Eine umgebaute Toilettenkabine als medizinische Hightech-Station? Was im ersten Moment ungewöhnlich klingt, könnte in Zukunft Leben retten. Beim diesjährigen Parookaville-Festival in Weeze wurde erstmals eine speziell entwickelte telemedizinische Kabine der Uniklinik RWTH Aachen im Rahmen des Forschungsprojekts KABINE, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, im Realbetrieb getestet – mit großem Erfolg.
Rund 100 Festivalbesucherinnen und -besucher wurden in der Kabine versorgt, die mit zahlreichen medizinischen Geräten ausgestattet ist: darunter eine Untersuchungskamera, Blutdruckmessgerät, Fieberthermometer, Sauerstoffsättigungsclip, EKG, ein digitales Stethoskop und mehr. Der Clou: Alle Geräte sind für Laien bedienbar– unter Anleitung eines Arztes oder einer Ärztin per Videoübertragung. Die Anwendung ist einfach und schnell: Die Patientin oder der Patient betritt die Kabine, nimmt Platz und wird per Video mit einem Mediziner verbunden. Dieser führt dann Schritt für Schritt durch die Untersuchung. Die gesammelten Daten – von Vitalparametern bis hin zu Live-Bildern – werden direkt in die ärztliche Software übertragen und ausgewertet. Falls erforderlich, kann anschließend eine Therapie empfohlen oder sogar ein digitales Rezept ausgestellt werden.
Große Zufriedenheit – kaum technische Probleme
Während des Festivals wurde die Kabine im Rahmen des Sanitätsdienstes eingesetzt, um die Tauglichkeit der Technologie unter realen Bedingungen zu prüfen. Die Ergebnisse sind durchweg positiv:
„Die Patientinnen und Patienten waren ausgesprochen zufrieden – vor allem wegen der schnellen Behandlung, der modernen Technik und dem Gefühl, gut betreut zu sein“, berichtet Anna Müller, Studienleiterin und Oberingenieurin am AcuteCare InnovationHub der Klinik für Anästhesiologie an der Uniklinik RWTH Aachen.
„Wir konnten zeigen, dass unsere Lösung auch bei hoher Auslastung, Hitze, Festivaltrubel und unter Zeitdruck zuverlässig funktioniert. Es gab keine nennenswerten technischen Ausfälle. Das bestärkt uns in der Annahme, dass unser System auch in Krisensituationen einsatzfähig ist.“
Ziel: Einsatz in Katastrophengebieten
Langfristig soll die Kabine in Katastrophen- oder Krisenregionen eingesetzt werden – besonders in der Wiederaufbauphase nach Naturkatastrophen oder humanitären Krisen, wenn medizinische Infrastruktur zerstört ist. Die telemedizinische Kabine ist dabei bewusst modular, robust und mobil gestaltet. Sie verfügt über eine eigene Stromversorgung über Solar sowie eine Satellitenanbindung und soll so 24 bis 48 Stunden autark arbeiten können. Dank standardisierter Schnittstellen und intuitiver Bedienung können auch ungeschulte Helferinnen und Helfer sie in Betrieb nehmen und Patienten versorgen – mit ärztlicher Unterstützung aus der Ferne.
Forschung im Einsatz – nicht im Elfenbeinturm
Der außergewöhnliche Testlauf auf einem der größten Musikfestivals Europas zeigt: Innovationen für den Notfall müssen praxistauglich sein. Die Kombination aus medizinischem Know-how, ingenieurtechnischer Entwicklung und digitaler Infrastruktur macht das KABINE-Projekt zu einem Vorzeigevorhaben für moderne Katastrophenmedizin. Die Ergebnisse der Studie werden derzeit ausgewertet und sollen in die Weiterentwicklung der Kabine sowie in die Vorbereitung weiterer Pilotprojekte einfließen – möglicherweise auch außerhalb Europas.
Über das Projekt KABINE
KABINE ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Klinik für Anästhesiologie der Uniklinik RWTH Aachen. Ziel ist die Entwicklung und Erprobung mobiler, telemedizinischer Versorgungseinheiten für den Einsatz in Katastrophen-, Krisen- oder Sonderlagen. Das Projekt wird vom AcuteCare InnovationHub durchgeführt und in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Technik sowie in Zusammenarbeit mit verschiedenen Hilfsorganisationen entwickelt. Weitere Informationen erhalten Sie unter: https://projekt-kabine.org
Fotos & Quelle: Uniklinik RWTH Aachen