Deutsches Gesundheitswesen: USA als ein Taktgeber

Veröffentlicht 18.09.2025 17:00, Kim Wehrs

Das deutsche Gesundheitswesen steht in vielfacher Hinsicht in einem strategisch engen Abhängigkeitsverhältnis zu den USA,  insbesondere bei Innovationen, Lieferketten und der biomedizinischen Forschung. Die USA prägen mit ihrem starken Pharmamarkt, ihrer Innovationsführerschaft, aber auch durch politische Kurswechsel und Preisregulierungstrends direkt und indirekt die Versorgungsrealität und die Innovationsdynamik in deutschen Krankenhäusern. Ein Blick auf Chancen und Risiken sowie Handlungsempfehlungen für Krankenhäuser ist erforderlich.

US-Einfluss: Innovation, Medikamente, systemische Kernpunkte

Der US-Markt fungiert als Taktgeber für pharmazeutische Entwicklungen und medizinische Innovationen: Viele der in Deutschland eingesetzten Medikamente und Medizintechnikprodukte werden entweder in den USA entwickelt oder enthalten Vorprodukte, die aus den USA stammen. Politische Weichenstellungen wie Zölle oder Änderungen in der Preissetzung drohen, die Lieferketten empfindlich zu stören und Innovationen zu verteuern – mit spürbaren Folgen für die Patient:innenversorgung in deutschen Kliniken. Die Pharmaindustrie in Deutschland ist durch Exporte eng mit den USA verflochten. Steigende Hürden könnten das gesamte Versorgungsmodell ins Wanken bringen, da auch scheinbar unabhängige Lieferketten (über Irland oder die Schweiz) vielfach auf US-Komponenten basieren.

Zwar gilt das deutsche System als besser abgesichert und solidarisch, mit nahezu vollständigem Versicherungsschutz und breitem Zugang zur Versorgung. Dennoch leidet es an Innovationshemnissen: bürokratische Hürden, restriktiver Umgang mit Gesundheitsdaten und ein streng reguliertes Erstattungswesen bremsen Fortschritte aus und machen das System weniger agil als den US-Markt. US-Trends wie Managed Care oder value-based Medicine werden dennoch aufmerksam beobachtet und phasenweise übernommen, besonders wenn Kostendruck und Effizienzsteigerung thematisiert werden.

Handlungsempfehlungen für Krankenhäuser

Um die Abhängigkeit zu reduzieren und die Resilienz zu steigern, sollten Krankenhäuser:

  • Lieferanten und Medikamente regelmäßig auf US-Anteil und Notfallsubstituten prüfen.
  • Strategische Partnerschaften für Forschung und Beschaffung europäisch diversifizieren.
  • Innovation „from bench to bedside“ beschleunigen, indem bürokratische Hürden im Innovationsprozess abgebaut werden.
  • Sich stärker im europäischen und globalen Wertedialog engagieren, um eigenständige Standards zu setzen.
  • Frühzeitig Szenarien entwickeln, wie politische US-Entscheidungen (Preise, Zölle, Zugang) Versorgung und Finanzen beeinflussen.

Die wichtigste Zukunftsaufgabe bleibt, die eigene Innovationsfähigkeit zu stärken, ohne die Fehler des US-Modells wie Versorgungslücken und extreme Kostensteigerungen zu importieren.

In einem Ländervergleich von zehn hochentwickelten Gesundheitssystemen belegten die USA zuletzt den letzten Platz in Bezug auf Zugang, Effizienz, Gleichheit und Versorgungsergebnisse.  Deutschland rangiert im selben Vergleich nur knapp vor den USA, mit einer soliden Versorgung und gutem Zugang, aber mit Defiziten etwa bei Prävention, Versorgungsergebnissen und Koordinationsgrad der Versorgung.

Chancen und Risiken für Deutschland

Die zweite Amtszeit Trumps markiert einen Paradigmenwechsel, der weit über die USA hinausstrahlt. Für das deutsche Gesundheits- und Innovationsökosystem bedeutet dies, sich resilient zeigen zu müssen: sei es durch den Erhalt verlässlicher transatlantischer und weltweiter Wissenschaftskooperation trotz politischer Divergenzen, durch stärkere europäische Eigenständigkeit in der Gesundheits- und Forschungspolitik oder durch das bewusste Einstehen für solidarische Prinzipien als Gegenmodell zu einem rein marktbasierten Ansatz.  

 

Autor: Wolf-Dietrich Lorenz
Foto: Adobe Stock / Model it


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