Wie Computersysteme die Medikationssicherheit unterstützen können, war Thema des Health-IT Talk Berlin-Brandenburg im April 2023, der 147 in Folge. Die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) als Baustein einer umfassenden Gesamtstrategie erhöhen könnte die IT-Unterstützung. Allerdings nur teilweise. Ein gewisser Anteil der Verordnungen steht immer noch auf Papier und damit sind einige Fallstricke verbunden. Den Bogen zur Praxis schlug Dr. Juliane Eidenschink, Produktmanagerin bei ID GmbH & Co. KGaA mit einer Produktskizze. Moderator war Stefan Zorn, Health-IT Talk Berlin-Brandenburg.
von Wolf-Dietrich Lorenz
Der April-Talk gab einen Überblick über technische Möglichkeiten von AMTS. Jeder Patientenaufenthalt im Krankenhaus beinhaltet eine Arzneimitteltherapie. Vom Informationsaustausch zwischen den Fachgruppen, über das Verwalten der Medikamentenbestände bis hin zur korrekten Abgabe des Medikamentes: die Digitalisierung dieses komplexen Prozesse erhöht die Behandlungsqualität und reduziert Therapiefehler.
Obwohl die Arzneimitteltherapie zunehmend komplexer, risikoreicher und kostenintensiver wird, folgt der Arzneimittelversorgungsprozess im Krankenhaus nicht selten noch überkommenen Strukturen und traditionellen Prozessen. Entsprechend optimierbar ist oftmals die Ergebnisqualität. Nach Infektionsgefahren stellen Medikationsfehler für Patienten ein großes Risiko dar. Die Datenlage zu Patienten, die durch vermeidbare Medikationsfehler und Folgekosten geschädigt wurden, ist ernüchternd. Fachkräftemangel ist im Gesundheitswesen ein großes Thema. Zur Nutzung der vorhandenen Ressourcen geht es dabei darum, wie sich Prozesse verschlanken, vereinheitlichen und automatisieren lassen.
Abb: eMedikation: Prozessschritte und Module
Da der Medikationsprozess im Krankenhaus komplex ist, ist es besonders wichtig, Mechanismen einzuführen, die das Fehlerrisiko reduzieren. Dies beginnt damit, dass Medikationsinformationen häufig in unterschiedlichen Informationssystemen und in unterschiedlichem Detailgrad dokumentiert und gespeichert werden.
eMedikations-Lösungen zeigen, wie sich mit durchdachtem Medikationsmanagement die Patientensicherheit erhöhen und medizinisches Personal entlasten lassen. Unerwünschte Arzneimittelereignisse gehören zu den vermeidbaren Fehlern in der Medizin. Eine wichtige Voraussetzung für AMTS ist die Digitalisierung des Medikationsablaufs. Der Weg von der Verordnung eines Medikaments durch den behandelnden Arzt bis zur Dokumentation der Gabe besteht aus einer Vielzahl einzelner Prozesse, an denen verschiedene Personen aus unterschiedlichen medizinischen Bereichen beteiligt sind. Obwohl dieser Ablauf sehr komplex ist, verläuft er häufig noch auf Papiergrundlage. Diese Hemmschwelle in der derzeitigen Praxis kritisierte die Referentin. Damit sind Fallstricke verbunden. In einer Papierakte bleibe manchmal offen, was der Arzt per Hand angeordnet habe, Lesbarkeit und Vollständigkeit von Anordnungen seien unklar.
Auch die intersektorale Kommunikation berge das Risiko von Medienbrüchen. Diese könnten Auslöser arzneimittelbezogener Probleme sein und die Sicherheit der Patienten gefährden.
eMedikationslösungen auf Basis eines Terminologieservers könnten die Sicherheit der Patienten unterstützen, wie die Referentin mit Blick auf die Konturen des gesamten Medikationsprozesses ausführte.
eMedikations-Lösungen sind interdisziplinär. Von der Erfassung der Eingangsanamnese über die Anpassung an die Hausliste und die stationäre Verordnung bis hin zur Dokumentation der Entlassmedikation im Arztbrief werde der gesamte Medikationsprozess abgebildet. Ärzte, Pflege und Apotheker, aber auch Medizincontroller, könnten von Funktionen wie einer sicheren Dokumentation von Arzneimittelgaben, umfangreichen Informationen zu Medikamenten und Prüfungen im Kontext des Patienten profitieren. Neben Arzneimittelinteraktionen würden Diagnosen, Laborwerte und Dosierungen einbezogen.
KHZG-Goldstandard Closed-loop Systeme
Auch der KHZG-Fördertatbestand 5 „Arzneimitteltherapiesicherheit“ soll in Krankenhäusern durch Maßnahmen das digitale Medikationsmanagement erhöhen. Dazu müsse die Medikation in interoperablen Systemen durchgehend digital dokumentiert werden und diese Informationen für alle am Behandlungsprozess Beteiligten ständig verfügbar sein. Als Goldstandard des (digitalen) Medikationsprozesses gelten daher sogenannte Closed-Loop-Systeme. Diese beschreiben einen in sich geschlossenen, umfassenden, transparenten und digitalen Medikationsprozess. Durch Closed-Loop Systeme wird gewährleistet, dass alle relevanten Informationen zur Patientin bzw. zum Patienten und dessen Medikation zu jeder Zeit verfügbar sind. Dies ermöglicht, dass durch automatisierte (ggf. KI gestützte) Prüfungen, Wechselwirkungen, Kontrainduktionen etc. schneller erkannt, unerwünschte Arzneimittelereignisse reduziert und die Patientensicherheit somit erhöht werden kann.
AMTS als Baustein einer umfassenden Gesamtstrategie
Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität stehen auf der aktuellen Agenda oben. AMTS ist ein Baustein einer umfassenden Gesamtstrategie sein, die vor allem auch die klinischen und organisatorischen Prozesse, Rollen, verantwortlichen Personengruppen und verfügbaren Werkzeuge beschreibt. Arzneimittelversorgungsprozess ist ein wichtiger Querschnittsprozess mit erheblichem Einfluss auf die Ergebnisqualität. Der April-Talk zeigte die Komplexität der medikamentösen Therapie auf, wies auf Risiken hin und nahm auch unter die Lupe, wie Expertensysteme die Arzneimitteltherapiesicherheit unterstützen können.
Dr. Juliane Eidenschink, Produktmanagerin bei ID GmbH & Co. KGaA, schlug den Bogen zur Praxis mit einer Produktskizze.
Moderator war Stefan Zorn, Health-IT Talk Berlin-Brandenburg.
Health-IT Talk
Branchenprofis tauschen sich im monatlich stattfindenden Health-IT-Talk Berlin-Brandenburg verbands- und fachrichtungsübergreifend zur Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft aus. Die vier Partner ( IT-Branchenverband SIBB e.V., KH-IT Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/Leiter e.V., BVMI – Berufsverband Medizinischer Informatiker e.V., TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte Medizinische Forschung e.V., BVMI, KH-IT, SIBB, TMF) beschäftigen sich mit aktuellen Branchenthemen in Fachvortrag und Diskussion.
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