Interview mit Andreas Bauer, CEO PLANFOX

Die heimliche digitale Revolution

Veröffentlicht 01.02.2024 11:00, Kim Wehrs

Die digitale Begleitung der Patienten wird die Behandlung stärker verändern, als wir es uns heute vorstellen können. Aktuell wird dieses Potential der Digitalisierung noch massiv unterschätzt. Mit der richtigen Plattform kann bereits heute eine zentrale Drehscheibe für alle kommenden digitalen Interaktionen und Therapien geschafft werden.

Was charakterisiert grundsätzlich Ihre Softwarelösung für Patientenportale? Gibt es besondere Schwerpunkte oder auch Alleinstellungsmerkmale bei den Produkten?

Der careMe.hub von PLANFOX unterscheidet sich von anderen Patientenportalen bei einem der wichtigsten Punkte für den nachhaltigen Erfolg des Portals: das ist die Nutzerfreundlichkeit. Ein Portal, dass von Bürgern nicht angenommen wird und keine zufriedenstellende Conversion-Rate hat, ist eine Fehlinvestition. Die Akzeptanz und entsprechend hohe Nutzung des Portals sind essenziell für den Erfolg, und kein “nice to have”, sondern ein Muss, um eine erfolgreiche Patientenflußsteuerung und Entlastung des Personals zu erreichen.

Unser Vorteil ist, dass wir von vorneherein unser Produkt komplett patientenzentriert und bürgerfreundlich aufbauen konnten, und nicht wie andere auf bestehende alte Produkte Rücksicht nehmen mussten. Im Entwicklungsteam waren von Anfang an zertifizierte User Experience Experten dabei. Im Betrieb hat sich das bereits sehr bewährt, es gibt kaum Rückfragen zur Bedienung und viel mehr Bürger als unsere Kunden erwartet hatten, nutzen das Portal.

Die Strategie der Krankenhäuser wird – auch wenn das KHZG grundsätzliche Vorgaben macht - individuell an den jeweiligen Zielen ausgerichtet sein müssen. Wie lässt sich das mit Ihrer Lösung umsetzen?

Ja, individuelle Anpassungen auf jedes Krankenhaus sind sehr wichtig. Dass die PLANFOX careMe.hub Lösungen auf nahezu alle individuellen Bedürfnisse anpassbar sind, beweisen unsere unterschiedlichsten Kunden, von kleinen Krankenhäusern bis zu großen Universitätsklinika. Hier spielt uns in die Karten, dass wir derzeit die modernste modulare Softwarearchitektur haben und bereits zukunftssicher FHIR native sind. Als echtes interoperables und KIS neutrales System können wir daher nicht nur Drittsysteme anbinden, sondern – und das ist einmalig auf dem deutschen Markt - bieten zu den jeweiligen individuellen Krankenhausanforderungen die jeweils passende Lösung aus unserem großen Eco-System. Meines Wissens bieten wir Deutschlands größtes Eco-System für Patientenservices. Die individuellen Anpassungen ermöglichen darüber hinaus der White Label Ansatz, ein flexibles Content-Management-System und eine frei konfigurierbare “Workflow-Engine“.

Patientenportale beziehen zum ersten Mal aktiv Bürgerinnen und Bürger in die Digitale Transformation des Krankenhauses ein. Welche besonderen Herausforderungen entstehen dadurch in der Etablierung der Patientenportale aus Ihrer Perspektive?

Mich ärgert hier die vorherrschende Arroganz, denn nicht wenige behaupten, die Gesundheitsbranche sei derart einmalig, dass wir nichts aus Erfahrungen anderer Sektoren und Branchen lernen könnten. Wir sind jedoch dankbar dafür, dass wir unsere Erfahrungen aus der digitalen Transformation anderen Branchen ins Gesundheitswesen einbringen können. Explizit auch Erfahrungen wie andere ihre Endkunden bzw. die Bürger in ihre internen Prozesse involvierten, z.B. Versicherungen und Banken. Natürlich soll im Gesundheitswesen der persönliche Kontakt zwischen Patienten und medizinischem Fachpersonal nicht durch Maschinen ersetzt werden. Aber Ziel ist es den Behandlern und der Verwaltung eine spürbare Entlastung zu bringen bei gleichzeitig effizienter Lenkung der Patientenströme.

