Health-IT-Talk Berlin-Brandenburg: Patientenportale und Patientenpartizipation sind mehr als Technologie

HealthIT

Veröffentlicht 22.03.2022 10:00, Dagmar Finlayson

Patientenportale und Patienteninvolvierung waren Themenfelder des virtuellen Health-IT-Talks Berlin-Brandenburg im März 2022. Die digitale Einbindung der Patientinnen und Patienten in den Behandlungsprozess weist erheblichen Nachholbedarf aus. Licht am Horizont signalisierten die Referenten Dr. Ralf Brandner, Geschäftsführer x-tention Informationstechnologie GmbH, und  Michael Heinlein, Geschäftsführer Emento GmbH, mit ihrem Blick in die Praxis.

Von Wolf-Dietrich Lorenz

Patientenportale bieten mehr als nur allgemeine Informationen über das Krankenhaus wie eine Übersicht über das Leistungsangebot, Anfahrtswege und Ansprechpartner. Patientenportale ermöglichen eine Interaktion zwischen Patienten und dem Krankenhaus. So können z. B. Online-Termine vereinbart und Dokumente ausgetauscht werden. Alle  relevanten Funktionalitäten werden sicher und effektiv den Patienten zur Verfügung gestellt. Soweit die Theorie.

In der Praxis sind die ersten Ergebnisse des DigitalRadars zur Evaluierung des Reifegrads deutscher Krankenhäuser im Bereich der Patientenpartizipation ernüchternd. Bei 5 von 100 möglichen Punkten lag der durchschnittliche Wert, der unter anderem Auskunft darüber gibt, wie Patientinnen und Patienten Zugang zu Informationen erhalten und ob und auf welche Weise sie an ihrem Behandlungsverlauf partizipieren. Damit rangiert die digitale Patientenpartizipation im gesamten Digitalisierungskontext abgeschlagen weit hinten. 

In der Dimension „Resilienz-Management und Perfor­manz“ lag der Anteil bei 45 Prozent, in der Dimensi­on „Organisatorische Steuerung und Datenmanage­ment“ bei 41 Prozent, in der Dimension „Klinische Pro­zesse“ bei 39 Prozent, in der Dimension „Informa­tionsaustausch“ bei 25 Prozent, in der Dimension „Tele­health“ bei 18 Prozent und in der Dimension „Patientenpartizipation“ bei fünf Prozent.

Der Krankenhauszukunftsfonds und die darin festgelegten Fördertatbestände adressieren die durch den DigitalRadar festgestellten Bedarfe. So wurden allein in den Fördertatbeständen «Digitale Dokumentation» und «Patientenportale» jeweils über 1000 Förderanträge gestellt.

Bei der digitalen Einbindung der Patientinnen und Patienten in den Behandlungsprozess weist das DigitalRadar auf erheblichen Nachholbedarf hin.

Referent  Michael Heinlein, Geschäftsführer Emento GmbH: „Besseres Verständnis führt zu besserer Partizipation. Bessere Partizipation führt führt zu kürzeren Liegezeiten.“

Wie die beiden Referenten des Health-IT-Talk Berlin-Brandenburg aufzeigten, haben die Kliniken das Defizit erkannt: Die zweitmeisten Krankenhauszukuftsgesetz (KHZG)-Förderanträge entfallen auf den FTB#2, also die Implementierung eines Patientenportals. Aber Achtung: Patientenportal ist nicht gleichbedeutend mit Patientenpartizipation. Hierfür braucht es besondere Lösungen, die vor allem einen hohen Individualisierungsgrad erlauben – und das bei geringem administrativen Aufwand. Ein gutes Patientenportal adressiert viele Zielgruppen: Verwaltung, Pflegende, Ärztinnen und Ärzte, IT-Verantwortliche – und eben ganz gezielt auch die Patientinnen und Patienten. Zudem sind die Muss- und Kann-Kriterien vielfältig. Es bedarf einer leistungsfähigen Lösung, die in die vorhandenen Systeme und Prozesse der Krankenhäuser integriert werden kann. Anhand von verschiedenen Projekten werden beispielhaft Lösungen zur Umsetzung von Patientenportalen und deren Integration aufgezeigt.

Patientenportale „Fördertatbestand 2 (§19 KHSFV Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 KHSFV)“ sollen den Kommunikationsaufwand reduzieren, den Austausch von Informationen beschleunigen und die Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten verbessern. „Es reicht nicht, einfach nur ein Stückchen Technologie hinzustellen,“ betonte Ralf Brandner. „Für den Erfolg sind Faktoren wichtig wie frühe Einbeziehung von Datenschutz zur Erstellung der Datenschutz-und Datensicherheitskonzepte, Berücksichtigung der Prozessänderungen in den Kliniken sowie eine tiefe Integration in die Primärsysteme und Plattformen der Kliniken, um Mehrarbeit für die Anwender zu vermeiden.“

Referent Dr. Ralf Brandner, Geschäftsführer x-tention Informationstechnologie GmbH: „Es reicht nicht, einfach nur ein Stückchen Technologie hinzustellen.“

Es gibt bereits Beispiele für Lösungen zur Umsetzung von Patientenportalen und deren Integration. Doch da über 1100 Akut-Kliniken mit verschiedenen Patientenportalen weder untereinander kommunizieren können noch mit irgendwelchen anderen Systemen und Lösungen, ist Interoperabilität eines der wichtigsten Kriterien im Rahmen der Umsetzung. HL/7, FHIR und IHE sind Kernpunkte.

Berücksichtigt man, dass die Patientinnen und Patienten der eigentliche Grund für die Existenz von Krankenhäusern sind und im Mittelpunkt des gesamten Tuns stehen, klingen die DigitalRadar- Ergebnisse paradox. Michael Heinlein stellte als Erfolgskriterien für Patientenpartizipation und Klinikmotivation heraus: „Kommunikation führt zu besserem Verständnis. Bessere Partizipation führt führt zu kürzeren Liegezeiten. Besseres Verständnis führt zu besserer Partizipation.“

Die KHZG-Förderung läuft 2024 aus. Dann sollte die Kliniklandschaft in Sachen Informationsaustausch, Telehealth und vor allem Patientenpartizipation auf einem international vergleichbaren Niveau sein. In der Branche ist dazu Erwartungsdruck zu vermerken. Wer von weit unten komme, so der Kommentar, werde es weder über Nacht und wohl auch nicht in den nächsten drei Jahren von 0 auf 100 schaffen.

 


Nächste Termine des Health-IT-Talks Berlin-Brandenburg
- Mo, 11. April: Projektmanagement: Warum scheitern Ihre KHZG-Projekte? Was garantiert Erfolg von Projekten?
- Mo, 9. Mai
- Mo, 13. Juni
- Mo, 11. Juli


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Branchenprofis tauschen sich im monatlich stattfinden Health-IT-Talk Berlin-Brandenburg verbands- und fachrichtungsübergreifend zur Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft aus. Die vier Partner ( IT-Branchenverband SIBB e.V., KH-IT Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/Leiter e.V., BVMI – Berufsverband Medizinischer Informatiker e.V., TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte Medizinische Forschung e.V., BVMI, KH-IT, SIBB, TMF) beschäftigen sich mit aktuellen Branchenthemen in Fachvortrag und Diskussion.

Informationen (Termine, Vorträge, Videomitschnitte)

www.health-it-talk.de

Symbolbild: Pixabay/Firmbee


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