Digitaler Schub für das Gesundheitswesen

Computer Vision

Veröffentlicht 06.08.2021 10:00, Dagmar Finlayson

Ohne Computer Vision wäre der Kampf gegen Corona um einiges mühseliger. Die Technologie hilft beim Zuordnen von Proben und Impfstoffen, dem Abruf von Testergebnissen und Impfzertifikaten sowie bei der Nachverfolgung von Kontakten. Ihr Potenzial im Gesundheitswesen ist enorm – weit über die Pandemie hinaus.

Computer Vision auf dem Smartphone hat sich in den vergangenen Monaten als eines der wirksamsten Instrumente im Kampf gegen die Corona-Pandemie erwiesen. Dazu beigetragen hat sicher, dass inzwischen nahezu jeder Bürger ein Smartphone besitzt und binnen weniger Sekunden ein Testergebnis abrufen oder für die Kontaktnachverfolgung in einem Restaurant einchecken kann – einfach durch den Scan eines QR-Codes. Die unter anderem in der Logistik bereits weit verbreitete Technologie hat so noch einmal einen massiven Schub erfahren und schickt sich nun an, das Gesundheitswesen zu erobern.

Bereits zu Beginn der Pandemie war Computer Vision einer der Schlüssel, um die Abläufe in den Teststationen besser zu organisieren. Das medizinische Personal und die freiwilligen Helfer identifizieren dort per Smartphone kontaktlos die zu testenden Bürger und ordnen sie gebuchten Terminen und entnommenen Abstrichen zu, ohne dass man sie mit speziellen Geräten ausstatten muss. Dabei werden höchste Anforderungen an den Datenschutz erfüllt, da die Scan-Apps keine Daten auf dem Smartphone speichern oder an Dritte weiterleiten – prinzipiell könnten die Mitarbeiter sogar ihre eigenen Telefone einsetzen.

Mittlerweile sorgt Computer Vision auch für effiziente und kontaktlose Prozesse in den Impfzentren und helfen bei der komplizierten Impfstofflogistik – etwa bei der Verteilung der Vakzine oder bei möglichen Rückrufen von einzelnen Chargen, sollten diese verunreinigt oder nicht ausreichend gekühlt worden sein. Bürger wiederum rufen nicht mehr nur ihre Testergebnisse mithilfe eines QR-Codes ab, sondern erhalten auch ihr Impfzertifikat in dieser Form. So können sie es bequem auf dem Smartphone mitführen. Dienstleister, die den Impfstatus überprüfen wollen, scannen den Code mit einer eigenen App – ganz ähnlich wie das bei der Kontrolle von Bahntickets geschieht.


Ein Armband mit Barcode kann die Verwechslung von Patienten und Pflegebedürftigen zuverlässig verhindern (Quelle: Scandit)

Mitarbeiter entlasten und Fehlerquellen reduzieren

Allerdings bietet Computer Vision auch über Test- und Impfzentren hinaus ein enormes Potenzial im Gesundheitswesen. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die in Deutschland nicht gerade zu den Digitalisierungsvorreitern zählen, können mit der Technologie vergleichsweise schnell und zu überschaubaren Kosten papiergebundene Prozesse ablösen. Das befreit Mitarbeiter von Schreibarbeiten, sodass sie mehr Zeit für die Versorgung von Patienten und Pflegebedürftigen haben. Gleichzeitig werden alle Abläufe zuverlässig digital dokumentiert und Fehlerquellen reduziert.

Ein Armband mit aufgedrucktem Barcode erlaubt es beispielsweise, einen Patienten oder Pflegebedürftigen sicher zu identifizieren. Per Scan rufen Mitarbeiter persönliche Daten, Befunde und aktuelle Medikationen ab. Das verhindert Verwechslungen, Doppeluntersuchungen und Fehlbehandlungen. Wichtige Informationen zu Allergien oder Unverträglichkeiten kann eine Scan-App ebenso in einer virtuellen Ebene einblenden wie Hinweise zu anstehenden Tests oder zur korrekten Verabreichung und Dosierung von Medikamenten. Die Testergebnisse und Medikamentengaben erfassen die Mitarbeiter ebenfalls per Scan.

