KHZG: Herr Spahn nimmt viel Geld in die Hand, um die Krankenhäuser digitaler und innovativer zu machen!

KHZG

Veröffentlicht 30.10.2020 10:30, Kim Wehrs

Im schier grenzenlos scheinenden Willen, als einer der Gesundheitsminister mit den meisten Gesetzen in die Annalen der politischen Geschichte eingehen zu wollen, hat Herr Spahn nun ein weiteres Gesetz auf den Weg gebracht. Mit dem eher nüchternen Titel „Krankenhaus-Zukunftsgesetz“ (KHZG). Eine Einschätzung von Reimar Engelhardt, Vorstand Bundesverband KHIT.

Doch was verbirgt sich hinter dem zu vielen Spekulationen reizenden Namen? Werden die Krankenhäuser eine Zukunft haben? Alle? Wie sieht diese Zukunft aus?
Am einfachsten lässt sich die erste Frage mit einem Ja beantworten. Und um es vorwegzunehmen, es darf davon ausgegangen werden, dass nicht alle Krankenhäuser eine Zukunft erleben werden, ob dann wegen oder ungeachtet des Gesetzes, wird mittelfristig die Zukunft zeigen.

Wer zahlt was?

Herr Spahn hatte angekündigt, dass die Krankenhäuser durch das Gesetz eine noch nie dagewesene, unvorstellbare Summe in Höhe von 4,3 Mrd. Euro erhalten. Und er hat sich das ganz uneigennützig ans eigene Revers geheftet. Mitnichten schenkt der Bund allen Krankenhäusern 4,3 Mrd. Euro. Der Bund steuert hier zwar den Löwenanteil mit 3 Mrd. Euro bei, ist aber auf die Mitwirkung der Länder angewiesen, die 1,3 Mrd. Euro beitragen müssen.

Als Ausflug am Rande und zur Erinnerung. Wir haben in der Republik eine duale Finanzierung der Krankenhäuser. Einfach gesprochen werden Investitionen von den Ländern getragen, laufende Betriebskosten inkl. Personal von den Kostenträgern. Nun sollen Länder, die seit Jahren ihren Verpflichtungen zur angemessenen finanziellen Ausstattung der Krankenhäuser nicht ausreichend nachgekommen sind, plötzlich Mittel bereitstellen? Nur weil der Bund einen Großteil der Summe übernimmt? Warum dann nicht auch komplett das Modell ändern und den Bund mit in die Finanzierung der Gesundheitsversorgung einbinden und die Länder zu ausführenden Organen machen? Auch an dieser Stelle ist der Föderalismus mittelfristig sicherlich überholt. Zumal dem Bund als zentrale Institution eher eine republikweite, sinnhafte Planung der Gesundheitsversorgung auf sachorientierter Ebene zuzutrauen ist als den Ländern.

Nachholbedarf für die Digitalisierung

Zurück zum Gesetz der Krankenhauszukunft. Auch dieses Gesetz wird Krankenhausschließungen nicht verhindern, sondern wie bisher auch subtil fördern. Es fehlt weiterhin eine zweckmäßige, sinnhafte, vorausblickende und nachvollziehbare bedarfsorientierte Krankenhausplanung mit dem Aufzeigen von Alternativen. Denn allein bei der Rechnung 4,3 Mrd. Euro geteilt durch rund 1.800 potentiell in Frage kommender Krankenhäuser ist das ein Betrag von rund 2,4 Mio. Euro je Krankenhaus. Eine Studie des KH-IT in Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg aus dem Jahr 2017 ergab einen zusätzlichen Finanzbedarf der IT. Die Zielsetzung war alleine das Aufholen des schon in 2017 vorhandenen Nachholbedarfs für die Digitalisierung. Nun sind schon fast vier Jahre vergangen, aber zusätzliche Finanzmittel für die IT wurden nichtverfügbar gemacht. Der Nachholbedarf dürfte inzwischen schon wegen zusätzlicher Anforderungen weiter gestiegen sein (KRITIS, Telematik usw.). Damit dürften diese 4,3 Mrd. Euro nur als erste Anschubfinanzierung gesehen werden, sollten diese auch wirklich in den IT-Budgets auftauchen.

Kommt nun Herr Spahn den Forderungen des KH-IT e.V. nach? Denn für drei Jahre Förderzeitraum über 4,3 Mil. € wären es ja über fünf Jahre 7,2 Mil. €, also bei weitem nicht der Betrag der ab 2017 vom KH-IT e.V. ermittelt wurde. Und in diesem Betrag waren weder Robotik noch Telemedizin usw. enthalten.

