"Die Digitalisierung der Krankenhäuser kann starten, aber leicht wird sie nicht"

Krankenhauszukunftsgesetz:

Veröffentlicht 12.11.2021 10:00, Dagmar Finlayson

Ende Juli sind die ersten 16,5 Millionen Euro aus dem Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) geflossen, insgesamt 413 Förderanträge über 244 Millionen Euro waren bis zu diesem Zeitpunkt beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) eingegangen1. Angesichts der für die Digitalisierung von Krankenhäusern im KHZF zur Verfügung stehenden 3 Milliarden Euro erscheint das wenig, doch für Pessimismus ist es noch zu früh, denn die Beantragung der Gelder ist zeitaufwändig: Die Krankenhäuser müssen ihren Förderbedarf zunächst bei den Bundesländern melden, die dann binnen drei Monaten entscheiden, für welche Digitalisierungsvorhaben sie Mittel beim BAS beantragen. In einigen Bundesländern laufen die Fristen noch, in anderen endeten sie in der ersten Jahreshälfte 2021 – rechnet man drei Monate Bearbeitungszeit auf Landesebene hinzu, ist es nicht verwunderlich, dass im Sommer noch vergleichsweise wenige Anträge beim BAS vorlagen und bearbeitet werden konnten.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) geht davon aus, dass fast alle Krankenhäuser bereits Bedarfsmeldungen eingereicht haben2. Das war nicht unbedingt selbstverständlich, da die Krankenhäuser nach Inkrafttreten des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) nur wenig Zeit hatten, konkrete Digitalisierungsprojekte auszuarbeiten – und das mitten in der Hochphase der Pandemie im vergangenen Winter, die eine enorme Zusatzbelastung darstellte. Dass die Krankenhäuser diese Herausforderung gemeistert haben, zeigt, dass sie das Thema ernst nehmen und ihre Digitalisierung mit Nachdruck vorantreiben wollen.

Die eigentliche Herausforderung steht ihnen indes erst noch bevor, wenn es an die Umsetzung der Projekte geht. Dafür brauchen sie Spezialisten für Projekt- und Changemanagement sowie gut ausgebildete IT-Experten – auch mit Blick auf den anschließenden Betrieb der neuen Infrastrukturen, Plattformen und Anwendungen. Zwar dürfen die geförderten Häuser dieses Personal durchaus aus den Mitteln des KHZF finanzieren, allerdings sind Fachkräfte in den genannten Bereichen rar und von Unternehmen aus allen Branchen heiß umworben. Kaum vorstellbar, dass Krankenhäuser ihren Bedarf im Markt werden decken können. Daher sind sie auf IT-Dienstleister mit Erfahrung und Kompetenzen im Gesundheitswesen angewiesen, die jedoch schon heute häufig mehr Anfragen erhalten haben, als sie abarbeiten können. Bereits die Wartezeiten für Projektierungen und Projekt-Kick-offs sind dementsprechend lang und werfen ihre Schatten auf die Umsetzungszeit voraus.

Zeit für Entspannung wird es allerdings so schnell nicht geben. Spätestens nach der Förderzusage müssen die geförderten Häuser den Ausschreibungsprozess durchführen und die Projekte bis Ende 2024 umsetzen – womit auch die Planung des Folgebetriebs einhergeht. Für viele Häuser ist dies eine sportliche Aufgabe. Denn wie bekannt ist, drohen bei Nichterfüllung der Ziele Abschläge von bis zu 2 Prozent auf den Rechnungsbetrag für jeden voll- und teilstationären Fall. Doch auch unabhängig vom KHZG ist der Prozess der Digitalisierung beziehungsweise der digitalen Transformation schlicht notwendig, um die Patientenversorgung langfristig zu verbessern, die Anforderungen der Patienten und Mitbehandler zu erfüllen sowie den Krankenhausbetrieb effizienter und kostengünstiger zu gestalten.

Wie dringend Krankenhäuser unter anderem digitale Patientenportale, Systeme zur Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen, Tools für die Entscheidungsunterstützung, telemedizinische Netzwerke und eine moderne IT-Security benötigen, zeigt der Krankenhausalltag vielerorts eindrücklich. Allzu oft werden Patientendaten noch auf Papier erfasst, Informationen per Fax ausgetauscht und Behandlungen in dicken Aktenordnern dokumentiert – und das, was an digitalen Infrastrukturen bereits vorhanden ist, ist häufig verwundbar. Vermehrt geraten Kliniken in den Fokus Krimineller und werden beispielsweise zum Opfer von Ransomware-Angriffen3. 17 Prozent aller Cyberattacken entfallen inzwischen auf das Gesundheitswesen4. Allein deshalb ist es höchste Zeit, zu handeln und den Digitalisierungsstand sowie den Schutz von Krankenhäusern schnell zu verbessern. Die Aufgabe ist riesig, doch es bleibt zu hoffen, dass die Krankenhäuser den Schwung aus der KHZG-Antragsphase mitnehmen und die Umsetzung ihrer Projekte jetzt mit demselben Engagement angehen. Zumal weitere Anforderungen wie §75c SGB V und IT-SiG2.0 warten und sich nicht aufschieben lassen.

 

Autor: Michael Marquardt ist Senior Enterprise Architect bei NTT Ltd. in Deutschland

1 https://www.bundesamtsozialesicherung. ... krankenhauszukunftsfonds/
2 https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaf ... Zukunftsfonds-421860.html
3 https://www.swr.de/swraktuell/baden-wu ... es-hackerangriff-100.html
4 https://hello.global.ntt/de-de/newsroo ... e-report-covid-19-related

Quelle Text: NTT Ltd.

Quelle Bild: Pixabay/geralt


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