Die Reise der Daten

Interview

Veröffentlicht 15.10.2021 08:50, Kim Wehrs

Als Gesundheitsbranche innerhalb der Orange Gruppe hat sich Enovacom seit 20 Jahren als Spezialist für die Übertragung und den Austausch von Gesundheitsdaten in Europa einen Namen gemacht. Was das Unternehmen nun auf den deutschen Markt treibt, haben uns Geschäftsführer Laurent Frigara, Fabrice Treziny, Outbound Sales Manager, und Mourad Zeghilet, Business Development Manager DACH, erläutert.

Wie genau sieht das Lösungsportfolio von Enovacom aus?

Laurent Frigara: Wir verstehen uns als Anbieter von Lösungen zur Interoperabilität der Informationssysteme im Gesundheitswesen. Als solcher verfolgen wir das Ziel, innovative Lösungen zu entwickeln, mit deren Unterstützung medizinische Fachkräfte den Versorgungspfad und die Patientenerfahrung verbessern können.


Was heißt das genau?

L. Frigara: Wir verfügen über jahrelange Erfahrung bei der Vernetzung von Software-Lösungen für Gesundheitseinrichtungen. In Frankreich sind wir Marktführer und zählen aktuell weltweit über 2000 Kunden. Denen stellen wir eine Interoperabilitätsplattform zur Verfügung, über die sie Informationen und Daten aus unterschiedlichsten Systemen ohne besondere Programmierkenntnisse austauschen können. Ein zweites, nicht minder wichtiges Standbein ist die Vernetzung von Medizingeräten. Da sorgen wir für die reibungslose Übertragung von Vitaldaten eines Patienten in seine elektronische Patientenakte.


In welchen europäischen Märkten sind Sie aktiv?

L. Frigara: Unser Hauptmarkt ist Frankreich, da haben wir einen Marktanteil von 60 Prozent mit unseren unterschiedlichen Lösungen. Daneben sind wir stark in England, Kanada, Belgien, Luxemburg, der Schweiz und neuerdings Finnland. Dort sind wir über einen Partner, einen bedeutenden Medizintechnikanbieter, an einem Riesenprojekt beteiligt und integrieren rund 1.600 Medizingeräte. In Deutschland haben wir nun auch erstes Interesse bei Kliniken geweckt.




Laurent Frigara

Warum der Sprung auf den deutschen Gesundheitsmarkt?

Mourad Zeghilet: Zum Einsatz unserer Lösungen benötigen wir einen gewissen Grad der Digitalisierung, den Deutschland im Gesundheitswesen nun mit Macht anstrebt. Deutschland ist der größte Markt in Europa und mittlerweile reif, weil auch die Regierung mit dem Krankenhauszukunftsgesetz ein bedeutendes Investitionsprogramm gestartet hat.

Also hat auch das KHZG Sie bewogen, den Weg nach Deutschland zu gehen?

Fabrice Treziny: Nur sehr indirekt. Es geht nicht in erster Linie um Geld. Für die richtigen Lösungen ist immer Geld da. Vielmehr bemerken wir eine noch höhere Bereitschaft, sich mit Fragen der flächendeckenden Digitalisierung auseinanderzusetzen und den Rückstand der Krankenhäuser aufzuholen. Dazu wollen wir unseren Teil beitragen. Die Einrichtungen investieren derzeit in IT-Systeme und müssen demnach auch die Interoperabilität zwischen den verschiedenen Systemen herstellen. Da kommen wir dann ins Spiel.


Wie sieht Ihr Team in Deutschland aus?

M. Zeghilet: Im Vertrieb sind wir zurzeit zu viert, setzen aber auch auf starke Partner. Bei der Installation und dem Service unserer Lösungen beispielsweise unterstützt uns Maris Healthcare. Wir haben im Januar dieses Jahres begonnen, die deutschen Krankenhäuser zu kontaktieren und auszuloten, ob ein Bedarf für unsere Lösungen besteht. Die Rückmeldungen waren ermutigend.


Welches Feedback haben Sie bekommen?

F. Treziny: Neugierde, aber auch Furcht. Groß ist die Neugierde auf unsere Interoperabilitätslösung zur Integration von Geräten aus dem Patientenmonitoring: Patient Connect. Das gibt es in dieser Form in Deutschland noch nicht. Aus diesem Unbekannten erwächst aber auch die Furcht, ein derartiges Integrationsprojekt umzusetzen. Das kostet Zeit, bindet Ressourcen und stellt gewohnte Abläufe auf den Kopf.