Über alle Branchen hinweg gibt es drei wesentliche Learnings:

1. die Bürger nutzen die digitale Lösung nur, wenn diese extrem nutzerfreundlich ist. Ein einfacher Authentifizierungsprozess und intuitive Nutzerführung sind ein Muss. Das klingt einfach – ist es aber nicht.

2. die Nutzung der digitalen Lösung muss den Nutzern einen Vorteil verschaffen (z.B. Komfort, Einsparungen, Exklusivität). Solange der Bürger mit einem Telefonanruf einfacher zum Ziel kommt, ist das ein sicheres Zeichen, dass die Mehrwerte der Digitalisierung noch nichtgenutzt werden.

3. die ehemals rein internen Prozesse müssen nun aus Bürgersicht umgestaltet werden, um eine reibungslose Verzahnung der Prozesse der Bürger und der internen Unternehmensprozesse zu gewährleisten. Insbesondre an dieser digitalen Transformation der Prozesse scheitern viele Projekte.

Patientenportale werden heute meist für die Institution „Krankenhaus" oder „Krankenhaus-Verbund" gedacht. Wie geht es dann weiter? Was ist Ihre Vision für die Patientenportale nach 2024+x?

In meiner Vision bietet das Patientenportal für viele Behandlungen eine digitale Begleitung an, stationär aber auch insbesondere nachstationär. Wir sind hier mit unserem Portal bereits in Forschungsprojekten, die Ergebnisse sind sehr vielversprechend, eine digitale Begleitung erhöht die Behandlungserfolge und Monitoring reduziert Notfälle.

Aus Bürgersicht ist die Vision sehr einfach. Die Bürger wünschen sich für ihre Region ein übergreifendes Gesundheitsportal, indem alle für ihn relevanten Ansprechpartner zu finden sind, vom Facharzt bis zum Physiotherapeuten, der Apotheke oder dem Sanitätshaus. Wenn hier neben qualifizierten Informationen und Terminbuchungen auch noch telemedizinische Anwendungen zentral genutzt werden können, umso besser.


In den Kliniken herrscht teilweise die Sorge, nach der KHZG-Förderung auf den Folgekosten der Lösung „sitzen zu bleiben". Wo sehen Sie eine „Digitalisierungsdividende" aus der Investitionsförderung, die Patientenportale womöglich zu dauerhaften Service-, Qualitäts und Effizienzboostern macht?

Ich erlebe das so: Krankenhäuser, die das Patientenportal lediglich als weiteres Softwaretool betrachten und keinerlei digitale Prozesstransformation durchführen, werden lediglich ihre IT-Kosten erhöhen. Das ist die brutale Wahrheit. Krankenhäuser, die das Patientenportal nutzen, um die Bürger zu involvieren und die ehemals rein internen Prozesse umzugestalten, werden nicht nur nachhaltig Geld sparen, sondern auch die Einnahmenseite positiv beeinflussen.

Zwei konkrete Beispiele:

a) Patientenportale verringern durch gezielte Vorinformation der Patienten nicht nur teure “No-Shows” bei Terminen, sondern verkürzen auch Aufklärungsgespräche. Hier bieten wir konfigurierbare Aufklärungsvideos in verschiedenen Sprachen an.

b) Patientenportale steuern den Patientenfluss im Vorfeld der Aufnahme bereits durch Chatbots, Terminvergaben und Informationen, so dass mehr erwünschte Fälle aufgenommen werden und zusätzlich auch geeignete Wahlleistungen in Anspruch genommen werden.

Wenn wir von echter digitaler Transformation sprechen, dann entstehen dabei auch neue Angebote und Services, die Kosten sparen oder monetarisiert werden können. Das reicht von Kleinigkeiten wie Patientenbindung über Babyfotos bis hin zu zusätzlichen nachstationären digitalen Services oder stationären Videovisite und ambulanten Telemedizin.


Quelle: Digitalspecial Patientenportale 2024


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