Rennen ums Geld

Somit wird es also ein Rennen ums Geld geben, wer zuerst kommt mahlt zuerst. Oder?

Aber halt. Natürlich ist die Geldverteilung nicht als warmer Regen für alle und nach transparenten Verteilungsschlüsseln gedacht. Es soll darum gehen, mit den Mitteln Digitalisierung und medizinische Innovationen durch IT-Unterstützung voranzubringen. Damit nun nicht jedes Krankenhaus meint, mit jeglicher Idee den Bedarf begründen zu können, hat Herr Spahn sich des digitalen Reifegradmodells erinnert und dieses als Maßstab für den Erfolg des Gesetzes festgelegt.

Reifegrad ermitteln

Um hierbei keinen Wildwuchs zu beschwören, soll es eine wissenschaftlich begleitete Erhebung geben, die auf Basis der Selbstauskunft den Reifegrad ermittelt. Offen ist noch welche anerkannten Reifegradmodelle dafür vom Ausschreibungsgewinner akzeptiert werden. Nach zwei Jahren ist dann nachzuweisen, ob mit den dann ausgegebenen Mitteln auch ein höherer Reifegrad erreicht wurde. Wobei Selbstauskünften auch immer der Geruch von manipulativer Eigennutzung anhängig ist. In diesem Fall würde ein neutrales externes Review notwendig sein? Denn zu groß wäre die Versuchung alleine die Leuchtturmprojekte zu bewerten und die nicht vorhandene flächenweite Nutzung im ganzen Haus zu übergehen.

Zumindest diesem Aspekt im Gesetz kann man etwas Positives abgewinnen. Ließe sich dann ja ein – zumindest für den wahrscheinlich großen Teil an antragstellenden Krankenhäusern – landesweiter, transparenter Reifegrad in Digitalisierung erheben und die Erkenntnis gewinnen, was nötig wäre, um die Krankenhauslandschaft insgesamt weiter sinnhaft zu digitalisieren. Und was das dann kosten würde. Allerdings darf man nicht so naiv sein, wirklich mit weiteren Geldern zu rechnen. Auch die PPR wurde seinerzeit abgeschafft, als sie den sachlichen Nachweis brachte, es werden mehr Pflegekräfte benötigt.

Allerdings bedingt dieses, durchaus zu begrüßende Vorgehen, ein Bild der digitalen Krankenhauslandschaft zu gewinnen, ein einheitliches Reifegradmodell. Interessant war die letzten Wochen zu sehen, wie viele Mails von diversen Beratern dazu einluden, nun schnell den Reifegrad zu ermitteln, um die nötigen Anträge zu stellen und in den Genuss der Fördermittel zu kommen. Zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht klar ist, welche Reifegradmodelle anerkannt werden.

Auswertung zur Digitalisierung der Krankenhäuser

Laut Gesetz soll bis zum 28.02.2021 die Forschungseinrichtung – also eine Hochschule oder Universität – mit der Auswertung zur Digitalisierung der Krankenhäuser beauftragt werden. Hierfür sind lt. Gesetzesunterlagen 11,5 Mio. Euro vorgesehen. Die Ergebnisse sollen dann bis 30.06.2021 vorliegen.

Auch wenn es nicht so eindeutig formuliert ist, könnte diese Bewertung eine Voraussetzung sein, um den Antrag auf die Fördermittel bis 31.12.2021 zu stellen. Für die Anträge soll es bundeseinheitliche Vorlagen geben und sie sind an die Länder zu richten. Diese wiederum sammeln die Anträge und reichen sie zur Prüfung und Bewilligung ans Bundesamt für Soziale Sicherung (ehemals „Bundesversicherungsamt“) ein. Das BAS soll bis zum 30. November 2020 Förderrichtlinien erlassen, in denen die Voraussetzungen für eine Förderung der einzelnen digitalen Dienste konkretisiert werden. Der Termin ab dem die "Förderantragsformulare" durch das BAS bereitgestellt werden sollen, ist noch offen.

Die Prüfung auf die Erfüllung der Fördervoraussetzung sollen externe IT-Dienstleister mit entsprechender Eignung übernehmen. Diese „Auditoren“ werden ab dem 15. November 2020 in kostenlosen Schulungen im Internet dazu qualifiziert. .

