Patientensicherheit zwischen Risiko, Prävention und digitaler Transformation

Veröffentlicht 07.11.2025 10:20, Kim Wehrs

Die Patientensicherheit bildet das Fundament einer qualitativ hochwertigen Versorgung und ist entscheidend für Effizienz und Vertrauen im Gesundheitssystem. Risiken im Versorgungsprozess entstehen durch komplexe Schnittstellen zwischen Personal, Technik und Organisation. Fehlerquellen reichen von Medikationsverwechslungen über Komm-unikationsmängel bis zu Systemdefiziten in Dokumentation und Entscheidungsunter-stützung. Die Krankenhausleitung trägt Verantwortung, Sicherheitsstandards im Alltag spürbar zu machen.

Studien zeigen, dass die Mehrheit vermeidbarer Zwischenfälle auf organisatorische Ursachen zurückzuführen ist,  nicht auf individuelles Versagen. 12.304 fachärztliche Gutachten zu ver-muteten Behandlungsfehlern hat der Medizinische Dienst im Jahr 2024 bundesweit erstellt. In jedem 4. Fall (3.301 Fälle) stellten die Gutachterinnen und Gutachter einen Behandlungsfehler mit Schaden fest. In jedem 5. Fall (2.825 Fälle) war der Fehler ursächlich für den erlittenen Schaden. Das geht aus der aktuellen Jahresstatistik zur Behandlungsfehlerbegutachtung hervor, die der Medizinische Dienst heute in Berlin vorgestellt hat. Unsichere Versorgung hat nicht nur Folgen für die geschädigten Patientinnen und Patienten; sie kostet das Gesundheitssystem Milliarden Euro. In der aktuellen Jahresstatistik des Medizinischen Dienstes beziehen sich zwei Drittel aller erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe auf Leistungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (7.960 Fälle). 

Die Begutachtungszahlen des Medizinischen Dienstes zeigen nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Fehlergeschehens. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher, da nach wissenschaftlichen Studien davon auszugehen ist, dass nur 3 Prozent aller vermeidbaren Schadensfälle nachverfolgt und statistisch erfasst werden.

Überträgt man die Ergebnisse internationaler Studien zur Patientensicherheit auf Deutschland, so werden jedes Jahr 5 Prozent der stationär behandelten Patientinnen und Patienten durch vermeidbare Behandlungsfehler geschädigt. Das wären mehr als 800.00 Betroffene. Die Kosten für erneute Eingriffe, Invalidität, Pflegebedürftigkeit oder gar Tod werden auf 15 Prozent der Krankenhauskosten geschätzt – das entspricht einem Betrag von 15 Milliarden Euro.

Neue Risiken managen

Investitionen in Patientensicherheit sind daher wirtschaftlich und ethisch geboten. Jede Investition in Präventionsmaßnahmen,  etwa in Schulungen, standardisierte Abläufe oder digitale Kontrollmechanismen,  reduziert Folgekosten durch Komplikationen, verlängerte Aufenthalte oder Haftungsrisiken. Digitalisierungsinitiativen schaffen hier ein neues Sicherheitsniveau: Entscheidungsunterstützungssysteme, KI-gestützte Frühwarnmechanismen und interoperable Datenplattformen können Risiken in Echtzeit erkennen, Therapien absichern und Kommunikationsbrüche vermeiden. Gleichzeitig gilt es, neue Risiken technischer Art wie algorithmische Fehlsteuerungen, Cyberangriffe oder Datenverlust systematisch zu managen.

Systematische Präventionsmaßnahmen kombinieren Technik, Organisation und Kultur. Sicherheitskultur bedeutet, aus Fehlern zu lernen statt Schuld zuzuweisen. Kliniken mit einem strukturierten Risikomanagement wie etwa Safety-Boards, Reporting-Systemen und kontinuierlicher Ergebnisanalyse  erreichen belegbar geringere Komplikationsraten. Entscheidend ist die Integration dieser Maßnahmen in den strategischen Klinikprozess, damit Patientensicherheit nicht als Zusatzaufgabe, sondern als Leitprinzip der Leistung verstanden wird.

Effizienz und Vertrauen wachsen, wenn Sicherheit nachweisbar ist. Patienten bewerten Qualität zunehmend über nachvollziehbare Sicherheits- und Transparenzstandards. Für Leistungserbringer schafft dies zugleich Wettbewerbsvorteile. Die Zukunft der Patientensicherheit liegt in einer intelligenten Verbindung aus Investition, digitaler Innovation und systematischer Prävention als integraler Bestandteil nachhaltiger Versorgungsqualität.

Digitale Innovation ermöglicht Patientensicherheit

Digitale Innovation ermöglicht eine technologiegetriebene Patientensicherheit. KI-Systeme analysieren klinische Daten in Echtzeit, erkennen Muster für Risiken und schlagen präventive Maßnahmen vor. Sensorik und IoT-Geräte überwachen Vitalparameter kontinuierlich und reduzieren menschliche Fehler. Durch automatisierte Dokumentation und Predictive Analytics entstehen neue Sicherheitsniveaus, die Prävention systematisch unterstützen und Versorgung, Effizienz sowie Vertrauen technisch fundiert stärken.

Digitale Medikationssysteme und KI-gestützte Interaktionsprüfungen erhöhen die Arzneimitteltherapiesicherheit. Sie erkennen Risiken wie Dosierungsfehler frühzeitig und unterstützen klinische Entscheidungen. So lassen sich Versorgungsprozesse optimieren und Arzneimittelrisiken effektiv minimieren.

IT-Lösungen sind häufig in die Krankenhausinformationssysteme integriert und schaffen Schnittstellen zu eMedikationsplänen, Telematikinfrastruktur und Apothekensoftware. Studien belegen: Die systematische Einführung digitaler Medikationsprozesse reduziert Medikationsfehler und steigert die Patientensicherheit signifikant. Automatisierte Systeme entlasten das Personal, beschleunigen Abläufe und erhöhen die Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung.

Krankenhausleitung steht in der Verantwortung

Die Krankenhausleitung trägt Verantwortung, Sicherheitsstandards im Alltag spürbar zu machen. Sie sorgt dafür, dass Mitarbeitende Risiken offen ansprechen können und digitale Tools die Versorgung sicherer machen. Durch gezielte Schulungen, klare Abläufe und transparente Kommunikation wird Patientensicherheit zu einem festen Bestandteil der täglichen Arbeit und des Klinikvertrauens.

Für die Krankenhausleitung liegt die Verantwortung in der strategischen Verankerung von Patientensicherheit, Qualität und Digitalisierung. Sie muss Risiken systematisch analysieren, Investitionen in Prävention und IT-Infrastruktur priorisieren und eine offene Sicherheitskultur fördern. Entscheidend ist die Verbindung von ökonomischer Effizienz mit klinischer Verantwortung, um Vertrauen bei Patienten und Mitarbeitenden zu sichern. Führungskräfte tragen dabei die Aufgabe, Transparenz, Lernbereitschaft und nachhaltige Sicherheitsstrategien im gesamten Krankenhaus zu etablieren.

 

Autor: Wolf-Dietrich Lorenz

Symbolbild: chiew / AdobeStock

 


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