Echtzeit-MRT enthüllt die Bewegungsdynamik des Stotterns

MRT

Veröffentlicht 17.05.2024 09:50, Dagmar Finlayson

Forschenden der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Max-Planck-Instituts für Multidisziplinäre Naturwissenschaften (MPI-NAT) ist es gelungen, die Bewegungsmuster der inneren Sprechmuskeln eines stotternden Patienten mittels Echtzeit-Magnetresonanztomografie (MRT) darzustellen. Die Methode trägt dazu bei, das Verständnis der mechanischen Entstehung des Stotterns zu verbessern, Fehlfunktionen bei Sprechstörungen zu identifizieren sowie den Erwerb und die Verstärkung neuer Sprechmuster zu unterstützen. Die Ergebnisse sind in der Rubrik Clinical Pictures in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet erschienen.

Die Bewegungen der inneren Sprechmuskeln sind von außen nicht sichtbar und waren bislang weitgehend unzugänglich und unverstanden. Entsprechend war auch unklar, was die inneren Sprechmuskeln und -organe beim Stottern falsch machen. Jüngste Fortschritte in der Echtzeit-Magnetresonanztomografie (MRT) machen die Bewegungsmuster der inneren Sprechmuskeln wesentlich besser sichtbar.

In Kooperation der Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Martin Sommer, Oberarzt und Leiter der „Interdisziplinären Arbeitsgruppe Redeflussstörungen“ in der Klinik für Neurologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), und Prof. Dr. Jens Frahm, Leiter der Forschungsgruppe „Biomedizinische NMR“ am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften (MPI-NAT), gelang es, mittels Echtzeit-MRT die Bewegungen der Zungenspitze, des Zungenkörpers und des weichen Gaumens eines 42-jährigen stotternden Patienten darzustellen, während dieser einen Text im MRT-Scanner las. In dem Video, das auf 55 MRT-Scans pro Sekunde beruht, sind die Kernsymptome des Stotterns zu sehen: unwillkürlich auftretende Laut- und Silbenwiederholungen, Lautdehnungen sowie hörbare oder stille Blockaden. Diese Symptome zeigen sich im Echtzeit-MRT als anhaltende Muskelkontraktionen, das heißt ein Zusammenziehen der Muskulatur, und sich wiederholende Bewegungen in Teilen der Zunge, der Lippen und des Gaumensegels. Diese Beobachtungen ermöglichen ein besseres Verständnis dafür, was diese einzelnen Sprechmuskeln und -organe beim Stottern tatsächlich falsch machen. Zudem konnten im Echtzeit-MRT-Gerät auch flüssige Sprechabschnitte gezeigt werden, was für diese Art der Redeflussstörung charakteristisch ist. In der klinischen Anwendung könnte die Methode dazu beitragen, Fehlfunktionen in den Bewegungen der Sprechmuskeln und -organe bei Sprechstörungen zu identifizieren sowie den Erwerb und die Verstärkung neuer Sprechmuster zu unterstützen.

„Durch diesen Nachweis der mechanischen Entstehung der grundlegenden Symptome verbessert die Echtzeit-MRT unser Verständnis und unser Denken über das Stottern. Da wir direkt sehen, wo die inneren Sprechmuskeln und -organe bei dieser Art von Redeflussstörung Fehler machen, werden wir künftig auch Varianten dieser vielfältigen neuromuskulären Störung identifizieren können“, sagt Prof. Dr. Sommer.

Die Ergebnisse sind in der Rubrik Clinical Pictures in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet erschienen.

Hintergrund

Die Autoren untersuchten einen 42-jährigen, gesunden Mann, der seit dem vierten Lebensjahr unwillkürliche Momente nicht flüssigen Sprechens erlebte. Mehrere Behandlungsversuche zur Verbesserung des Sprechflusses hatten keine dauerhafte Wirkung gezeigt. Er hatte die Schule vorzeitig verlassen, um eine technische Ausbildung zu absolvieren, sprechbezogene Berufe gemieden und nach vier Jahren Abendschule einen akademischen Abschluss als Ingenieur erlangt. Er hatte kurz vor Studienteilnahme erneut an einer Therapie teilgenommen, die sich auf verschiedene Techniken zur Blockadelösung in Kombination mit einem Training zum Angstabbau konzentrierte.

Originalpublikation:

Visualising the dynamic morphology of stuttering using real-time MRI. Daniela Ponssen, Arun A Joseph, Nicole E Neef, Jens Frahm, Martin Sommer. The Lancet (2024). DOI:
10.1016/S0140-6736(24)00624-X

Video

Foto: Prof. Dr. Martin Sommer, Oberarzt und Leiter der „Interdisziplinären Arbeitsgruppe Redeflussstörungen“ in der Klinik für Neurologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). bvss/Michael Kofort

Quelle: Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität


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