Patientenportal aus einem Guss

Gesundheit Nordhessen erwartet massive Entlastungen für das Team und eine höhere Patientenzufriedenheit

Veröffentlicht 18.05.2024 12:20, Dagmar Finlayson

Der aktuelle Digitalisierungsgrad der Einrichtungen der Gesundheit Nordhessen (GNH) lässt sich gemäß den Ergebnissen des DigitalRadars gegenwärtig auf der EMRAM-Stufe 1 verorten. Im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes strebt der Träger jedoch an, sich möglichst schnell der Stufe 6 anzunähern. Die langfristige Vision ist es, bis zum Jahr 2030 sukzessive die EMRAM-Stufe 7 zu erreichen.

Dazu ist die GNH 2017 mit der Einführung eines neuen Bilddatenmanagementsystems (PACS) in die Digitalisierung seiner Kliniken – das Klinikum Kassel als größtes kommunales Krankenhaus in Hessen und Maximalversorger sowie dem Krankenhaus Bad Arolsen – gestartet. Die IT-Strategie für die Häuser mit insgesamt 1.300 Betten sowie rund 72.500 stationären und 200.000 ambulanten Patienten pro Jahr wird aufgrund des immer größer werdenden Digitalisierungsbedarfs aktuell neu verfasst. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Etablierung von Standards, der digitalen Fallakte für alle Bereiche, einem Single-Sign-on für möglichst alle Applikationen, der Implementierung diverser IT-Sicherheitsmaßnahmen sowie der Anbindung aller Medizingeräte.

Patientenportal bietet einen digitalen Kommunikationskanal

Als wichtigen Schritt auf diesem Weg sehen die Verantwortlichen die Einführung eines Patientenportals. Sie versprechen sich davon eine Verbesserung der Erreichbarkeit sowie der Prozesse und eine höhere Behandlungsqualität. All das führt dann dazu, dass die Patienten zufrieden ins Haus kommen und es zufrieden wieder verlassen. Last, but not least werden durch die digitale Terminvereinbarung und Kommunikation selbstverständlich auch die Mitarbeitenden entlastet.

Patienten erwarten heute einen digitalen Weg der Kommunikation mit dem Krankenhaus. Um das möglichst barrierefrei zu gewährleisten, muss das Portal in seinen Inhalten verständlich und leicht zu bedienen sein. Den GNH-Häusern war wichtig, dass im Vorfeld der Behandlung auch MRT- und CT-Bilder im DICOM-Format über das Patientenportal hochgeladen werden können.

Daten verlassen das Klinikum nicht

Um den passenden Partner für die weitere Digitalisierung der Prozesse zu finden, hat die GNH das Patientenportal am 30. August 2021 europaweit ausgeschrieben. Eine Projektgruppe hat die zu Beginn elf Bewerber in intensiven Diskussionen und zwei Verhandlungsrunden schrittweise verdichtet, so dass am Ende POLAVIS als Anbieter der Wahl blieb. Die Features haben vollends überzeugt. Ein großes Thema war die Datensicherheit. Die Einrichtungen wollten die Hoheit über die Daten der Patienten behalten, weswegen nur eine On-Premise-Lösung infrage kam. Das war ein wesentliches Entscheidungskriterium.

Als weiterer Pluspunkt erwies sich die ins Patientenportal integrierte Videokommunikation. Das ermöglicht es, die Patientenversorgung anders zu denken. So könnte das medizinische Personal Patienten bespielweise zu Hause aufklären. Die GNH lässt diese Möglichkeit aktuell rechtlich prüfen. Großes Potenzial verspricht sich zum Beispiel das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, eine der größten Kinderkliniken des Bundeslandes. Die Patienten haben teils sehr lange Anfahrtswege ins Klinikum, die ihnen durch die Aufklärung der Erziehungsberechtigten remote ersparen blieben. Die Lösung beinhaltet zudem eine KBV-zertifizierte Videosprechstunde.

