, ist das Ergebnis meistens einfach   „Andere“ vorpreschen mit der Forderung nach der Schließung
               vorherzusagen. Mit theoretischen 4,3 Milliarden Euro für die   von Krankenhäusern.
               IT zeichnen sich somit Chancen ab, diese werden aktuell auch   Da das alles folglich nicht funktioniert, freuen wir uns über
               gerne betont. Nun ja, Marketing gehört immer dazu.   maximal 4,3 Milliarden Euro, die natürlich besser sind als nichts.
                  Allerdings darf man ruhig auch weiter vorausschauen und   Allerdings wäre da noch etwas mehr zu bedenken.
               stellt dabei fest: Es schließt nicht die Investitionslücken, die die    
               Länder in den letzten Jahren und Jahrzehnten geschaffen haben.   Instandhaltung, Betriebskosten,
               Auch klingen 4,3 Milliarden Euro natürlich ausgezeichnet, aller-  Personal – was nach 2023 auf die
               dings belaufen sich die daraus möglichen realen Anschaffun-  Krankenhäuser zukommt
               gen nur auf 3,61 Milliarden Euro. Das ist der Betrag, der nach   Das Krankenhauszukunftsgesetz regelt (wenn es überhaupt
               Abzug der Mehrwertsteuer übrigbleibt und als sogenannte Net-  erfolgreich in Anspruch genommen werden kann) nur kurz-
               tosumme zur Beschaffung von Gütern eingesetzt werden kann.   und mittelfristig einen Investitionsmittelzufluss, mittel- bis
               Für gemeinnützige Einrichtungen (und das sind die meisten   langfristig fehlt die Betriebskostenfinanzierung der potenziel-
               Krankenhäuser) ist die Mehrwertsteuer reiner Aufwand, dem   len Investitionen. Zu diesem Thema habe ich bereits im Kran-
               kein nutzbares Gut gegenübersteht. Sie landet direkt beim Staat,   kenhaus-IT Journal Ausgabe 6/2020, geschrieben: „KHZG
               kommt also gar nicht zur Anwendung i.S. von „Digitalisierung“  – Guter Geldsegen oder Böse Falle? Werden wir doch mal bissig“,
               des Gesundheitswesens. Es verbleiben 700 Millionen Euro, die   online). Fazit: 4,3 Milliarden Euro Investitionsvolumen bedeu-
               nur gut klingen.                                 ten in den folgenden fünf Jahren einen Bedarf von 4,3 Milli-
                  Der Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiter und Leite-  arden Euro Betriebskosten aus der Krankenversicherung und
               rinnen e.v. (KH-IT) hat zudem schon vor einiger Zeit in einer   damit den Töpfen der Kostenträger für die medizinische Leis-
               Studie erhoben, dass sich der tatsächliche Digitalisierungsbedarf   tungserbringung. Dabei sind allerdings die erforderlichen Perso-
               der Krankenhäuser auf ca. 11 Milliarden Euro beläuft. Aller-  nal- und Nebenkosten für den Betrieb dieser sagenhaften neuen
               dings war zu dem Zeitpunkt niemand der Meinung, dass man   digitalisierten Welt des Gesundheitswesens noch nicht berück-
               den Aufwand auf zwei Jahre plus x komprimieren könnte. Was   sichtigt. Übrigens setzt sich dieser Bedarf zudem dauerhaft
               vermutlich daran liegt, dass die Beteiligten über jede Menge   (und steigend) fort.






               Krankenhaus-IT Journal 1 /2021
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