Fördermittel sinnvoll ausgeben

Inhaltlich gibt es im Grunde einen großen, gut argumentierbaren Blumenstrauß an Möglichkeiten, die Fördermittel für ITZwecke sinnvoll auszugeben. Dazu zählen u.a. Ausgaben für ITSicherheit, Einrichtung von Patientenportalen und Telemedizin, Robotik, digitalisiertes Medikamentenmanagement (Stichwort „AMTS“), Entscheidungssysteme mit KI-Unterstützung. Aber auch hier ist nicht alles eitel Sonnenschein: Investitionskosten sind gedeckt, sogar bis hin zu Schulungen, aber leider keine später fortlaufenden Betriebskosten wie HW-Wartung, SWPflege, personeller Supportaufwand und zuletzt noch der in späteren Jahren kommende Re-Investitionsaufwand. Das gleiche Dilemma also wie in der Finanzierungsvereinbarung zur TI-Implementierung.

Zu den geschilderten Punkten gibt es im Gesetz noch viele weitere Dinge, die bei Antragstellung und Berechnung der Fördermittel zu berücksichtigen sind.

Aber ist es nun der große geschichtlich einmalige Wurf von Herrn Spahn?

Hier bleiben doch arge Zweifel. Allein in der Betrachtung des Terminrahmens entstehen große Zweifel, wann und ob man überhaupt an die Fördermittel kommt. Vorausgesetzt die Geschäftsleitung unterliegt nicht dem Risikobewusstsein eines Andreas Scheuer und beauftragt die Projekte ohne Bewilligungsbescheid der Fördermittel. Dann würde im Jahr 2022 der Fördermittelbescheid ins Haus flattern. Die Ausgaben für die
einzelnen Maßnahmen dürften sich in einer finanziellen Höhe bewegen, die zumindest nationaler, wenn nicht in der Mehrheit sogar europaweiter Ausschreibungen bedürfen. Damit geht dann 2022 ins Land und wenn es gut läuft, erfolgen in 2023 die Umsetzung und der Produktivstart. Aber Achtung – zum 30.06.2023 sollte oder muss nachgewiesen werden, dass die Mittel den in 2021 erhobenen Digitalisierungsgrad gesteigert haben. Sonst passiert was. Aber was? Fördergelder werden zurückgezahlt werden müssen.

Was bleibt übrig?

Wie oft auch in IT-Projekten minderer Güte und geringen Erfolgsaussichten – ein hehres Ziel, die Krankenhäuser über zusätzliche Zuwendungen für den digitalen Weg weiter fit zu machen. Die Rahmenbedingungen wurden aber so kleinteilig und regulatorisch gesetzt, dass die Gefahr besteht, am Ende die anvisierten Ziele nicht zu erreichen. Was wiederum entweder dazu führt, mit viel Aufwand noch nachzusteuern oder das Programm wird keine nachhaltige Wirkung erzeugen.

Unsere Sorge ist aber, ob diese Mittel auch wirklich als Add-on im IT-Budget der Häuser ankommen. In den Fördermitteln sind auch Themen beinhaltet die man nicht unbedingt der IT zuordnet (technische Ausstattung der Notaufnahme,Telemedizin, Robotik und Hightechmedizin). Weiterhin besteht leider in unserem schwach finanzierten Gesundheitssystem die nachvollziehbare Gefahr, und hier besonders in den Krankenhäusern, dass der findige und gebeutelte Geschäftsführer einer Klinik eigentlich schon anstehende und geplante ITProjekte über diese Mittel zweckgebunden finanziert und im Gegenzug innerhalb des Hauses die Zuteilung von pauschalen Fördermitteln an die IT kürzt, um dafür andere Vorhaben zu finanzieren (z.B. Beschaffungen in der Medizintechnik usw.)?

Herrn Spahn wird sein hochfrequenter Aktionismus im Erfinden neuer Gesetze dennoch weiter beflügeln und wahrscheinlich in ungeahnte Höhen tragen. Gebremst werden könnte er nur noch durch zwei Vorkommnisse: die wirtschaftliche Lage unseres Landes verschlechtert sich weiter und damit auch die Finanzmittel für die Gesundheitsversorgung oder er wird Nachfolger von Frau Merkel in einer neuen Regierung. Beides keine guten Optionen.

Autor: Reimar Engelhardt, Vorstand Bundesverband KH-IT

Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Ausgabe Oktober 2020
Foto: Adobe Stock / Andy Dean




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