Ohne professionelles Change Management scheitert die digitale Transformation im Krankenhaus und damit die Zukunft der Patientenversorgung. Digitalisierung im Gesundheitswesen ist kein Technik-, sondern ein Führungs- und Kulturprojekt: Nur wer strategisch vorgeht, Widerstände aktiv adressiert und Führungskompetenz zeigt, wird die Belegschaft wirklich mitnehmen und so den Sprung in die Medizin von morgen schaffen. Leadership spielt dabei eine zentrale Rolle, um die Belegschaft für Veränderungen zu motivieren und die digitale Transformation erfolgreich zu gestalten.
Change-Management ist als die zielgerichtete und geplante Umsetzung organisatorischer Veränderungen zu verstehen, die besagt, dass die Bereitschaft zur Veränderung unter bestimmten Bedingungen entsteht. Dazu muss die Notwendigkeit der Veränderung klar, das Zukunftsbild attraktiv, die ersten Veränderungsschritte praktikabel und plausibel und die Kapazitäten für den Wandel vorhanden sein. Wenn das Produkt dieser Faktoren größer als die wahrgenommenen Kosten der Veränderung aus Sicht der Akteure ist, dann entsteht Veränderungsenergie. Der Widerstand gegen Veränderung muss kleiner sein als die treibenden Faktoren der Veränderung.
Dabei gilt es, Veränderungsprozesse äußerst sensibel zu gestalten und alle Beteiligten mitzunehmen. Untersuchungen, wonach etwa 70 Prozent der Reorganisationsprozesse nicht oder nur teilweise erfolgreich sind, bestätigen dies. Meist liegen die Ursachen in einer unzureichenden Planung und Durchführung der Projekte und in Ermangelung eines zielgerichteten gemeinsamen Gestaltens. Change Management definiert sich insofern als das Moment für kontrollierte, laufende Anpassungen von Unternehmensstrategien und -strukturen an veränderte Rahmenbedingungen.
Die Krankenhäuser bewegen sich in einem Spannungsfeld, das von Digitalisierung, Fachkräftemangel, steigenden Patientenerwartungen und zunehmender Komplexität geprägt ist. In dieser „VUCA“-Welt – volatil, unsicher, komplex und ambivalent – sind klassische Führungsansätze nicht mehr ausreichend. Es braucht Fach- und Führungskräfte, die nicht nur medizinisch und organisatorisch kompetent sind, sondern auch über tiefes Change-Management-Know How verfügen. Denn Veränderungsprozesse im Krankenhaus sind längst nicht mehr punktuelle Projekte, sondern kontinuierliche Transformationen, die alle Ebenen betreffen.
Prozessstrukturen und Teamdynamiken
Digitale Innovationen, die Einführung von KI-gestützten Systemen oder die Umstellung auf neue Prozessstrukturen verändern nicht nur Arbeitsabläufe, sondern auch Rollenbilder und Teamdynamiken. Erfolgreiches Change Management bedeutet hier, technische Veränderungen mit menschlichen Bedürfnissen zu verbinden. Führungskräfte, die auf Remote Leadership, transformationale Führung und agile Ansätze setzen, können Teams nicht nur sicher durch Unsicherheit steuern, sondern sie zugleich motivieren, eigenverantwortlich neue Lösungen zu entwickeln. Gerade in einem Umfeld, in dem Resilienz und Problemlösungskapazität über den Erfolg von Teams entscheiden, kommt dieser Fähigkeit besondere Bedeutung zu.
Teamentwicklung ist dabei ein zentraler Hebel: Nur wer Mitarbeitende gezielt befähigt, Ängste ernst nimmt und gleichzeitig Chancen aufzeigt, schafft eine Kultur der Offenheit und Innovationsbereitschaft. Das Change Management im Krankenhaus ist daher mehr als die Einführung digitaler Tools. Es ist die aktive Gestaltung einer Lernkultur, die Veränderungen nicht als Belastung, sondern als Wachstum begreift.
Belegschaft beim Veränderungsprozess mitnehmen
Bei der Planung und Einführung digitaler Lösungen muss das System Krankenhaus in seinen Zusammenhängen verstanden werden. Dazu gehören die klinischen Abläufe, die Prozesse der Verwaltung, die Architektur der IT, die Bedürfnisse der jeweiligen Fachdisziplinen und Interessen der involvierten Berufsgruppen sowie das Erlösmodell und die übergeordnete Strategie des Krankenhauses.
Die Einführung digitaler Lösungen hat nicht nur Auswirkungen auf die IT- und administrative Prozesslandschaft, sondern vor allem auf tägliche Routinen und Arbeitsabläufe des Krankenhauspersonals. Das Krankenhausmanagement muss die Belegschaft in den Veränderungsprozess einbinden, mitnehmen und richtig adressieren. Ein Kernbestandteil und Erfolgsfaktor von Digitalisierungsvorhaben besteht darin, den Menschen und sein Arbeitsumfeld klar in den Mittelpunkt zu stellen und den Wandel mit einem zielgerichteten Change-Prozess zu gestalten.
Die Rolle der Führungskräfte ist dabei klar: Sie sind Übersetzer zwischen Technik und Mensch, zwischen Vision und gelebtem Alltag. Ob durch klare Kommunikation, Empowerment oder den Einsatz agiler Methoden – sie machen Veränderung erlebbar und nachhaltig. In einer Branche, in der jeder Wandel unmittelbare Auswirkungen auf die Versorgung von Menschen hat, wird Change Management zur Schlüsselkompetenz. Wer sich darauf einlässt, gestaltet nicht nur Prozesse neu, sondern prägt die Zukunft einer ganzen Organisation.
Autor: Wolf-Dietrich Lorenz
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