Wie argumentieren Sie dagegen an?

F. Treziny: Indem wir die Lösung präsentieren und zeigen, wie einfach sie ist. Wir hören dann: „Wie schaffen wir das? Wir können nicht selbst programmieren.“ Nein, müssen Sie auch nicht. Jeder, der ein wenig Kenntnisse von Informatik hat, kann die Integrationsplattform einrichten und bedienen – auch ohne Programmierkenntnisse. Man kann sich das wie ein Formular vorstellen. Dort werden in einer Spalte die
Systeme eingetragen, die ihre Daten mitsamt des Datenformats übertragen wollen, und in der anderen das System, das diese Daten empfängt. Unsere Plattform übernimmt dann die Übersetzung zwischen den Systemen und sorgt für einen nahtlosen Datentransfer.


Fabrice Treziny


Wo genau liegen die Vorteile für die Krankenhäuser?

F. Treziny: Ich verdeutliche das an einem Beispiel. Wenn ein Krankenhaus eine neue Software nutzen will, dann muss eine separate Schnittstelle mit dem Krankenhaus-Informationssystem programmiert werden – für jedes neue System wieder. Setzt die Einrichtung auf unsere Plattform, muss sie sie nur damit verlinken. Das geht schneller, ist billiger und zudem deutlich einfacher zu verwalten. Unsere Lösung erleichtert beispielsweise das Fehlermanagement. Heute ist es so, dass die Softwareanbieter bei Problemen im Datenaustausch gerne mit dem Finger auf den jeweils anderen zeigen. „Es liegt nicht an uns, hier ist alles in Ordnung. Der Fehler liegt beim anderen System.“ Unsere Plattform ist neutral, wir arbeiten mit allen Softwareanbietern und allen Geräteherstellern zusammen. Wir dokumentieren jeden Datentransfer und können Fehlerquellen genau benennen. Das erspart dem Anwender die aufwendige Analyse und lästige Diskussionen.



M. Zeghilet: Es gibt noch einen weiteren Vorteil. In den meisten Krankenhäusern herrscht Fachkräftemangel. Um dem zu begegnen, muss man entweder viel mehr Pflegepersonal einstellen und ausbilden oder die Prozesse im Klinikalltag weiter automatisieren. Genau das unterstützen wir mit einem reibungslosen Datenaustausch. Ein Beispiel: Während der Corona-Pandemie müssen sich die Pflegekräfte jedes Mal
umziehen, wenn sie ein neues Zimmer betreten, um Vitalparameter zu notieren. Allein aufgrund der automatisierten Erfassung und Übertragung von Vitalparametern sparen sie bis zu einer Woche pro Jahr und Mitarbeiter.


Was meinen Sie, wie wird das deutsche Gesundheitswesen in fünf bis sieben Jahren aussehen?

F. Treziny: Die deutschen Gesundheitseinrichtungen werden sehr viel digitaler arbeiten als noch heute. Wenn die Deutschen sich etwas vornehmen, dann geben sie Vollgas und machen, was gemacht werden muss – nicht um gut oder besser zu werden, sondern um perfekt zu werden. Wenn sie starten, kann man sie nicht mehr halten. Und der Startschuss war das Krankenhauszukunftsgesetz. In vielleicht zehn Jahren wird Deutschland Frankreich und England in punkto Digitalisierung und Interoperabilität meines Erachtens hinter sich gelassen haben.



Mourad Zeghilet



M. Zeghilet: Heute reden wir noch über Digitalisierung als automatische Dokumentation von Pflegeprozessen, eRezept, elektronische Patientenakte und solche Themen. Sehr schnell kommen dann aber auch Big Data, maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz dazu. Und auch da wird Deutschland dann schnell aufholen. Wir wollen Einrichtungen in die Lage versetzen, ein virtuelles Krankenhaus zu etablieren.
Das würde dann einen reibungslosen und sicheren Datenaustausch zwischen verschiedenen Einrichtungen voraussetzen, um eine bessere, einfachere und schnellere Patientenversorgung zu gewährleisten.

Herr Frigara, Herr Treziny, Herr Zeghilet, vielen Dank für den spannenden Austausch.
Das Interview führte Ralf Buchholz.


Quelle: Krankenhaus-IT Journal, Oktober 2021


Lesen Sie mehr zum Thema "Aus dem Markt"

Lesen Sie hier die neuesten Beiträge

Cyber-Sicherheitsrisiken in Krankenhäusern
IT-Sicherheit & Kritis
ITSec
Diese Webseite verwendet Cookies.   Mehr Info.      oder