Die Thoraxchirurgie ist ein hochspezialisiertes Fachgebiet und weit mehr als reine „Lungenchirurgie“. Dr. Stephan Eggeling, Chefarzt der Thoraxchirurgie bei Vivantes erklärt, welche Erkrankungen heute operativ behandelt werden und wie moderne Technik – von OP-Robotern bis zu Künstlicher Intelligenz – die Eingriffe verändert hat.
Die Thoraxchirurgie befasst sich mit operativen Eingriffen im Brustkorb: Von der Schilddrüse bis zum Zwerchfell, inklusive Speise- und Luftröhre, dem Mediastinum und der Brustwand, bis zum Bauchraum. Das Fachgebiet umfasst also nicht nur die Lunge, wie viele denken. Das große Netzwerk von Vivantes ermöglicht uns, dass die jeweils spezialisierten Disziplinen die Behandlung übernehmen.
So operiert jede Expertin und jeder Experte genau das, was sie oder er am häufigsten macht und am besten kann.
Welche Krankheitsbilder behandelt die Thoraxchirurgie?
- Tumoren im Brustkorb, z. B. Lungenkrebs, Thymome oder Speiseröhrentumoren
- Infektionen wie komplizierte Lungenentzündungen, Abszesse oder Empyeme
- Verletzungen, insbesondere bei Polytrauma mit Beteiligung der inneren Organe des Brustkorbs
- Angeborene Fehlbildungen
- Pneumothorax (spontaner Lungenkollaps)
Es ist also ein „Querschnittsfach“? Wie funktioniert die Zusammenarbeit der Disziplinen?
Ja, wir haben bei Vivantes zwar nur eine große Thoraxchirurgie mit einer standortübergreifenden 24/7-Versorgung, auch bei Notfällen. Gleichzeitig gibt es Schnittstellen zu verschiedenen Disziplinen: Pneumolog*innen, Onkolog*innen, , Endokrinolog*innen und Gastroenterolog*innen im internistischen Bereich. Aber auch HNO-Ärzt*innen und chirurgische Disziplinen wie Unfall-, Neuro-, allgemeine und Viszeralchirurgien. Vor jeder Operation wird zunächst geprüft, ob auch eine konservative Behandlung möglich ist und ausreicht. Sofern ein thoraxchirurgischer Eingriff sinnvoll ist, wird dieser bei uns in Neukölln durchgeführt. Ebenso wie die postoperative Betreuung, die sehr komplex ist.
Wie verläuft die Behandlung von Lungenkrebspatient*innen in der Regel?
Es gibt zwei typische Szenarien. Entweder Patient*innen kommen aufgrund eines Zufallsbefunds im CT zu uns, beispielsweise hatten sie einen Atemwegsinfekt und die Bildgebung zeigt einen tumorsuspekten Befund. In der thoraxchirurgischen Sprechstunde wird dann entschieden, welche Voruntersuchungen noch durchgeführt werden und ob eine OP sinnvoll ist.
Oder Patient*innen wurden aufgrund von Tumorsymptomen bereits in einer anderen Klinik betreut und müssen dann operiert werden. In diesem Fall werden sie direkt auf unserer Station aufgenommen.
Nach einer Lungenoperation sind die Patient*innen in der Regel noch drei bis sieben Tage bei uns. Nach der Mobilisation folgt meist die Entlassung nach Hause mit anschließender Rehabehandlung oder die Rückverlegung in die zuweisende Klinik.
„Die moderne Tumormedizin profitiert von technologischen Innovationen wie KI und Robotertechnik. Dank moderner Chemo- und Immuntherapien kann ein Tumor im fortgeschrittenen Stadium so vorbehandelt werden, dass er operabel wird.“ Dr. Stephan Eggeling
Foto: Chefarzt der Vivantes Klinik für Thoraxchirurgie und des Lungenkrebszentrums, Dr. Stephan Eggeling
Worin bestehen die größten medizinischen Fortschritte der letzten Zeit?
Bekanntermaßen ist eine Krebsführerkennung entscheidend für eine erfolgreiche Krebsbehandlung. Daher besteht ein wichtiger Fortschritt darin, dass ab 2026 die Lungenkrebsfrüherkennung in Deutschland Teil der gesetzlichen Kassenleistungen wird, ähnlich wie bei Brust-, Darm- oder Hautkrebs. Zielgruppe sind insbesondere starke Raucher*innen. Die Behandlung von Tumoren in frühen Stadien ermöglicht minimalinvasive und organschonende Eingriffe sowie eine günstigere Prognose.
Gibt es für Tumorerkrankungen in späten Stadien auch vielversprechende Entwicklungen?
Durchaus – früher hieß es, bei Symptomen wie Bluthusten, oder Luftnot könne man nichts mehr machen. Die moderne Tumormedizin profitiert dagegen von medikamentösen und technologischen Innovationen wie KI und Robotertechnik. Dank moderner Chemo- und Immuntherapien kann ein Tumor im fortgeschrittenen Stadium so vorbehandelt werden, dass er operabel wird. Es ist ein bisschen, als drehten wir durch die Vorbehandlung die Uhr zurück und hätten den Tumor früher erkannt. Die Immuntherapie zielt darauf ab, die „Tarnkappe“ der Tumorzellen zu entfernen und sie für das Immunsystem sichtbar zu machen.
Wie haben sich die Operationen durch die Roboterchirurgie verändert?
Die minimalinvasive Chirurgie, insbesondere die videoassistierte Thorakoskopie (VATS) und roboterassistierte Verfahren, haben den Patientenkomfort deutlich erhöht: Weniger Schmerzen, kürzere Liegezeiten, schnellere Heilung.
Früher war die Entfernung eines gesamten Lungenlappens (Lobektomie) die kleinste Einheit. Heute sind segment- oder sogar subsegmentale Resektionen möglich. Die Tumoren werden „herausgeschält“ (nukleiert), ohne unnötig viel gesundes Gewebe zu entfernen.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz?
KI kommt bereits in der Früherkennung zum Einsatz. Zum Beispiel bei der Analyse von CT-Bildern auf sogenannte „Rundherde“. In der Nachsorge können CT-Bilder mit früheren Befunden überlagert werden, um kleinste Veränderungen zu erkennen, die dem menschlichen Auge entgehen. Auch in der Robotik wird KI eingesetzt. Moderne OP-Roboter verfügen über eine taktile Rückkopplung, mit der sie beispielsweise erkennen, wie sich ein Blutgefäß anfühlt – ein wichtiger Sicherheitsfaktor.
Zukünftig wird in der Klinik für Thoraxchirurgie auch ein Lungenkrebsscreening angeboten: Lungenkrebsvorsorge
Vivantes Klinik für Thoraxchirurgie
E-Mail: Thoraxchirurgie@vivantes.de
Vivantes Klinik für Thoraxchirurgie
Bild & Quelle: Vivantes - Netzwerk für Gesundheit GmbH