Paradigmenwechsel in der Chirurgie: Robotik als Teil des Arbeitsablaufs verstehen

Veröffentlicht 19.08.2025 15:40, Kim Wehrs

Der Einsatz von Robotik in der Chirurgie wird oft als Revolution verkauft. Tatsächlich können innovative Robotiklösungen dazu beitragen, Präzision und Sicherheit in Bereichen wie der Wirbelsäulenchirurgie zu erhöhen. Voraussetzung dafür ist allerdings ein optimierter chirurgischer Workflow, zu dem auch Bildgebung, Navigation und Planung zählen. Wenn Kliniken wirklich all diese Prozessschritte berücksichtigen, können sie das volle Potential der Robotik nutzen, Behandlungserfolge verbessern – und neue Maßstäbe setzen.

Robotik wird in den Medien oft als Technologie dargestellt, die die Behandlungsmöglichkeiten in Bereichen wie der Wirbelsäulenchirurgie in revolutionärer Weise erweitert und verbessert. Dabei entstehen die Vorteile ihres Einsatzes nicht im Wesentlichen durch die einzelne Robotiklösung, sondern durch die Optimierung des gesamten klinischen Arbeitsablaufs. Die Basis für Robotik auf höchstem Niveau liegt in chirurgischer Vorplanung, intraoperativer Bildgebung, genauer Patientenregistrierung, optimiertem Instrumenten-Design sowie – als einem der wesentlichen Punkte – einem chirurgischen Arbeitsablauf, der auf diese neue Technik zugeschnitten ist. All dies sind Voraussetzungen für den erfolgreichen und sinnvollen Robotikeinsatz.

Small Changes, Big Impact: Mit vielen kleinen Schritten zum Erfolg

Die erhoffte High-Performance-Chirurgie ist somit keine Frage der Robotik allein, sondern das Resultat vieler kleiner Verbesserungen an jeder Stellschraube des chirurgischen Arbeitsablaufs.[1] Verdeutlichen lässt sich dies anhand der Methode der „Aggregation of Marginal Gains“, die ursprünglich aus dem Profiradsport stammt. So wie dort an jedem noch so kleinen Teilaspekt wie der Aerodynamik der Trikots, dem Reifendruck oder der Ernährung der einzelnen Fahrer:innen gefeilt wird, um das Gesamtergebnis zu verbessern, können Kliniken an der Qualität ihrer Bildgebung, der Software-Planung oder der Patientenregistrierung arbeiten. Durch Aufsummierung all dieser Detailverbesserungen entstehen am Ende große Verbesserungen in der Patientenbehandlung, die dadurch ein neues, bisher nicht für möglich gehaltenes Niveau erreichen kann.[2]

Dafür ist es essentiell, dass Chirurg:innen den gesamten technologischen und klinischen Arbeitsablauf in der Tiefe verstehen. Die Basis dafür sollte idealerweise schon in der Ausbildung gelegt werden. Digitale Trainingskonzepte mit Augmented-Reality-Funktionalitäten oder App-basierte Gamification-Programme helfen, angehende Chirurg:innen an die Materie heranzuführen und ein „Mentales Modell“ für Operationen zu entwickeln, mit dem sie sich von überall aus gut auf ihre Eingriffe vorbereiten können. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise die Partnerschaft zwischen Brainlab und der AO Foundation ein wichtiger Baustein, um Standards und Best Practice Guidelines, unabhängig und frei von Interessen bestimmter Implantat-Hersteller, weiterzuentwickeln und global zu trainieren.

Strukturierte Datenanalyse als Basis moderner Wirbelsäulenchirurgie

Eine Schlüsselrolle kommt dabei außerdem strukturierten Patientendaten zu. Denn in der modernen Wirbelsäulenchirurgie rückt immer mehr das Software-Ökosystem in den Mittelpunkt. Dazu gehören neben moderner Planungs- und Navigationssoftware auch digitale Lernkonzepte und die Erfassung großer Mengen von Patientendaten, die strukturiert, analysiert und ausgewertet werden können. Ziel ist es, damit die Behandlungsqualität unvoreingenommen und unabhängig von bestimmten Implantatherstellern zu verbessern. Dabei dürften die Daten nicht nur Antworten auf akute Fragestellungen geben, sondern auch auf solche, die bislang noch gar nicht in den Diskurs eingebracht wurden. Im Idealfall sollte eine strukturierte Datenerfassung integraler Bestandteil des klinischen Arbeitsablaufs sein.

Vor diesem Hintergrund bauen Snke, eine Tochterfirma von Brainlab, und die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft gemeinsam eine Datenbank auf, in der die Daten vieler tausend OPs segmentiert und analysiert werden. Entscheidend ist, dass darin auch erfasst wird, wie sich der Behandlungserfolg über die Zeit einstellt und wie es den Patient:innen dabei geht. Dies hilft Chirurg:innen nicht nur, zu bewerten, ob eine Schraube oder ein Cage richtig sitzen, sondern auch zu verstehen, wie erfolgreich die verschiedenen Therapiekonzepte in der Praxis tatsächlich sind. Anhand der wachsenden Datenbasis können Ärzt:innen  analysieren, welche Behandlung für welchen Patienten geeignet ist, wobei auch Faktoren wie z. B. Alter, Geschlecht und der persönliche Hintergrund berücksichtigt werden müssen.[3] Dies trägt dazu bei, eine Behandlung anzubieten, die genau auf den einzelnen Patienten zugeschnitten ist.

Unter all diesen Gesichtspunkten vollzieht sich momentan ein Paradigmenwechsel in der Wirbelsäulenchirurgie: Treibender Faktor ist nicht mehr in erster Linie das neue Implantat, also die Hardware, sondern es sind vor allem moderne Softwarelösungen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des rasanten Entwicklungsfortschritts generativer KI.

Patientenspezifische Behandlung unabhängig von der Hardware

Wenn der gesamte chirurgische Arbeitsablauf mit modernster Technik in Einklang gebracht wird, kann dies dazu beitragen, Patientensicherheit und Ergebnisqualität immer weiter zu verbessern – und so die Grenzen der Wirbelsäulenchirurgie zu verschieben. Dabei geht es um die Optimierung aller Schritte entlang des chirurgischen Workflows. Um diesem ganzheitlichen Ansatz Rechnung zu tragen, hat Brainlab das Robotic Suite-Konzept entwickelt. Neben einem robotischen Arm umfasst es Lösungen für eine präzise Bildgebung, Planung, Navigation und Patientenregistrierung. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei nicht nur auf der Beachtung der kompletten Prozesskette, sondern auch darauf, dass die Robotic Suite offen für den Einsatz von Implantaten aller Hersteller ist. Auf diese Weise können Kliniken ihre Implantate frei nach fachlichen, wirtschaftlichen und patientenspezifischen Kriterien wählen. Letztlich geht es also um eine Demokratisierung der Wirbelsäulenchirurgie, um Behandlungserfolge weiter voranzutreiben und die finanzielle Belastung für die Gesundheitssysteme so klein wie möglich zu halten. Um das zu erreichen, ist eine offene Technologieplattform mit einem holistischen und unabhängigen Software-Fokus das A und O.


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