Mit Telemedizin die Palliativversorgung auf Intensivstationen verbessern

Charité

Veröffentlicht 19.01.2024 08:10, Dagmar Finlayson

Die palliative Versorgung von Patient:innen ist auf Intensivstationen übliche Praxis. Doch verfügt nicht jede Klinik über spezialisierte palliativmedizinische Expertise. Können telemedizinische Beratungen die Palliativversorgung auf Intensivstationen weiter verbessern? Dieser Frage geht ein internationales Forschungskonsortium unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin nach. Das jetzt gestartete Projekt „Enhancing palliative care in ICU“ (EPIC) wird von der EU-Kommission für fünf Jahre mit rund 6,3 Millionen Euro gefördert.

Den Leidensdruck wie Schmerzen und andere Beschwerden schwerkranker Patient:innen gezielt lindern, um ihre Lebenszeit und Lebensqualität bestmöglich zu erhalten und zu fördern – das ist das Ziel der sogenannten Palliativmedizin. Sie ist ein wichtiger und etablierter Teil der intensivmedizinischen Versorgung. Sind Krankheitsbild und Symptome jedoch sehr komplex, kann es für das intensivmedizinische Personal hilfreich sein, sich von spezialisierten Palliativmediziner:innen zum konkreten Fall beraten zu lassen. „Es haben allerdings nicht alle Kliniken eine palliativmedizinische Expertise im Haus“, sagt Prof. Claudia Spies, Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Charité. „Ein systematischer Einsatz von Telemedizin, mit der Expert:innen virtuell und somit schnell und ortsunabhängig hinzugezogen werden können, könnte die Palliativversorgung auf Intensivstationen noch deutlich verbessern.“

Dreiklang des Praxismodells: Weiterbildung, Checklisten, Telemedizin

Wie groß ist der Nutzen von telemedizinischen Beratungen durch palliativmedizinische Expert:innen im Vergleich zur gängigen palliativen Versorgung auf Intensivstationen? Das untersucht das Forschungsteam im Rahmen des EPIC-Projekts. „Bevor die telemedizinische Beratungsphase startet, wird das Klinikpersonal der Intensivstationen zunächst palliativmedizinisch geschult“, erklärt Claudia Spies, die das Forschungsvorhaben leitet. „Weiterhin erarbeiten wir Checklisten, die die Teams dabei unterstützen sollen, möglichst frühzeitig solche Patient:innen zu erkennen, die von einer spezialisierten Palliativversorgung profitieren.“ An dem Forschungsprojekt nehmen rund 2.000 Patient:innen und ihre Familienmitglieder teil. Es wird in sieben klinischen Zentren mit Palliativmedizin sowie 23 multidisziplinären Intensivstationen in fünf europäischen Ländern durchgeführt.

„Mit EPIC bringen wir Kliniker:innen und Forschende aus den Bereichen Palliativ- und Intensivversorgung, Sozialwissenschaften, Pflegewissenschaften, Ethik und Gesundheitsökonomie zusammen und wollen ein harmonisiertes Praxismodell für die Palliativversorgung auf Intensivstationen umsetzen – und zwar europaweit“, sagt Claudia Spies. „Wir hoffen, dass aus unserem Projekt Handlungsempfehlungen hervorgehen werden, die wir Fachgesellschaften zur Verfügung stellen können, und die in die Aus-, Fort- und Weiterbildung des multiprofessionellen intensivmedizinischen Nachwuchses einfließen können.“

Verkürzte Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation

Studien zeigen, dass eine möglichst frühe palliativmedizinische Mitbehandlung die Zeit verkürzt, die Kranke auf der Intensivstation verbringen, die Sterblichkeit dabei aber unbeeinflusst bleibt. Mit EPIC verfolgen die Forschenden daher auch das Ziel, die Liegedauer auf Intensivstationen zu verkürzen – was gesundheitsökonomische Vorteile hat, insbesondere aber für die Betroffenen von unschätzbarem Wert ist. „Palliativmedizinisch optimal versorgte Patient:innen mit schweren, nicht heilbaren Erkrankungen verbringen ihre letzten Tage dann hoffentlich nicht – außer es gibt einen schwerwiegenden Grund – auf der Intensivstation. Das kann für sie und ihre Familien in dieser äußerst kritischen und hochvulnerablen Phase am Ende des Lebens ein Segen sein“, sagt Claudia Spies. „Doch auch schwer oder chronisch kranke Menschen, die nicht am Lebensende stehen, werden palliativ versorgt. Palliativmedizin ist keine Sterbebegleitung, das ist ein häufiges Missverständnis. Etwa die Hälfte der Patient:innen kann nach Hause in eine spezialisierte palliativmedizinische Behandlung entlassen werden. Eine flächendeckende verbesserte palliative Versorgung käme daher allen Patient:innen auf Intensivstationen zugute.“

Mit EPIC wollen die Forschenden außerdem untersuchen, wie gut die palliativmedizinische Versorgung mit telemedizinischer Unterstützung von Patient:innen und Angehörigen wahrgenommen und angenommen wird. Weiterhin soll eine Patienten- und Angehörigengruppe etabliert werden, in der Betroffene Informationen austauschen und sich gegenseitig unterstützen können.

Über EPIC
Das Forschungskonsortium wird geleitet von Prof. Claudia Spies, Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Campus Charité Mitte und am Campus Virchow-Klinikum. Die Förderung erfolgt durch das europäische Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe“. Weitere Partner im Konsortium sind: General University Hospital in Prague (Tschechische Republik), Hebrew University of Jerusalem (Israel), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, King’s College Hospital (Großbritannien), KU Leuven (Belgien), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät der Universität Basel (Schweiz), National and Kapodistrian University of Athens (Griechenland), Università degli Studi di Perugia (Italien), University of Southern Denmark (Dänemark), Universitätsklinikum Erlangen, European Association for Palliative Care (Belgien), European Society of Anaesthesiology and Intensive Care (Belgien), tp21 GmbH. Eine Kooperation mit einer Patient:innen- und Angehörigenvertretung ist geplant.

Bild: Per Telemedizin will das Team des EU-Projekts EPIC die Palliativversorgung auf Intensivstationen verbessern © Charité | Robert Gülland

Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin


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