Individuelle Konfiguration und reibungslose Einführung

Der Anbieter bekam im April 2023 den Zuschlag der Gesundheit Nordhessen. In einem gemeinsamen Kick-off wurden die Geburtshilfe, die Thoraxchirurgie und die Augenklinik als Pilotkliniken benannt. Die Thoraxchirurgie ist eine kleine Abteilung, dort können die Projektpartner sehr gut beobachten, wie der Test funktioniert. Die Augenklinik und die Geburtshilfe haben hohe Anforderungen in puncto Erreichbarkeit.

Im nächsten Schritt der Industriepartner in Abstimmung mit der IT-Abteilung der Einrichtungen das Testsystem installiert, es für die Pilotkliniken konfiguriert und die Präsentationen durchgeführt. Nach einem erfolgreichen Test gehen die Pilotkliniken im Frühjahr 2024 mit dem Patientenportal in den Echtbetrieb.

Die Herausforderung liegt darin, Prozesse, die sich über Jahre in Papierform manifestiert haben, nicht nur digital um-, sondern neu aufzusetzen. Es galt, Prozesse und eingefahrene Standardabläufe aufzubrechen, sie neu zu betrachten und umzugestalten.

Die Akzeptanz entwickelt sich schrittweise: einer gewissen Skepsis auf der einen Seite steht bereits hohe Zufriedenheit gegenüber, beispielsweise bei den Mitarbeitenden in den Ambulanzen. Um eine breite Akzeptanz zu erreichen, haben die Projektverantwortlichen Arbeitsgruppen gebildet und gehen in die direkte Kommunikation mit allen, die mit dem Patientenportal in Berührung kommen. Die Skeptiker sollen mit den Vorteilen des Patientenportals überzeugt werden: Erreichbarkeit sowie daraus resultierende Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit.

Am System selbst liegt es zumindest nicht.: Das wurde perfekt aufgesetzt. Die Konfiguration der Piloten, die Schulungen und Präsentationen, die Überführung in das Test- und Produktivsystem, alles war aus einem Guss. Die Verantwortlichen sind davon überzeugt, dass die Portallösung die richtige Wahl ist.

Höhere Zufriedenheit und weniger No-shows

Wie sieht nun der Workflow im neuen Patientenportal aus? Muss man nach der Untersuchung in der Arztpraxis in einem Krankenhaus der GNH weiterbehandelt werden, bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder die Praxis vereinbart direkt einen Termin und lädt alle notwendigen Daten und Informationen – Vorbefunde, Einweisungen, Überweisungen und dergleichen – ins Portal hoch, oder die Patienten übernehmen das selbst. Der Termin wird je nach Fachbereich direkt oder nach Klärung bestätigt. Die Benachrichtigungen und Terminerinnerungen werden dann entsprechend per SMS und E-Mail verschickt.

Anfragen, die Patienten oder Zuweisende aktuell noch per Telefon, E-Mail oder Fax stellen, werden künftig über das Portal abgedeckt. Davon erwartet sind die GNH eine massive Entlastung in den Ambulanzen und Abteilungssekretariaten. Um dort unnötige Nachfragen zu vermeiden, hat die Gesundheit Nordhessen verschiedene Pflichtfelder für die Terminvereinbarung definiert, beispielsweise eine konkrete Fragestellung oder eine Facharztüberweisung. Mit dem festgeschriebenen Verfahren ist dann auch sichergestellt, dass hilfesuchende Personen in die passende Sprechstunde gelangen und dem Klinikteam vor Untersuchungsbeginn die nötigen Informationen zur Verfügung stehen, um sich angemessen vorzubereiten und bestmöglich zu behandeln. Die automatisierte Terminerinnerung soll die sogenannte No-show-Rate reduzieren, also das Fernbleiben der Patienten vom Termin.

Kliniken, die ebenfalls vor der Auswahl eines Patientenportals stehen, sei geraten, sich intensiv mit den eigenen Prozessen auseinanderzusetzen und eine Vision zu entwickeln, wie das digitale Arbeiten konkret aussehen soll. Das A und O ist jedoch, das pflegerische und medizinische Personal frühzeitig zu informieren und sie mit ins Boot zu nehmen.


Christian Müller
GNH Gesundheit Nordhessen
Projektleitung KHZG FTB 2 und FTB 4
E-Mail: christian.mueller@gnh.net

Quelle: Digitalspecial Patientenportale / Krankenhaus-IT Journal


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