Page 6 - Blackout
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Titelstory  Titelstory  In der Keynote „Die unterschätzen Folgen eines überregi-




           onalen Stromausfalls für Gesundheitsversorgung“ zeigte sich
           Herbert Saurugg |Präsident der Gesellschaft für Blackout und
           Krisenvorsorge als „Wanderprediger“. Sein Thema: Grundlagen
           und Bekehrung über Blackout, die gewandelten Aufgaben und
           Anforderungen für das IT-Management und die Gesellschaft.
           Herbert Saurugg: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner
           Teile. Auch wenn die IT eine immer wichtigere Rolle spielt,
           müssen gerade beim Thema Versorgungsunterbrechung viele
           Aspekte gemeinsam betrachtet werden. Denn es kommt nicht
           darauf an, ob ein einzelner Bereich gut aufgestellt ist, sondern
           ob man gemeinsam die entsprechenden Rückfallebenen sicher-
           stellen kann.“
              In der IT ist die Sensibilisierung aufgrund negativer Erfah-
           rungen gestiegen. Hoffnung allein ist zu wenig. Das gilt gerade   Keynote: Die unterschätzen Folgen eines überregionalen Stromausfalls
           beim Thema Blackout. „Wir betreiben gerade die größte Infra-  für Gesundheitsversorgung
           strukturtransformation aller Zeiten am „offenen Herzen“ und   Herbert Saurugg, Präsident der Gesellschaft für Blackout und
           ohne Auffangnetz.“ Das könnte sich als fataler evolutionärer Irr-  Krisenvorsorge
           tum herausstellen. Herbert Saurugg mahnte realistisch: „Simu-
           lationen von heute bilden nicht die Krise von morgen ab.“   begonnen wird. Kenne deine Bedarfe, verzichtet auf Unnötiges.
                                                            Übergreifendes Bewusstsein schaffen und den „Tunnelblick“
           Ahrflut – Erfahrung aus einer                    vermeiden - dazu zählt, dass unverzichtbare Bereich besonderes
           unvorstellbaren Katastrophe                      Augenmerk erhalten und die dortige Architektur entsprechend
           Das Motto lautet seit der Flutkatastrophe mit Totalschaden im   gestaltet wird. Merke: Ausfall der Telekommunikation bedingt
           Juli 2021: Wir machen weiter! Nach mehr als einem Jahr inten-  Offline-Notfallpläne. Blackout und Regelprozesse sind meist
           siver Räumungs- und Sanierungsarbeiten bedeutet das konkret,   keine Freunde. „Bewertung vor der Lage schafft Ruhe in der
           dass wir mittlerweile nicht nur ambulante und teilstationäre,   Lage.“ Bradl pointierte: „Störereignisse nicht zu Tode diskutie-
           sondern auch wieder stationäre Behandlung in der Dr. von   ren, sondern handeln.“
           Ehrenwall´schen Klinik in Ahrweiler anbieten können. „Wir
           können durch die kontinuierliche Steigerung unserer Behand-  Klinische Fachabteilungen leben in
           lungsplätze, Patienten im offenen Bereich in Ahrweiler auf-  Unkenntnis
           nehmen. Von 260 Betten sind 60 aktuell 60 belegt.“ Nach der  „Wie viele Ihrer implementierten digitalen Lösungen sind
           Flut vom 14./15. Juli 2021 musste der Klinik-IT-Leiter Frank   aktuell bei den Anwendern bekannt? Wie viele davon werden
           Skubch die IT-Versorgung bis auf Notmaßnahmen einstellen.   genutzt? Wenn ich nicht weiß, wofür IT da ist, dann weiß ich
           Durch Zufall waren kurz zuvor die Patienendaten in der Cloud   auch nicht, warum IT-Resilienz wichtig ist.“ Warum IT-Resi-
           gesichert worden. Die Klinik kann die Versorgung des Kreises   lienz allein im Krankenhaus nicht funktioniert, weiß Michael
           Ahrweiler vermutlich ca. 2030 komplett aufnehmen.   Thoss, Leiter Informationstechnologie und PMO IT, sowie
                                                            Autor.
           Betrifft uns der Rettungsdienst?                 Bei der Entwicklung von Krisenkonzepten steht den klini-
           Was für die Energieversorgung allgemein gilt, trifft in glei-  schen Fachabteilungen häufig die Unkenntnis über systemische
           cher Weise auf das IT-Management zu. Gewandelte Aufga-  Zusammenhänge im Weg. Daher müssen Notfallkonzepte in
           ben und Anforderungen für das IT-Management ergeben sich   der Entwurfsphase immer mit weiteren Fachabteilungen abge-
           durch Stromausfall sowie weitreichende Versorgungsunterbre-  stimmt und verprobt werden.
           chungen, wie Prof. Dr. Peter Bradl Leiter Krisenstab FHWS,   Dabei darf der Fokus nicht auf der kurzfristigen Überbrü-
           Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt/Würzburg,   ckung von Störungen liegen. Das Hoffen auf „Es wird schon
           Institut Rettungswesen, Notfall- und Katastrophenmanage-  vorübergehen.“ oder die stetig wiederholte Frage „Wann geht es
           ment darstellte: Was betrifft uns der Rettungsdienst? Seine   denn wieder?“ führen im Ernstfall nirgendwohin. Bei einem
           Einblicke aus der Praxis lauten: „Nicht alles, was IT-seitig zum   Malware-Vorfall mit forensischen Konsequenzen könnte zum
           Zeitpunkt einer Stromunterbrechung angeboten wird, ist zwin-  Beispiel ein Internetzugang durchaus mehrere Wochen stillge-
           gend aufrechtzuerhalten. Der Rettungsdienst ist eine Säule   legt werden müssen. Das hätte wiederum Auswirkungen bei
           der Gesundheitsversorgung. Im Kontext Blackoutlagen. Klare   der Nutzung von Cloud-Diensten, aber auch bei der Zusam-
           Prioritätenlisten lassen ein strukturiertes Bearbeiten zu und   menarbeit mit anderen Gesundheitseinrichtungen zum Beispiel
           verhindern, dass in der „heißen Phase“ erst mit Planungen   bei der Datenübertragung für Konsile oder regionale Zentren.


                                                                                   Krankenhaus-IT Journal 3 /2024
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