Digitalisierung aus Sicht der jungen Ärztegeneration

DGIM

Veröffentlicht 13.05.2022 08:00, Kim Wehrs

Durch die aktuellen Entwicklungen wird zunehmend klar, dass die Digitalisierung in der Medizin kein Nischenthema, sondern von zentraler Bedeutung ist. Dr. med. Anahita Fathi, Sprecherin der AG Junge DGIM, Fachärztin I. Med. Klinik – Sektion Infektiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, skizziert die digitale Transformation aus Sicht der jungen Ärztegeneration. 

Technologischer Fortschritt, die zunehmende Nutzung digitaler Systeme und die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz (KI) haben Einfluss auf unser tägliches Leben und eröffnen auch der Medizin neue Möglichkeiten und eine Chance, die Patient:innenversorgung nachhaltig zu verbessern. Die Implementation von digitalen Systemen in der Medizin ist daher ein zentrales Anliegen vieler Akteure im Gesundheitssystem. 1, 2 

Durch den Einsatz von Telemedizin können aus der Distanz Diagnostik und Befundungen auch in Settings mit limitierten Ressourcen durchgeführt werden. KI-Applikationen können bereits prähospital und in der breiten Bevölkerung eingesetzt werden und Ärzt:innen in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen. Eine umfängliche Digitalisierung der Dokumentation von Therapieverläufen verbessert zudem die Kontinuität der Patient:innenbehandlung. Auch die Forschung profitiert von dem Daten- und Informationsgewinn, der durch die Digitalisierung erreicht werden kann. Insgesamt führt digitale Innovation daher zu einer höheren Qualität der Patientenversorgung. 

Während die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, vielversprechend sind, zeichnet der Status quo ein anderes Bild: In deutschen Kliniken wird vielerorts noch über Fax kommuniziert. 3 Verschlüsselte E-Mail-Systeme sind oft nicht vorhanden, sodass der weitaus schnellere, unkompliziertere und schlichtweg zeitgemäßere Austausch via E-Mail über und mit Patient:innen nicht möglich ist. Eine flächendeckende Nutzung der digitalen Patientenakte, wie sie in anderen Ländern bereits Standard ist, wurde in Deutschland noch nicht umgesetzt. Dies führt zu einem Informationsverlust, der sich nachteilig auf die Patient:innenversorgung auswirkt. Hierdurch müssen Ergebnisse bereits durchgeführter Untersuchungen, wenn sie nicht vorliegen, zeitaufwendig angefordert und unter Umständen wiederholt werden. Untereinander inkompatible Systeme unterschiedlicher Einrichtungen führen zudem zu einem erhöhten Dokumentationsaufwand. So müssen meldepflichtige Infektionen wie SARS-CoV-2 noch immer per Fax gemeldet werden, da eine einheitliche Infrastruktur für die Meldungen noch nicht vorliegt. 

Während die Pandemie uns den Verbesserungsbedarf auf dem Gebiet der Digitalisierung schmerzhaft vor Augen geführt hat, hat sie auch Entwicklungsprozesse angestoßen. Die digitale Vernetzung mit Kolleg:innen anderer Fachgebiete wurde vorangetrieben und telemedizinische Sprechstunden und Beratungen wurden weiter ausgebaut. Viele Fortbildungen für Ärzt:innen sind zudem nun digital verfügbar und ermöglichen einen demokratischen Zugang zu Wissen.

 

Digitalisierung in der Medizin ist kein Nischenthema 

Durch die aktuellen Entwicklungen wird zunehmend klar, dass die Digitalisierung in der Medizin kein Nischenthema, sondern von zentraler Bedeutung ist. Als junge Ärzt:innen wollen und müssen wir diesen Prozess mitgestalten, um die digitalen Prozesse auf die Bedürfnisse unserer Patient:innen anzupassen. Wichtig ist hierbei sowohl der Schutz von Patient:innendaten vor dem Zugriff und einer kommerziellen Nutzung von Dritten, als auch unbürokratische Möglichkeiten zur Datenspende zu schaffen, um die Qualität der klinischen Versorgung und der Forschung zu optimieren. Bei der Entwicklung von KI-Anwendungen muss außerdem die Diversität unserer Gesellschaft abgebildet werden, um möglichen Bias der Algorithmen vorzubeugen. 

Des Weiteren ist es notwendig, sicherzustellen, dass das Vertrauen und die Intimität, die die Grundlage der Arzt-Patienten-Beziehung bilden, trotz dieser neuen Möglichkeiten weiterhin gewährleistet sind. Um den Veränderungsprozess zu begleiten und Gesundheitspersonal zu unterstützen und zu schulen, benötigen die IT-Abteilungen unserer klinischen Institutionen zudem eine adäquat und insbesondere personell bessere Ausstattung. Junge Mediziner:innen sollten bereits in ihrer Ausbildung digitale Kompetenzen erlernen, um die Innovation, die die Digitalisierung uns bietet, auch umsetzen zu können. Da die Digitalisierung für uns in der Jungen DGIM ein so wichtiges Thema darstellt, haben wir ihr in unserem Tagungsprogramm auf dem Jahreskongress eine eigene Session gewidmet.

 

Quellen und weitere Referenzen:

1 Bündnis Junger Ärzte. Positionspapier des Bündnisses Junge Ärzte (BJÄ) zu Digitalisierung, Applikationen (Apps) und künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen. Chirurg 91, 265-266 (2020).

2 World Health Organization. FROM INNOVATION TO IMPLEMENTATION – eHealth in the WHO European Region, https://www.euro.who.int/__data/assets ... ion-eHealth-Report-EU.pdf (2016).

3 Ärztezeitung. Ärzte faxen am liebsten, https://www.aerztezeitung.de/Kooperati ... n-am-liebsten-310948.html (2017).

 

Dr. med. Anahita Fathi, Sprecherin der AG Junge DGIM, Fachärztin I. Med. Klinik – Sektion Infektiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: „Als junge Ärzt:innen wollen und müssen wir diesen Prozess mitgestalten, um die digitalen Prozesse auf die Bedürfnisse unserer Patient:innen anzupassen.“

 

 Foto: Adobe Stock /HNFoto

 


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