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Titelstory



           Reifegrad für digitale
           Transformation                                                   Digitale Mehrwert-
                                                                            Perspektive
           Um die Vergabe der vorgesehenen Gelder                           Hier werden Investitionen fällig. Laut
           transparent und zielgerichtet zu gestal-                         Krankenhauszukunftsfonds müssen ab
           ten, ist eine validierte Messung des digita-                     dem Jahr 2025 in funktionsfähige digita-
           len Reifegrads der Krankenhäuser nötig.                          len Dienste umgesetzt sein: Patientenpor-
           Dazu gibt es einige Ansätze.                                     tale zum digitalen Informationsaustausch
              Auswertungen  von  Nutzerdaten                                vor, während und nach der Behand-
           haben ergeben, dass klinische Prozesse                           lung, elektronische Dokumentation von
           bisher nur partiell und unzureichend                             Pflege- und Behandlungsleistungen, kli-
           durch IT-Systeme unterstützt werden,                             nische Entscheidungsunterstützungssys-
           sodass der potenzielle Nutzen der Digi-                          teme, digitales Medikationsmanagement
           talisierung oft noch nicht ansatzweise                           und digitale Prozesse zur Anforderung
           ausgenutzt werden kann. Mit dem vom                              von Leistungen im Krankenhaus.
           Marburger Bund (MB) und dem Bun-                                    Leistungserbringer haben eigene Per-
           desverband Gesundheits-IT bvitg entwi-                           spektiven. Kliniken wollen künftig zwei
           ckelten Tool “Check IT” können Ärzte                             Drittel ihres Umsatzes mit digitalen The-
           seit 2019 systematisch den Nutzen von   Prof. Dr. Sylvia Thun, Berliner Institut für   rapien erzielen. Auf dem Weg dahin ist
           IT-Lösungen in 88 klinischen Einzelpro-  Gesundheitsforschung    eine ganzheitliche Digitalisierung aller
           zessen bewerten.                                                 Prozesse zu konzipieren und umzusetzen.
              Der durchschnittliche digitale Rei-  Mithilfe eines strukturierten Vorgehens   Es lassen sich, so die Annahme, die medi-
           fegrad von Kliniken lag 2019 bei ledig-  bewerten  Krankenhäuser  ihren  Status   zinische Qualität steigern und das medi-
           lich 48 Prozent. Gründe für die unzu-  quo selbst. Erfahrungen des Fraunho-  zinische Personal entlasten. Ein Großteil
           reichende IT-Unterstützung liegen laut   fer ISST zeigen jedoch, dass durch die-  der geplanten Investitionen soll daher
           Marburger Bund vor allem in der fehlen-  ses Vorgehen Potenziale verloren gehen.   direkt oder indirekt auf Digitalisierungs-
           den  Verfügbarkeit,  im  Nebeneinander   Die  Kenntnisse  über  und  die  Sicht  auf   themen  entfallen.  Den  größten  Vorteil
           von analogen und digitalen Prozessen   den krankenhausindividuellen Entwick-  für die Gesundheitsversorgung sieht die
           und damit verbundenen Medienbrüchen   lungsstand divergieren stark zwischen   Unternehmensführung  in  der  Aggregie-
           sowie in einer unzureichenden Funktio-  Geschäftsführung, ärztlicher Direktion,   rung und Nutzung von Patientendaten.
           nalität für eine vollständige Prozessunter-  Pflegedirektion und IT-Leitung.   So seien etwa Diagnosen von Röntgen-
           stützung.                        Fraunhofer Experten haben deshalb   bildern mit Hilfe künstlicher Intelligenz
           Es geht bei dem Reifegrad um die Kom-  gemeinsam mit Partnerorganisationen   treffsicherer.
           plexität der verschiedenen Abläufe im   im Gesundheitswesen, einen Erhebungs-
           Krankenhaus. Mit dem Electronic Medi-  ansatz, den Digital Health Maturity
           cal Records Adoption Model EMRAM   Index, entwickelt. Dieser fasst Digitali-
           ist eine Roadmap verfügbar, die als ein   sierung nicht als Ziel an sich, sondern
           Reifegradmodell für die Digitalisierung   als Unterstützungs- und Umsetzungs-
           von Krankenhäusern und als Maßstab   instrument für Prozesse und Strategie
           für Zielerreichung dienen kann. Dieses   auf. Demnach ist die digitale Reife eines
           stellt eine Vergleichsmöglichkeit im Kon-  Krankenhauses mehrdimensional und
           text der Krankenhausdigitalisierung dar.   multimodal, und dabei immer abhängig
           Sie wurde von der Healthcare Informa-  von den Zielen und Umgebungsbedin-
           tion and Management Systems Society   gungen eines Hauses.
           (HIMSS) erarbeitet. Die aus der Arbeit   Der  Digital  Health  Maturity  Index
           der HIMSS mit unterschiedlichsten   versteht sich nur als Messinstrument zum
           Krankenhäusern in den USA, Kanada   Nachweis der erfolgreichen Verwendung
           und Europa auf der Basis dieses Reife-  der Fördermittel, darüberhinausgehend
           gradmodells gewonnenen Daten unter-  ebenso als Möglichkeit zur Erfassung stra-
           mauern die Refinanzierungspotenziale   tegischer und organisationaler Aspekte,
           digitaler Transformation.        die zur Steuerung des Gesamtprozesses
              Im Rahmen des KHZG ist eine   ebenso notwendig sind, wie Kenntnisse   Michael Thoss,
           sogenannte Selbstevaluation vorgesehen.   über die vorhandene Systemlandschaft.   IT-Manager und Autor


                                                                                    Krankenhaus-IT Journal 1 /2021
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