Die IT-Sicherheitslage in Krankenhäusern erfordert einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Reaktive Maßnahmen wie das bloße Einspielen von Patches nach Bekanntwerden einer Schwachstelle reichen längst nicht mehr aus, um den vielfältigen Bedrohungen standzuhalten. Angesichts der zunehmenden Vernetzung medizinischer Systeme, externer Partner und Cloud-Dienste muss das Angriffsflächenmanagement zu einem kontinuierlichen, dynamischen Prozess werden. Ziel ist es, die gesamte digitale Wertschöpfungskette zu erfassen, Risiken frühzeitig zu erkennen und priorisiert abzuwehren.
Im Zentrum steht der Aufbau eines ständig aktualisierten Bestands aller digitalen Assets. Nur wer seine Infrastruktur vollständig kennt – von klassischen IT-Komponenten über vernetzte Medizingeräte bis hin zu Schnittstellen mit Drittanbietern – kann Angriffsvektoren realistisch bewerten. Diese Bestandsaufnahme ist keine einmalige Aufgabe, sondern ein fortlaufender Prozess, der auf automatisierter Erkennung und Korrelation von Systemdaten basiert. Durch die Verknüpfung identifizierter Schwachstellen mit geschäftskritischen Prozessen lassen sich potenzielle Sicherheitsrisiken gezielt priorisieren und Ressourcen effizient einsetzen.
Das Konzept des Continuous Threat Exposure Management (CTEM) erweitert diese Perspektive, indem es die Angriffspunkte nicht nur innerhalb des Krankenhauses, sondern über dessen Grenzen hinaus berücksichtigt. APIs, Cloud-Services und die IT-Strukturen von Geschäftspartnern werden einbezogen, um ein ganzheitliches Risikobild zu erzeugen. Ergänzend spielen Frühwarnmechanismen eine zentrale Rolle: Automatisierte Analysen von Schwachstellenfeeds, Bedrohungsdaten und Systemanomalien ermöglichen es, Angriffe zu antizipieren, bevor sie Schaden anrichten. Damit entwickelt sich das Krankenhaus von einem passiv reagierenden IT-Betrieb zu einer aktiven, lernenden Sicherheitsorganisation, deren strategisches Ziel nicht die Fehlerbeseitigung, sondern die stetige Reduzierung der Angriffsfläche ist.
Continuous Threat Exposure Management in Krankenhäusern erfordert klar definierte Rollen, Prozesse und Verantwortlichkeiten. Das Sicherheitsteam überwacht kontinuierlich die digitale Angriffsfläche, bewertet Risiken und priorisiert Schwachstellen. IT-Management koordiniert Schutzmaßnahmen und sorgt für die Integration in Geschäftsprozesse. Frühwarnsysteme automatisieren die Erkennung von Bedrohungen, während die Compliance-Abteilung die Einhaltung regulatorischer Vorgaben sicherstellt.
Entscheider tragen die Gesamtverantwortung zur Sicherstellung einer proaktiven Sicherheitsstrategie. So wird CTEM zu einem dynamischen, institutionellen Prozess, der technische und organisatorische Aspekte eng verknüpft. Die Geschäftsführung trägt im Continuous Threat Exposure Management die Gesamtverantwortung für die Etablierung und Aufrechterhaltung einer effektiven Cybersicherheitsstrategie. Sie sorgt dafür, dass CTEM als integraler Bestandteil der Unternehmensführung anerkannt und mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet wird. Zudem muss sie eine klare Governance-Struktur schaffen, die Verantwortlichkeiten definiert und die erforderliche Koordination zwischen IT, Security, Geschäftsbereichen und externen Partnern sicherstellt. Die Geschäftsführung überprüft regelmäßig die Risiken, genehmigt die Risikostrategien und stellt sicher, dass Compliance-Anforderungen, insbesondere im Krankenhausumfeld, eingehalten werden. Ihr gehört die Pflicht, durch strategische Vorgaben und Eskalationsprozesse eine Kultur der proaktiven Sicherheitsvorsorge zu fördern und die Sensibilisierung für Cyberrisiken auf Vorstandsebene zu verankern. So wird CTEM von einer technischen Maßnahme zu einer geschäftskritischen Führungsaufgabe.
Krankenhäuser müssen über reaktive Patches hinausgehen und ein proaktives Management ihrer Angriffsflächen etablieren. Die Angriffsfläche reicht über die eigenen IT-Systeme hinaus.
Aufbau eines dynamischen, stets aktuellen Bestands aller digitalen Assets, die Verknüpfung von Schwachstellen mit geschäftskritischen Systemen sowie die Ausweitung von Continuous Threat Exposure Management auf Geschäftspartner, APIs und Cloud-Ökosysteme. Implementierung von Frühwarnmechanismen, Continuous Threat Exposure Management muss das gesamte digitale Umfeld eines Krankenhauses erfassen, von internen Ressourcen über Lieferketten bis hin zu externen Dienstleistern.
Autor: Wolf-Dietrich Lorenz
Foto: Adobe Stock / Worrapol
 
                