Über die Scan-App können sie überdies Betten buchen, Stationswechsel veranlassen und Termine mit Fachärzten oder Labors organisieren – direkt vom Zimmer des Patienten oder jedem Ort des Krankenhauses aus. Das ist deutlich praktischer, als stationäre Arbeitsstationen mit Desktop-Rechnern aufzusuchen oder Computer auf Rollwagen durch die Flure zu schieben. Zudem lässt sich mit Smartphones auch die Entnahme von Medikamenten, Blutkonserven sowie Hilfsmitteln wie Einweghandschuhen, Spritzen und Urinbeuteln aus Apotheken und Vorratsräumen dokumentieren. Krankenhäuser haben so ein stets aktuelles Bild über ihre Bestände und können rechtzeitig nachbestellen.

Treffen neue Lieferungen ein, helfen Scans bei der Überprüfung, ob alle bestellten Artikel tatsächlich geliefert wurden. Da sich mehrere Barcodes in einem Rutsch erfassen lassen, selbst wenn diese nicht gleich ausgerichtet sind, geht das sehr schnell. Das erleichtert auch Inventuren, weil das Personal nicht alle Artikel einzeln scannen muss – einfach das Smartphone auf das Regal richten und die Scan-App erfasst Vorräte und Bestandslücken. Dabei kann sie durch farbliche Einblendungen direkt sichtbar machen, welche Artikel sich ihrem Verfallsdatum nähern oder dieses bereits überschritten haben.

Auch beim Einsortieren von Lieferungen unterstützt die Scan-App, indem sie den Ablageort von Medikamenten und Hilfsmitteln im Regal markiert und den Bestand im Hintergrund automatisch aktualisiert.

Zuverlässige Scans auch bei widrigen Bedingungen

Viele dieser Anwendungsszenarien lassen sich mit dedizierten Barcode-Scannern nicht umsetzen – die Geräte sind vor allem für die Datenerfassung gemacht. Das Erfassen zusätzlicher Informationen, die Ausgabe von Daten und die Anreicherung der Live-Ansicht auf dem Display mit Informationen ist die große Stärke Smartphone-Apps mit Computer Vision und Augmented Reality. Zumal Computer Vision auch bei schlechten Lichtverhältnissen, ungünstigen Winkeln und großen Abständen sowie bei beschädigten oder schlecht ausgedruckten Barcodes zuverlässig funktioniert.

Damit leistet die Technologie einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung des Gesundheitswesens, in dem pandemiebedingt die digitale Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten zugenommen hat. Viele Praxen bieten inzwischen Videosprechstunden an, was den Menschen nicht nur Wege und Wartezeiten erspart, sondern auch das Infektionsrisiko verringert. In einer Studie von Accenture waren neun von zehn Patienten, die während der Pandemie virtuell betreut wurden, damit sehr zufrieden – die Betreuung sei ebenso gut oder sogar besser gewesen als zuvor1.

Neue Anwendungen auf Basis von KI und Machine Learning, die Audio- und Bilddaten auswerten und die Diagnostik unterstützen, werden die Telemedizin in den kommenden Monaten und Jahren voran- und viele neue Gesundheits-Apps hervorbringen. In der Zwischenzeit helfen bereits vorhandene Technologien wie Computer Vision und Augmented Reality auf Smartphones, das Gesundheitswesen digitaler und besser zu machen.

Autor: Christian Floerkemeier ist CTO und Mitgründer von Scandit

1 „How COVID-19 will permanently alter patient behavior”, Accenture, https://www.accenture.com/_acnmedia/PD ... ient-Treatment-Survey.pdf

 

Quelle Text/Bilder: Scandit


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