KHZG, Anbieterkonsolidierung, Produktabkündigungen, veränderte Anforderungen, Strukturreformen und limitierte Ressourcenverfügbarkeit rücken die Krankenhaus-Informations-Systeme (KIS) verstärkt in den Managementfokus. Beim hybriden 172. Health-IT Talk Berlin/Brandenburg im Mai 2025 lautete daher das Thema: Quo vadis KIS? Warum und wie ein neues KIS? Moderator war Dr. Adrian Schuster.
Die Planungen für einen KIS-Wechsel beginnen mit einer umfassenden Bestandsaufnahme der aktuellen Systemlandschaft und der klinischen, administrativen sowie technischen Anforderungen. Dabei werden nicht nur funktionale Bedürfnisse, sondern auch strategische Zielsetzungen definiert.
Das Projektmanagement bei einem KIS-Wechsel stellt eine komplexe Herausforderung dar, die ein strukturiertes Vorgehen und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Eine zentrale Rolle spielt dabei die frühzeitige Einbindung aller relevanten Stakeholder
Einführung eines neuen Krankenhausinformationssystems (KIS) ist ein strategisch bedeutendes Projekt, das die digitale Infrastruktur einer Gesundheitseinrichtung nachhaltig prägt. Ziel ist es, medizinische, pflegerische und administrative Prozesse effizient zu unterstützen und zu vernetzen.
Abstimmung mit Nutzerbedürfnissen
Der Go-Live stellt einen kritischen Punkt dar, bei dem intensive Betreuung durch IT- und Fachpersonal erforderlich ist. Nach der Inbetriebnahme sind Stabilisierung, Support und die kontinuierliche Optimierung zentrale Erfolgsfaktoren.
Für die Einführung eines neuen KIS sind Kriterien entscheidend wie Funktionalität und Usability, auch Faktoren wie Anbieterstabilität, Schulungsangebote, Supportqualität und langfristige Weiterentwicklungsperspektiven in enger Abstimmung mit den Nutzerbedürfnissen.
Drei Klinikreferenten berichteten beim Health-IT Talk Berlin/Brandenburg aus ihren KIS-Projekten und gaben Erfahrungen und Empfehlungen weiter.
Change Akteure
In Nürnberg setzt Dr. Manfred Criegee-Rieck, Abteilungsleitung Informationstechnologie, Klinikum Nürnberg, bei dem KIS-Wechsel auf Anwerderzufriedenheit, Effizienz der Prozesse und Workflows, Interoperabilität sowie Funktionsumfang und Integration. Empfehlungen von Criegee-Rieck: Der Projekterfolg hängt von der Rückendeckung der Führungsspitze – C-Level – ab. Erfolge bei Entscheidungsbefugnissen sind von Zeitplan und Geschwindigkeit abhängig. Übergreifendes Change Management findet auch in der IT statt.
Karin Koerber, Geschäftsführerin, Klinik Menterschwaige, benannte fehlende Anbindung etwa bei Pflegedokumenation, EKG/Labor oder auch Medikation als Wechselgründe. Erreicht werden Digitalisierung und Optimierung aller administrativen und klinischen Prozessen, webbasierte KIS-Lösung in einer gemeinsamen, benutzerfreundlichen und intuitiven Oberfläche. Eine ihrer Empfehlungen: Notwendig ist ein klares Zielbild einschließlich aller Schnittstellen zu Anwendungen, ebenso wie die Abklärund und Erfüllung der Voraussetzungen zur Anbindung.
SAP hat die Krankenhaus-Software IS-H abgekündigt, der Support endet 2027, mit einer teureren Extended-Support-Option bis maximal 2030. Andreas Schneider-Adamek - CIO, Leitung Geschäftsbereich IT und Medizintechnik, Klinikum Braunschweig, wies auf diese Abkündigung als ein Motiv hin. Monolithen versus Best of Breed war dabei Diskussionspunkt.
KiS ist kein alleinstehendes IT-Produkt, sondern eine Zusammenstellung ideal harmonisierender IT-Lösungen, gerade bei Best of Breed-Lösungen. Aspekte sind eine intersektorale und interoperable Ausrichtung des KIS, also offene Schnittstellen und einheitliche Spezifikationen.
Die Braunschweiger veranschlagten zum Wechsel als Projektlaufzeit mindestens 4 Jahre. Betroffen sind 80% der Belegschaft. Mit Einschränkungen im Betriebsablauf und laufenden Projekten ist zu rechnen. Als erforderlich listeten sie mehr als 10 Millionen Euro und zusätzliche Kapazitäten auf.
Schneider-Adamek unterstrich: Als initiale Regelbetriebserwartungen gelten stufenweise und priorisierte Ablösung des IS-H/ishmed sowie parallele Migration von administrativen und klinischen Teilen des KIS. Den Abschluss markiert das Jahr 2029.
Abwägung vielfältiger Kriterien
Ein KIS-Wechsel ist selten eine rein technische Entscheidung, sondern erfordert eine sorgfältige Abwägung vielfältiger Kriterien. Neben der technischen Notwendigkeit (z.B. Support-Ende, fehlende Funktionen) spielen wirtschaftliche Tragfähigkeit, strategische Ausrichtung, Prozessoptimierung und die Einbindung aller Beteiligten eine zentrale Rolle. Eine strukturierte Planung, idealerweise mit einem Phasenplan und unter Einbeziehung aller Stakeholder, ist für einen erfolgreichen Wechsel maßgeblich.
Beim anschließenden Netzwerken vom Health-IT Talk Berlin/Brandenburg im Mai 2025 konnten die Teilnehmer Details vertiefen, direkte Projektinformationen austauschen und gemeinsame Aktivitäten planen.
Health-IT-Talk Berlin-Brandenburg
Im monatlichen Health-IT-Talk Berlin-Brandenburg tauschen sich verbands- und fachrichtungsübergreifend Branchenkollegen zur Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft aus.
Unterstützt durch Non-Profit-Organisationen BVMI, TMF, KH-IT, SIBB ist die Reihe frei von wirtschaftlichen Interessen und kostenfrei für die Teilnehmer.
Nächste Termine
16.6.25 HITT Digitalisiserung des Rettungswesens bei der Berliner Feuerwehr
14.7.25 HITT genomDE Personalisierte Medizin – Forschung, Chancen und Erfolge
Autor: Wolf-Dietrich Lorenz
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